Ein Flüchtling auf der Suche nach Unterschlupf

Über die Hintertreppe stiegen die drei Gäste zu den Dachkammern hoch und verschwanden in der erstbesten, die geöffnet war. Es war ein kleiner Raum, der als Dachboden und Kohlenlager diente. Das Dach war so niedrig, dass sie sich bücken mussten. Da es um die Mittagszeit war, heizte die Sonne den kleinen Raum so sehr auf, dass sie zu ersticken drohten.

Am nächsten Tag begab sich Josemaría, wie mit seiner Mutter vereinbart, in das Haus von Manolo Sainz de los Terreros in der Sagasta-Straße 31. Gegen Mittag gelang es Josemaría, vom Hausportier unbemerkt, die Wohnung zu betreten. Am selben Tag tauchte dort auch Juan Jiménez Vargas auf. Manolo, dessen Familie in Urlaub gefahren war, wohnte dort allein mit Martina, einem betagten, fast tauben und behäbigen Dienstmädchen. Die beiden Gäste tauchten dort unter. Keiner durfte von ihrer Anwesenheit erfahren, nicht die Nachbarn und noch weniger der Pförtner, der gegenüber dem für die Wohnblocks verantwortlichen politischen Ausschuss für das Kommen und Gehen der Bewohner verantwortlich war. Sie mussten sich also immer vorsichtig bewegen, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Manolo oder Martina kauften ein und versuchten dabei gegenüber Dritten den Eindruck zu erwecken, dass ihre Besorgungen nur für zwei Personen waren. Später teilten sie sich das Essen dann zu viert. Manolo, ein Mann von entschlossenem und impulsivem Charakter, ließ sich nicht leicht einschüchtern; dennoch stand das Haus seit Juli, als man seinen Bruder abgeholt und eingesperrt hatte, unter Verdacht. Madrid wurde jetzt systematisch durchkämmt. Zwei Tage nach Escrivás Ankunft tauchten die Milizen in einer anderen Wohnung des Gebäudes auf, wo kurz zuvor der Graf Leyva verhaftet worden war.

In der Wohnung der Sagasta-Straße führte Escrivá, nur in Gesellschaft von Jiménez Vargas, ein isoliertes Leben. Manolo Sainz legte Wert auf absolute Vertraulichkeit und erlaubte seinen Gästen nicht, Besuch zu empfangen. Eines Tages durchbrach er seine strenge Regelung und stellte Escrivá zwei Flüchtlinge vor, die eine Etage tiefer wohnten. Er verschwieg ihnen die Identität des Priesters, doch die Natürlichkeit, mit der Escrivá auf religiöse Themen zu sprechen kam, war eindeutig genug, um zu erreichen, was er wollte: ihnen seine priesterliche Hilfe anzubieten. Einer der Flüchtlinge war Pedro María Rivas, damals Rechtsanwalt in Madrid, der später einem Orden beitrat. Er bezeugt, dass »man inmitten der Kriegswirren Escrivás große Geduld und seinen inneren Frieden spüren konnte«.

Die Besucher fühlten sich bei Josemaría sehr wohl und suchten oft das Gespräch mit ihm. Sie kamen dafür in die Wohnung von Manolo und wussten, wie sie sich im Notfall zu verhalten hatten. Klingelte es an der Tür, zogen sich die Flüchtlinge in Richtung Hintertreppe zurück, während Martina sich gemächlich aufmachte, die Tür zu öffnen. Sie bewegte sich dabei schwerfällig und nutzte ihre Taubheit aus, die Besucher aufzuhalten und niemanden hereinzulassen. Stellte der Besuch sich als gefährlich heraus, hob sie vereinbarungsgemäß ihre Stimme in einer Weise an, dass die Besucher sich genötigt sahen, sich zu erkennen zu geben, währenddessen die Flüchtlinge Zeit hatten, über die Hintertreppe den Dachboden zu erreichen.

Am 28. August brachte Manolo seinen Vetter Juan Manuel mit. Zwei Tage später, einem Sonntag, wurde er von den Vorsichtsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt. Ohne zu ahnen, als wie nützlich sich das erweisen sollte, machten sie eine Art Generalprobe für den Ernstfall. Nur wenige Stunden später – Manolo war außer Haus und Martina dabei, das Essen vorzubereiten – hörten sie laute Stimmen im Treppenhaus. Minuten später läutete es an der Tür. Die Flüchtlinge – Escrivá, Juan und Juan Manuel – zogen sich behutsam in Richtung Hintertreppe zurück, während Martina sich seelenruhig auf die Tür zubewegte. Die Milizsoldaten wollten die Wohnung durchsuchen und versuchten einzudringen, während Martina perfekt ihre Rolle spielte und sie aufhielt: »Hier ist keiner! Ich bin taub. Ich kann euch nicht verstehen!«

