Betrachtungstext: 31. Woche im Jahreskreis – Dienstag

Eine Gratis-Einladung – Glück ist nicht individualistisch – Gott möchte, dass alle gerettet werden

WÄHREND DES Gastmahls im Haus eines führenden Pharisäers erzählte Jesus auch das Gleichnis vom Festmahl: Ein Mann veranstaltete ein großes Festmahl und lud viele dazu ein. Zur Stunde des Festmahls schickte er seinen Diener aus und ließ denen, die er eingeladen hatte, sagen: Kommt, alles ist bereit! (Lk 14,16-17). Der Herr nutzt diese Geschichte, um das Reich Gottes zu veranschaulichen. Und eines seiner markantesten Merkmale ist die Kostenlosigkeit. Der Gastgeber erwartete für die Teilnahme am Festmahl keine Gegenleistung. Alles war schon bereit, es fehlte nur noch der freudige Genuss des Abends. Papst Franziskus erklärt in diesem Sinn: „Das ist das christliche Leben, eine Liebesgeschichte mit Gott, in der der Herr unentgeltlich die Initiative ergreift, ohne dass sich jemand einer exklusiven Einladung rühmen kann: Niemand wird gegenüber den anderen bevorzugt, und dennoch ist vor Gott jeder Einzelne bevorzugt. Aus dieser unentgeltlichen, zärtlichen und privilegierten Liebe erwächst das christliche Leben immer wieder neu.“1

Diese Unentgeltlichkeit gibt es auch in den familiären Beziehungen. Ein Kind muss sich nicht die Liebe seiner Eltern verdienen, und es wäre sinnlos, würde es versuchen, die Schuld für die von ihnen erhaltene Fürsorge zu begleichen. Es wird von seinen Eltern geliebt, so wie es ist, und sie werden ihm ihre Liebe immer schenken, selbst wenn sie nicht immer erwidert wird. Ähnlich verhält es sich in unserer Beziehung zu Gott. Gott ist es, der nach uns sucht. Er begnügt sich nicht mit einer Art gerechter Beziehung, in der beide Seiten strikt ihre Pflichten erfüllen. Er möchte mit uns eine echte Lebensgemeinschaft eingehen, die auf bedingungsloser Liebe beruht. Deshalb bleibt seine Einladung, am Festmahl des Reiches Gottes teilzunehmen, immer offen, selbst wenn wir sie zuvor abgelehnt haben sollten. Der Heilige Vater übersetzt dies für uns so: „Zu dir, zu mir, zu jedem von uns sagt der Herr: ,Ich liebe dich und ich werde dich immer lieben, du bist in meinen Augen kostbar.‘“2 Zweifellos profitieren wir, wie der Prälat des Opus Dei betont, am meisten, wenn wir uns entscheiden, die Einladung anzunehmen: „Nicht wir tun ihm einen Gefallen, sondern Gott erleuchtet unser Leben und schenkt ihm seinen vollen Sinn.“3


OBWOHL die Einladung zum Bankett kostenlos war, fanden viele der Geladenen eine Entschuldigung, um fernzubleiben. Einige erklärten: Ich habe einen Acker gekauft und muss dringend gehen und ihn besichtigen.Andere gaben an: Ich habe fünf Ochsengespanne gekauft und bin auf dem Weg, um sie zu prüfen. Ein weiterer Gast sagte: Ich habe geheiratet und kann deshalb nicht kommen (Lk 14,18-20). Es hat nicht den Anschein, dass diese Menschen jenes Abendessen geringschätzten. Sie waren einfach der Meinung, dass ihre persönlichen Angelegenheiten mehr Aufmerksamkeit verdienten und ihr Fernbleiben rechtfertigten. Wie Papst Franziskus erklärte: „So entfernt man sich von der Liebe, nicht aus Bosheit, sondern weil man das Seine vorzieht: die Sicherheiten, die Selbstbestätigung, die Bequemlichkeiten … Dann kann man es sich auf den Sesseln der Gewinne, der Genüsse, eines Hobbys, das uns etwas fröhlich sein lässt, bequem machen, aber auf diese Weise altert man früh und schlecht, weil man im Inneren altert: Wenn das Herz sich nicht weitet, verschließt es sich und wird alt.“4

