«Die Schönheit des Glaubens liegt darin, sich Gott zu überlassen»

Fernando Ocariz, Prälat des Opus Dei, feierte die Heilige Messe zum ersten Jahrestag des Todes von Bischof Javier Echevarría, seinem Vorgänger an der Spitze des Opus Dei. Wir bringen die Homilie und eine Fotogalerie.

Gläubige während der Hl. Messe am ersten Jahrestag des Hinscheidens von Bischof Javier Echevarria.

Seelenmesse am ersten Jahrestag des Todes von Prälat Bischof Javier Echevarría

Basilika San Eugenio, 12. Dezember 2017

[Lesungen: Weish 3,1-9; Ps 129; Röm 14, 7-9.10c-12; Joh 11,21-27]

Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand (vgl. Weish 3,1). Dieser Passus der Schrift, der heute die Liturgie des Wortes einleitet, lässt uns in dankbarer Erinnerung an Bischof Javier Echevarría denken. Sein Leben war von dieser festen Überzeugung bestimmt, und er hat sie oft zum Ausdruck gebracht. Wenige Tage vor seinem Todwies ihn der Arzt, der ihn viele Jahre behandelt hatte, darauf hin: „Wie Sie uns, Vater, so oft gesagt haben, sind wir in Gottes Händen“.

Fotogalerie

„Wer an mich glaubt, wird leben“, sagt Jesus zu Marta. „Jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“. Und er fügte hinzu: „Glaubst du das?“ (Joh 11, 25-27). Heute richtet der Herr diese Frage – wie viele andere im Evangelium – an einen jeden von uns. „Glaubst du das?“ Glaubst du, dass Gott nicht nur am Ende deines Lebens, sondern in jedem Augenblick, auch jetzt, an dich denkt und dass er will, dass du bei ihm bist? Glaubst du, dass du ständig in Gottes Händen lebst, selbst dann, wenn du den Eindruck hast, er habe auf dich vergessen?

Mir kommt eine Anekdote in den Sinn, die vor einigen Monaten ein Arzt erzählte, bei dem man eine schwere Krankheit diagnostiziert hatte. Einige Tage danach begegnete er im Spital einem Kollegen, der ihn mit der Aufrichtigkeit, die unter Freunde üblich ist, ansprach: „Sag mir: Was hat es dir gebracht, dass du so viel gebetet hast?“ Und er erhielt die Antwort: „Siehst du, das Gebet hat mir geholfen, dass ich jetzt in diesen Augenblicken mitsamt meiner Familie glücklich und in Frieden bin. Wir vertrauen ganz auf Gott und nehmen seinen Willen an“. Der Freund, der nicht gläubig war, drehte sich um, den Tränen nahe, und verabschiedete sich mit den Worten: „Wie gut ist es, an Gott zu glauben!“

Ja, wie gut ist es, an Gott zu glauben..., besonders weil die Schönheit des Glaubens nicht in billigem Trost besteht, den man daraus gewinnt, dass man hin und wieder schöne Gedanken liest oder hört, die aber verschwinden, sobald man sich wieder der rauen Wirklichkeit des Alltags mit ihren Sorgen und Unvorhersehbarem zuwendet. Die Schönheit des Glaubens liegt darin, sich Gott zu überlassen und zu verstehen, dass wir in seinen Händen sind. Diese innere Haltung muss in aller Gelassenheit in uns Tag für Tag wachsen. Und sie wird wachsen vor allem im Rhythmus unseres Gebetes, wenn wir jeden Tag einige Minuten dem persönlichen Gebet widmen, dem Dialog mit Gott. Auch wenn uns vorkommt, dass wir für Gott keine Zeit haben; auch wenn wir denken, dass wir nicht wissen, was wir ihm erzählen sollen. Auf diese Weise lassen wir uns nach und nach vom Herrn erobern, lernen wir, uns seinen Händen zu überantworten. Und dann können wir ihm so vieles anvertrauen, sogar mitten im Straßenverkehr, bei der intensiven Arbeit, im Familienleben und bei der Erholung.

„Alle, die auf ihn vertrauen, werden die Wahrheit erkennen, und die Treuen werden bei ihm bleiben in Liebe“ (Weish 3, 9). Der Abschnitt des Buches der Weisheit, den wir vernommen haben, spricht von den Gerechten, die diese Welt verlassen haben; aber er tut es rückschauend, indem er ihr Leben überblickt. Deshalb spricht er auch von uns, von dem Weg, auf dem wir uns befinden. Auch jene anderen Worte haben viel mit uns zu tun: „Gott hat sie geprüft und fand sie seiner würdig. Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt und sie angenommen als vollgültiges Opfer“ (Weish 3, 5-6).

Halten wir ein wenig inne bei diesem schönen Bild. Der Schmelzofen, also der untere Teil des Ofens, in dem das kostbare Metall von den Schlacken befreit und so reinerwird. Die Reinigung durch das Feuer ist Sinnbild für einen Weg, der durch zwei Wirklichkeiten gekennzeichnet ist: das Leid und die Liebe. Leid, das Gott in unserem Leben in so verschiedenen Formen zulässt; Leid, das wir manchmal durch unsere Sünden und unsere Unzulänglichkeiten verursachen; Leid, das dazu dienen kann, in uns die Liebe zu wecken, um das Gold zu reinigen, das Gott in unser Herz gelegt hat; um unsere Liebe zu reinigen von den Schlacken des Egoismus, des Hochmuts; von den Schlacken, die wir manchmal gar nicht bemerken, die aber unsere Freude vermindern, weil sie Hindernisse aufrichten zwischen uns und Gott, zwischen uns und den anderen. Und wie verwandelt Gott das Leid in Liebe? Durch den ständigen Dialog, den er mit uns führen möchte, wenn wir nur bereit sind, uns ihm gegenüber zu öffnen.

In einem seiner letzte Pastoralbriefe hat Bischof Javier geschrieben: „Den inneren Frieden hat weder der, der meint, dass er alles gut erfüllt noch der, der sich nicht um die Liebe bemüht. Innerer Friede ist dort, wo das Geschöpf, auch wenn es fällt, in die Hände Gottes zurückkehrt”[1]. Bitten wir also den Herrn, dass wir ihm gestatten, unser Herz zu reinigen – voll Vertrauen, auch wenn wir manchmal seine Wege nicht verstehen (vgl. Jes 55,8). Bitten wir ihn jetzt darum, in diesen Tagen der Vorbereitung auf Weihnachten. Wir wollen heute, am Festtag Unserer Lieben Frau von Guadalupe, diesen Wunsch Maria anvertrauen, die auch uns zur Seite steht, wie sie Juan Diego versichert hat und wie sie Bischof Javier verstehen ließ, besonders am letzten Tag seines Lebens auf Erden: „Bin ich nicht bei dir? Bin ich nicht deine Mutter?“[2].


[1] Javier Echevarría, Pastoralbrief, November 2016..

[2] Nican Mopohua, 119.