Die Dachkammer, wo der hl. Josefmaria sich im August 1936 mehrere Stunden versteckt hielt

Über die Hintertreppe stiegen die drei Gäste zu den Dachkammern hoch und verschwanden in der erstbesten, die geöffnet war. Es war ein kleiner Raum, der als Dachboden und Kohlenlager diente. Das Dach war so niedrig, dass sie sich bücken mussten. Da es um die Mittagszeit war, heizte die Sonne den kleinen Raum so sehr auf, dass sie zu ersticken drohten. Regungslos saßen sie abwartend in Staub, Ruß und Spinnweben. Das kleinste Geräusch hätte sie verraten und so gut wie sicher ihre Gefangennahme und Erschießung bedeutet. Als sie bereits mehrere Stunden so ausgeharrt hatten, hörten sie, wie die Milizsoldaten bereits bis unmittelbar unter den Dachboden vorgedrungen waren. Escrivá war sich nicht im klaren, ob Juan Manuel, der gerade zwei Tage bei ihnen wohnte, bereits erfahren hatte, dass er Priester war. So sagte er ihm klipp und klar: »Ich bin Priester!« Und zu beiden gewandt: »Wir sind in Lebensgefahr. Wenn ihr wollt, bereut eure Sünden, und ich erteile euch die Lossprechung! «

So geschah es. In Juan Manuels Erinnerungen an damals hebt sich dieser Augenblick besonders ab: »Ich habe die Begegnung mit Don Josemaría nie vergessen. Wir waren davon überzeugt, dass unsere Stunde geschlagen hatte (…). Es war sehr tapfer von ihm, sich als Priester zu erkennen zu geben: wären die Milizen bis zu uns vorgedrungen, hätte ich ihn verraten können, um vielleicht mein eigenes Leben zu retten. «

Nachdem Juan Jiménez Vargas die Absolution empfangen hatte, fragte er den Vater: »Und wenn sie uns schnappen?« »Nun, dann kommen wir direkt in den Himmel, mein Sohn!«

Hier fügt Juan in seinen Erinnerungen eine wichtige Bemerkung über die Art seines Unbehagens in dieser Situation ein. Es sei nicht, erläutert er, die Angst gewesen, erschossen zu werden, sondern lediglich ein ungewisses Gefühl, das ihm aber nicht den Frieden raubte. »Ich fühlte mich in der Gegenwart des Vaters sicher. Gegen drei Uhr, gewissermaßen als Beitrag zur Beruhigung der Anwesenden, schlief ich für eine Weile ein.« Während Juan fest schlief, setzten die Milizen die Hausdurchsuchung fort: von unten nach oben und von oben nach unten, so dass ihnen am Ende die Zeit fehlte, auch die letzten Dachkammern noch zu durchsuchen. Gegen neun Uhr abends wurde es still. Vorsichtig stiegen die drei die Treppe hinunter und klopften am Hintereingang der Wohnung in der vierten Etage, linker Hand, wo die Familie des Grafen Leyva wohnte. Die Tür öffnete sich. In Schweiß gebadet, durstig, voller Staub und rußverschmutzt baten sie um ein Glas Wasser und erfuhren, dass Manolo während der Durchsuchung zurückgekehrt war, die Milizsoldaten ihn verhaftet und die Wohnungstür verschlossen hatten.

Um ihnen ihre verschwitzten Hemden waschen zu können, gab man ihnen Hemden des Grafen, der, wie erwähnt, im Gefängnis saß. Man bot ihnen großzügig an, sich in der Wohnung aufzuhalten, war doch anzunehmen, dass für einige Zeit keine Durchsuchungen mehr stattfinden würden. Aber sie irrten sich. Am nächsten Morgen um acht kam der Trupp Milizsoldaten wieder und setzte das minutiöse Durchwühlen dort fort, wo sie am Tag zuvor aufgehört hatten. Sie drangen in die benachbarte Wohnung der vierten Etage, rechter Hand, und in die der darunter liegenden Etage ein. Mercedes, die Tochter des Grafen, erzählt, dass sie »bisweilen schrecklich viel Angst hatten. Der Vater indes behielt immer die gute Laune, scherzte und brachte uns zum Lachen; dabei dachte er sehr oft an seine Familie. In dieser heiklen Situation schlug die Gräfin vor, den Rosenkranz zu beten. Darauf Escrivá sofort: »Ich bin Priester und werde vorbeten.« Da sich die Durchsuchungen in diesem Viertel häuften, sahen sie sich schließlich gezwungen, sich nach einem anderen Zufluchtsort umzusehen.

Aus dem Buch von A. Vázquez de Prada: Der Gründer des Opus Dei; Bd. 2; 9. Kapitel, 2