Priesterliche Heiligkeit und priesterliches Amt

Der heilige Josefmaria sagte: „Wir machen keine unwürdige Kniebeuge, wie es die Soldaten vor Christus taten. Wir beten an! Die Leute merken alles, und sie werden denken: Wie dieser Priester Jesus liebt! Wie sehr ist er davon überzeugt, dass er in der konsekrierten Hostie ist! Wenn sie dich vor Christus knien sehen, wirst du ihre Seelen gewinnen. Übertreibe nicht, aber halte dich an die kirchlichen Richtlinien und lege dein Herz und deinen Glauben hinein“

Als ich als junger Mann in meiner Ortspfarrei die Messe diente, überraschte mich immer wieder ein Priester, der in meiner Pfarrei wohnte. Er war Veteran des Zweiten Weltkrieges, ein erfahrener Jurist und zu jener Zeit der Herausgeber der örtlichen Diözesanzeitung. Diese Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil waren eine besonders schwierige Zeit, da eine ziemliche Verwirrung bezüglich der Liturgie, der priesterlichen Identität und der Rolle der Laien herrschte. Dieser Priester blieb, wie ich bemerkte, nach der heiligen Messe immer einige Zeit dort, um dankzusagen. Er ging sehr sorgfältig mit den Partikeln der Hostien um, die möglicherweise zufällig auf den Altar oder während der Austeilung der Kommunion auf den Boden gefallen waren, und ich traf ihn auch öfters vor dem Allerheiligsten in der Kirche kniend an.

Viele Jahre später erfuhr ich, dass er der Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz angehörte und dass er, zumindest teilweise, diese Andacht und Feinfühligkeit hinsichtlich der Eucharistie durch das Beispiel und die Lehren des Gründers des Opus Dei gelernt hatte. Der heilige Josefmaria sagte: „Wir machen keine unwürdige Kniebeuge, wie es die Soldaten vor Christus taten. Wir beten an! Die Leute merken alles, und sie werden denken: Wie dieser Priester Jesus liebt! Wie sehr ist er davon überzeugt, dass er in der konsekrierten Hostie ist! Wenn sie dich vor Christus knien sehen, wirst du ihre Seelen gewinnen. Übertreibe nicht, aber halte dich an die kirchlichen Richtlinien und lege dein Herz und deinen Glauben hinein“ (Beisammensein mit Priestern, 31.10.1972). Ich zweifle nicht daran, dass das Beispiel dieses Priesters für mich eine große Hilfe war, meine eigene Berufung zum Opus Dei zu entdecken, zuerst als Laie und später als Priester innerhalb der Prälatur.

Einige Jahre nachdem ich diesen Priester kennengelernt hatte, von dessen Verbindung zum Opus Dei ich nichts wusste, begann ich, das Zentrum des Opus Dei in Washington D.C. zu besuchen. Ich glaube, dass ich bereits bei meinem ersten Besuch meine Berufung entdeckte, als ich eine Betrachtung von einem Priester der Prälatur hörte. Außerdem hinterließen in mir die Art, wie er die Kniebeuge machte, seine Andacht vor dem Allerheiligsten als dem menschgewordenen Jesus, der unter der Gestalt des Brotes verborgen ist, und die sorgfältige Art und Weise, wie er die Aussetzung und den Segen mit dem Allerheiligsten vornahm, einen tiefen Eindruck. Ich sagte mir, dass ich da einen Priester vor mir hatte, der wahrhaft glaubte, dass Jesus im Allerheiligsten Sakrament zugegen ist, „mit seinem Leib, mit seinem Blut, mit seiner Seele und mit seiner Gottheit“, wie der heilige Josefmaria zu präzisieren pflegte. Dieser Priester war einer der allerersten Mitglieder des Opus Dei in den Vereinigten Staaten und hatte mehrere Jahre an der Seite des Gründers gelebt. Es war klar, in welche Schule liturgischer Frömmigkeit er gegangen war. Es ist beachtlich, dass all dies zu einer Zeit geschah, wo Frömmigkeit, Andacht, Stille und Schönheit in der Liturgie nicht üblich waren.

Nicht viel später wurde ich Mitglied des Opus Dei und stellte fest, dass allen Gläubigen - und so auch mir - beigebracht wurde, die heilige Messe zu lieben und sie als Mitte und Wurzel des inneren Lebens anzusehen. Mit der Zeit verstand ich, dass der heilige Josefmaria diese Wahrheit zuerst in seinem eigenen Leben umzusetzen suchte. Was er predigte, gründete immer klar auf den Lehren der Kirche und dem Beispiel vieler heiliger Priester, nicht zuletzt aber auch auf seinem persönlichen Verhalten. Mit der Zeit merkte ich, dass die Gläubigen der Prälatur in Nachahmung seines Beispiels sich bei jeder Messe um äußerste Pünktlichkeit bemühten, sich gut kleideten, der Liturgie aufmerksam folgten, die heilige Kommunion würdig empfingen und häufig nach der Messe in stiller Danksagung verweilten. Durch ihr Beispiel gaben sie die Lehren des Gründers an ihre Priester in den Pfarreien weiter. Dadurch, dass diese sahen, wie sehr die Eucharistie den Mittelpunkt des inneren Lebens und der Berufsarbeit der Laien bildete, wurden sie selbst in ihrem priesterlichen Amt neu bestärkt und gefestigt.

