Betrachtungstext: 25. April – heiliger Markus, Evangelist

Ein detailreiches Evangelium – Markus, Freund des Paulus – Die Sicherheit des Ufers verlassen

DER HEILIGE Markus war ein enger Mitarbeiter des heiligen Petrus in Rom. So groß war die Hilfe, die er leistete, dass der Apostel ihn in einem seiner Briefe als seinen eigenen Sohn präsentiert (vgl. 1 Petr 5,13). Markus hatte Petrus bei seiner Predigttätigkeit begleitet und „verfasste sein Evangelium“, wie der heilige Hieronymus schreibt, „auf Bitten der Brüder, die in Rom lebten, auf der Grundlage dessen, was er Petrus hatte predigen hören. Petrus selbst bestätigte es mit seiner Vollmacht, nachdem er es sich angehört hatte, damit es in der Kirche gelesen würde.“1

Im Markus-Evangelium finden wir keine der großen Reden Jesu. Dafür zeichnet es sich durch lebendige Schilderungen von Momenten des Zusammenlebens Jesu mit seinen Jüngern aus. Markus fängt die Atmosphäre von Orten ein, beschreibt die Gesten des Herrn, berichtet von den spontanen Reaktionen der Apostel ... Kurzum, er lässt uns den Zauber der Person Jesu Christi entdecken, die die Zwölf und die ersten Christen so sehr anzog.

In seinen ersten Jahren als Priester verschenkte der heilige Josefmaria gerne Ausgaben des Evangeliums. Und er erklärte, dass es notwendig sei, wie der heilige Markus das Leben Jesu „ganz im Kopf und im Herzen zu tragen, damit wir es in jedem Augenblick ohne Hilfe eines Buches mit geschlossenen Augen vor unserem inneren Blick wie einen Film vorbeiziehen lassen können“2. Der Detailreichtum, mit dem das älteste Evangelium geschrieben ist, macht es uns leicht, uns in den irdischen Lebenswandel Jesu hineinzuversetzen. Wenn wir dazu noch unsere eigene Vorstellungskraft anwenden, können wir etliche Szenen seines Lebens nacherleben und so allmählich die gleichen Empfindungen wie Christus entwickeln (vgl. Phil 2,5).


DER HEILIGE Markus gehörte zu den ersten Christen in Jerusalem. Sein Cousin Barnabas lud ihn ein, mitzukommen, um das Evangelium bei den Heiden zu verbreiten. Die beiden begleiteten Paulus auf seine erste Missionsreise (vgl. Apg 13,5-13). Allerdings verlief nicht alles wie geplant: Markus macht in Zypern kehrt und fuhr nach Jerusalem zurück. Dies missfiel dem Paulus so sehr, dass er keinesfalls wollte, dass Markus sie nochmals begleitete, als er mit Barnabas eine weitere Missionsreise plante. Daraufhin gingen auch Paulus und Barnabas getrennte Wege.

Jahre später kam es zu einer neuerlichen Begegnung zwischen Markus und Paulus. Markus, der nun schon in Rom lebte, unterstützte den Völkerapostel bei der Verkündigung des Evangeliums. Und dies erfüllte Paulus mit einem solchen Trost, dass er ihn nach seiner Abreise bei sich haben wollte und an Timotheus schrieb: Nimm Markus und bring ihn mit; denn er ist für mich nützlich zum Dienst (2 Tim 4,11). Die Probleme auf Zypern sind vergessen. Paulus und Markus sind Freunde und arbeiten gemeinsam an dem, was ihnen am meisten am Herzen liegt: an der Verbreitung des Evangeliums Christi.

Es ist Teil des Lebens, dass wir wie Paulus und Markus im Alltagsgetriebe mit unseren Mitmenschen in Konflikt geraten können, sogar mit jenen, die unsere Gefährten sind in der Aufgabe, Christus zu den Menschen zu bringen. Zu diesen Konflikten kann es durch unterschiedliche Vorstellungen und Herangehensweisen an ein bestimmtes Thema kommen, durch unterschiedliche Charaktere und so weiter. Im Zustand der Müdigkeit können wir solche Differenzen noch verstärkt erleben. Entscheidend sind jedoch nicht die Unterschiede, die es immer geben wird, sondern die Fähigkeit, die Vielfalt als Reichtum zu erkennen. So können wir wie Paulus unsere Mitmenschen wertschätzen, weil wir wissen, dass das, was uns eint, größer ist als das, was uns trennt. Wie der heilige Josefmaria sagte: „Ihr sollt euch ständig in einer Brüderlichkeit üben, die sich jenseits jeder natürlichen Sympathie oder Antipathie befindet, indem ihr einander als wahre Brüder und Schwestern liebt, mit einem Umgang und einem Verständnis, die man bei jenen Menschen findet, die eine eng vereinte Familie bilden.“3


DER HEILIGE Markus beendet seinen Bericht mit der Aufforderung Jesu an die Apostel, sein Wort zu verbreiten: Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!(Mk 16,15). Der Evangelist hat diesen Auftrag nicht nur niedergeschrieben, sondern auch selbst umgesetzt. Markus mag sich auf seiner ersten Reise mit Paulus und Barnabas nicht durch Kühnheit ausgezeichnet haben, er ließ sich durch sein Versagen jedoch nicht für immer entmutigen. Vielmehr wagte er sich später an andere Abenteuer heran und ließ seine Heimat hinter sich.

Ein Grundgesetz des Lebens darlegend, sagte Papst Franziskus: „Das Leben wird reicher, wenn man es hingibt; es verkümmert, wenn man sich isoliert und es sich bequem macht. In der Tat, die größte Freude am Leben erfahren jene, die sich nicht um jeden Preis absichern, sondern sich vielmehr leidenschaftlich dazu gesandt wissen, anderen Leben zu geben.“4 Der heilige Markus machte genau diese Erfahrung. Zunächst war ihm schwindelig zumute, als er die Ruhe und die ihm vertraute Umgebung verließ; doch dann wusste er auf die Sicherheit des Ufers zu verzichten, um der ganzen Welt die Freude am Leben mit Jesus weiterzugeben. Darüber hinaus half er mit seinem Evangelium auch noch späteren Generationen von Christen, die Gestalt des Herrn detailreich kennenzulernen.

Eine ähnliche Erfahrung machte Maria in ihrem Leben. Auch sie verspürte anfänglich Angst, als der Engel Gabriel ihr Haus betrat und sich mit einem geheimnisvollen Gruß an sie wandte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir (Lk 1,28). Diese Begegnung veranlasste sie, auf die Sicherheit ihres Heims in Nazaret zu verzichten, um Elisabeth zu besuchen und später in Bethlehem ihren Sohn zur Welt zu bringen. Jahre später wird sie ihre Heimat erneut verlassen, um Jesus bei seinen Predigten aus nächster Nähe zu begleiten. Und obwohl es ihr anfangs schwer gefallen sein mag, ihr Haus zurückzulassen, spürte sie wie der heilige Markus die Freude, Jesus nahe zu sein und sein Evangelium allen Menschen zu verkünden.


1 Hl. Hieronymus, De Script. eccl.

2 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 107.

3 Hl. Josefmaria, Brief 30, Nr. 28.

4 V. Generalversammlung der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik, Dokument von Aparecida (29. Juni 2007), 360. Zitiert von Franziskus in Evangelii Gaudium, Nr. 10.