Die Logik des Reiches Gottes ist anders als die Logik der Welt. Nicht indem wir uns in unsere eigenen Sicherheiten flüchten, finden wir unser Glück, sondern indem wir Raum für andere schaffen, für Menschen, die uns einladen, mit ihnen beisammen zu sein. Die schönsten Momente unseres Lebens waren wahrscheinlich jene, die wir mit anderen teilten. Einige waren sicherlich voller Freude und Aufregung, andere waren unauffällig oder sogar herausfordernd. Dennoch erinnern wir uns gerne daran, weil uns bewusst ist, dass wir damals nicht allein waren, sondern jemand an unserer Seite stand. Während der Individualismus uns glauben lässt, der Schlüssel zum Glück bestehe darin, persönliche Sicherheiten zu gewinnen und unseren Lebensraum zu schützen, sei es durch Materielles oder auch nicht – Freizeit, Geld, die Jagd nach aufregenden Erfahrungen –, ermutigt uns Jesus, offen für die Einladungen von Menschen zu sein, die unsere Wege kreuzen. Der heilige Josefmaria drückte es treffend aus: „Um das Glück zu finden, bedarf es nicht eines bequemen Lebens, sondern eines verliebten Herzens!“5


DA VIELE der ursprünglich eingeladenen Gäste dem Hausherrn eine Absage erteilten, beschloss dieser, seine Einladung auszuweiten, und befahl seinem Diener: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und hol die Armen und die Verkrüppelten, die Blinden und die Lahmen hierher! Und da immer noch Platz war, wandte er sich wieder an seinen Diener: Geh zu den Wegen und Zäunen und nötige die Leute hereinzukommen, damit mein Haus voll wird (Lk 14,21-23).

Ein weiteres unverkennbares Merkmal des Reiches Gottes ist seine Universalität: Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Griechen. Denn alle haben denselben Herrn; aus seinem Reichtum beschenkt er alle, die ihn anrufen (Röm 10,12-13). „Gott will, dass alle gerettet werden“, kommentierte der Gründer des Opus Dei. „Das ist eine Einladung und eine Verantwortung, die auf uns allen lastet. Die Kirche ist kein Hort für einige Privilegierte.“6

Die Botschaft Jesu war nicht für einige wenige bestimmt. Dies zeigt sich darin, dass die Apostel nicht nur die benachbarten Völker Israels erreichten, sondern in die gesamte bekannte Welt hinausgingen, um das Evangelium zu verkünden. „Ist vielleicht die Kirche nur ein geringfügiger Teil der Erde?“, fragte sich der heilige Augustinus. „Die große Kirche ist die ganze Welt. (...) Wo immer du dich auch hinwendest, da ist Christus. Du erhältst als Erbe die Grenzen der Erde; komm, besitze sie alle mit mir!“7 Überall, wo wir uns befinden, können auch wir die Einladung des Herrn zu seinem Festmahl an unsere Mitmenschen weitergeben. Wir bitten Maria, uns ein Herz zu schenken, das dem ihres Sohnes ähnelt und das sich danach sehnt, die Rettung aller Seelen zu erreichen.


1 Franziskus, Predigt, 15.10.2017.

2 Franziskus, Predigt, 24.12.2019.

3 Msgr. Fernando Ocáriz, Licht zur Erkenntnis, Kraft zur Liebe, ABC, 18.9.2018.

4 Franziskus, Predigt, 15.10.2017.

5 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 795.

6 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 263.

7 Hl. Augustinus, Psalmenkommentar, 21, 2, 26 und 21, 2, 30.