Betrachtungstext: 14. Woche im Jahreskreis – Donnerstag

Eine freie Gabe – Die Logik der Freundschaft – Durst, um die ganze Welt zu erreichen

ZU DEN Erfahrungen, die das Leben der Apostel prägte, gehört die großzügige Hingabe Jesu an jeden Menschen, ohne etwas im Gegenzug zu verlangen. Darin sollten sie ihn nachahmen: Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben (Mt 10,8). Die Apostel schätzten sich glücklich, so viel Zeit mit Jesus verbracht zu haben und seinem Ruf gefolgt zu sein, das Evangelium in die Welt hinauszutragen. Und sie wussten: Es war weder etwas, das sie verdient, noch etwas, das sie sich hart erarbeitet hatten: Es war einfach ein freies Geschenk, das Gott ihnen gemacht hatte.

Die ersten Christen lebten ebenfalls nach diesem Prinzip der Unentgeltlichkeit. Sie waren ein Herz und eine Seele (Apg 4,32), was sie dazu führte, füreinander da zu sein. Sie zögerten auch nicht, ihre eigenen Besitztümer zur Verfügung zu stellen, um für die Bedürfnisse der Kirche und der Armen zu sorgen. Jeder war bereit, dort zu helfen, wo Unterstützung nötig war, denn sie alle waren nun Apostel. Sie halfen mit ihrem eigenen Leben, indem sie Gastfreundschaft gewährten, materielle Hilfe leisteten oder sich in den Dienst derer stellten, die diese erste Evangelisierung organisierten, wie zum Beispiel die Reisegefährten des Paulus.

Dieses Bild zeigt sich auch in der heutigen Kirche. Sowohl Laien als auch Priester und Ordensleute erinnern uns durch ihr Zeugnis oder die Sakramente daran, dass Gott unter den Menschen anwesend ist. Kranke und alte Menschen vereinen im Namen aller ihre Beschwerden und Einschränkungen mit dem Leiden des Herrn. Männer und Frauen tragen mit ihrer Großzügigkeit zur Versorgung der Bedürftigsten bei. Väter und Mütter machen ihr Zuhause zu einer Schule der Liebe, ähnlich der heiligen Familie, zum Wohl der gesamten Gesellschaft. Jeder Einzelne versucht von seinem Platz aus, die Sendung zu leben, zu der Gott ihn berufen hat, und möchte das unverdiente Geschenk unentgeltlich weitergeben.


DIE LOGIK der Unentgeltlichkeit, die Christus gelebt hat, findet sich in jeder Freundschaftsbeziehung wieder. Wer Buch führt über das, was er für einen anderen getan hat, um eine Gegenleistung zu verlangen, kann kaum als wahrer Freund angesehen werden. Eine gute Freundschaft aufzubauen, erfordert vielmehr, wie Papst Franziskus sagte, „viel Zeit zum Reden, Beisammensein und Kennenlernen“1, ohne sich zu viele Gedanken darüber zu machen, was einer gibt oder bekommt. Wahre Freundschaft ist das genaue Gegenteil von Egoismus, sie hat immer das Wohl des anderen im Blick und achtet auf seine Bedürfnisse. „Ein fester Vorsatz für die Freundschaft“, notierte der heilige Josefmaria, „Ich will mich in meinem Denken, in meinen Worten und in meinen Handlungen gegenüber meinem Nächsten – wer auch immer es sein mag – nicht mehr wie bisher verhalten: Ich will nie mehr verpassen, die Liebe zu leben, und der Gleichgültigkeit in meinem Herzen keinen Raum mehr geben.“2

Es liegt in der Natur der Freundschaft, dem anderen das Beste zu geben, was wir zu bieten haben; ein wahrer Freund freut sich über diese Geste von Herzen. Jemand, der eine authentische Begegnung mit Christus hatte, weiß, dass das Wertvollste, das er besitzt, darin besteht, Jesus kennengelernt zu haben. Deshalb ist das Apostolat keine erzwungene Handlung, sondern spontaner Ausdruck der Zuneigung, die wir für den anderen empfinden. Wir werden dabei stets seine konkrete Situation im Blick haben. Wie der Prälat des Werkes treffend schrieb, ist die Freundschaft selbst Apostolat, denn sie ist „ein Dialog, in dem wir Licht geben und Licht empfangen; in dem Projekte entstehen, da wir uns gegenseitig Horizonte eröffnen; in dem wir uns gemeinsam über Gutes freuen und einander bei Schwierigkeiten unterstützen; in dem wir schöne Momente miteinander verbringen, denn letztendlich möchte Gott, dass wir glücklich sind.“3 Wir können uns fragen: Wie pflege ich meine Freundschaften? Sind sie Räume, in denen ich die Liebe Christi weitergebe und empfange? Ist meine Erfahrung mit Gott das Wertvollste, was ich mit den Menschen teilen kann, die mir am meisten bedeuten?


DIE APOSTEL gaben sich nicht damit zufrieden, das Evangelium in ihrer unmittelbaren Umgebung zu verkünden. Denn sie hatten von Jesus den Befehl erhalten, es in der ganzen Welt zu verbreiten. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sie dieses Bedürfnis bereits davor verspürt hatten. Eine Botschaft von solch entscheidender Bedeutung für das eigene Leben und ein Ereignis, das den Sinn des Lebens verändert, konnte nicht auf Israel und die nächstgelegenen Gebiete beschränkt bleiben.

Auf seinen Reisen erlebte der heilige Paulus, wie sein Herz entbrannte, als er den Durst nach Gott um sich herum spürte. Während er, wie Lukas erzählt, in Athen auf seine Gefährten wartete, wurde sein Geist von heftigem Zorn erfasst; denn er sah die Stadt voll von Götzenbildern (Apg 17,16). Zunächst begab er sich wie gewöhnlich in die Synagoge. Aber das genügte ihm nicht. Sobald er die Möglichkeit hatte, ging er auch auf den Markt und redete mit einzelnen, bis die Athener ihn baten, auf dem Areopag zu ihnen allen zu sprechen und ihnen die neue Lehre (Apg 17,19) darzulegen, die er verkündete.

Auch in unserer Umgebung begegnen wir zahlreichen Menschen, die nach einem unbekannten Gott dürsten. Wir alle sind mehr oder weniger verschleiert auf der Suche nach Gott, wir alle tragen die Sehnsucht nach unserem himmlischen Vater in uns. Durch das Zeugnis eines Lebens, das von der Freude des Evangeliums erfüllt ist, können wir Christus mittels der Erfüllung unserer Aufgaben zu erkennen geben.4 In diesem Sinne bezeichnete der heilige Josefmaria das Apostolat seiner Töchter und Söhne als „intravenöse Injektion in den Blutkreislauf der Gesellschaft“ 5: Ob in Fabriken, Laboren, Werkstätten, in unseren eigenen Häusern, in kleinen und großen Städten – an all diesen Orten können wir das Antlitz unseres Herrn durch aufrichtige Freundschaft zeigen. Maria wird uns helfen, den gleichen Wunsch wie die Apostel zu haben, nämlich das Evangelium weiterzugeben, beginnend bei unserer eigenen Umgebung.


1 Franziskus, Radiointerview, 15.9.2015.

2 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 748.

3 Msgr. Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 9.1.2018, Nr. 14.

4 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konst. Lumen gentium, Nr. 31.

5 Hl. Josefmaria, Instruktion, 19.3.1934, Nr. 42.