Ich habe den heiligen Josefmaria nie persönlich kennengelernt, obwohl ich Gelegenheiten dazu gehabt hätte. Während meines Universitätsstudiums konnte ich mir jedoch keine kostspieligen Reisen nach Rom oder Südamerika leisten. Aber wie so viele von Ihnen habe ich die Filme gesehen. Besonders bewegend waren die Treffen mit Hunderten von Priestern in Spanien und Lateinamerika, bei denen man von ihm selbst hören kann, was er über die Eucharistie und die heilige Messe zu sagen hatte. Er sprach klar, manchmal schrie er beinahe, wenn er sie dringend bat, ihre besondere Berufung, "ein anderer Christus, Christus selbst“ zu sein, besonders in all dem zu leben, was sich auf die Eucharistie bezieht.

Jahre später, nun selbst ein junger Priester, war ich mit dem jährlichen „Seminar für Priesteramtskandidaten“ befasst, welches in der Osterzeit stattfand. Im Laufe der Jahre kamen Hunderte von Seminaristen aus den Vereinigten Staaten zu einem Bildungszentrum in der Nähe von Boston, um brüderlich zusammenzuleben, Vorträge über besondere Dokumente des Lehramts zu hören und vor allem die Liturgie - die Messe, den Segen und das Stundengebet - zusammen zu begehen. Wieviele begeisterte Kommentare habe ich von ihnen gehört über die Schönheit und Sauberkeit der Kapelle, die Würde der Gewänder und der liturgischen Gefäße und die liebevolle Vorbereitung der Messe, die die Frauen des Opus Dei besorgen. Wenn der Priester die Messe feierte, sah man – so kommentierten sie -, dass die Verehrung der Eucharistie der Mittelpunkt war. Mehr als einer erzählte, dass jene kurzen Wochen seine Berufung gerettet hatten. Ich kenne einige Dutzend dieser neugeweihten Priester, die über die Vereinigten Staaten verteilt sind. Einige sind kirchliche Beamte, andere Universitätsprofessoren oder -kapläne, die meisten jedoch sind einfache Pfarrer und haben eine eigene Pfarrei. Dort leisten sie ihren Beitrag zur Wiederbelebung der liturgischen Frömmigkeit, der Schönheit in Kirchenbau und Architektur und der eucharistischen Anbetung. Viele gehören mittlerweile zur Priesterlichen Gesellschaft vom Heiligen Kreuz. Was eigentlich alle vom priesterlichen Beispiel und den Lehren des heiligen Josefmaria gelernt haben, ist die Kunst, dass Jesus sich in den Tabernakeln und auf den Altären ihrer Pfarrkirchen - in „Bethanien“, wie er sagte - zu Hause fühlt.

Zur Zeit arbeite ich bei einer Einrichtung im Geschäftsviertel von Washington D.C., die sich „Katholisches Informationszentrum“ nennt. Sie liegt zwei Blöcke vom Weißen Haus entfernt. Das Zentrum verfügt über eine erstklassige katholische Buchhandlung, Versammlungsräume, Unterrichtsräume und geeignete Zimmer für eine geistliche Begleitung sowie Beichtstühle, die oft genutzt werden. Jeden Tag kommen Menschen aller Rassen und aller Berufsgruppen, angefangen bei Senatoren der Vereinigten Staaten, Kandidaten für das Präsidentenamt und bekannten Persönlichkeiten des Fernsehens, aber auch viele andere. Nach der heiligen Messe wird das Allerheiligste für drei Stunden zur Anbetung ausgesetzt. Viele machen nur für einige Minuten Halt, um anzubeten, dankzusagen, um Verzeihung zu bitten oder ihre Sorgen abzuladen. Die Kapelle ist die einzige in Nordamerika, die dem heiligen Josefmaria geweiht ist. Seine Statue schaut mit einem Lächeln auf die Menschen hinab, die jeden Tag del bel mezzo della strada – direkt von der Straße aus – zur Messe und zur Anbetung Christi kommen, den er jetzt von Angesicht zu Angesicht sieht. Seine Verkündigung hat ihnen geholfen, ihre tägliche Arbeit mit dem Opfer der Messe zu verbinden: „Ihr alle, meine Söhne und Töchter, so schrieb er einmal, „habt eine priesterliche Seele, die im sakramentalen Charakter der Taufe und der Firmung wurzelt. Diese priesterliche Seele wird nicht nur aktiv, wenn ihr am eucharistischen Opfer, der Wurzel und Mitte unseres inneren Lebens, teilnehmt, sondern bei allen Tätigkeiten eures Lebens. Mit vollkommen laikaler Mentalität übt ihr dieses geistige Priestertum aus, indem ihr Gott die Arbeit und die Erholung, die Freuden und die Widrigkeiten jeden Tages aufopfert, das Brandopfer eures erschöpften Leibes und die Anstrengung eures ausdauernden Dienstes. All dies ist ’ein lebendiges und heiliges Opfer, das Gott gefällt – euer geistlicher Dienst’ (Röm 12, 1)“ (Brief 06.05.1945, Nr. 27).

Vortrag beim Kongress „Die Größe des Alltags“, der anläßlich des 100. Geburtstag des heiligen Josefmaria in Rom vom 7. bis 12. Januar 2002 stattfand