Thema 23. Buße und Krankensalbung

Die Buße ist ein spezifisches Sakrament der Heilung und Rettung. Die konkrete Form, in der die Diener Christi und der Kirche die Vollmacht der Sündenvergebung ausgeübt haben, hat sich beträchtlich verändert, auch wenn eine grundlegende Struktur beibehalten wird, die zwei gleichermaßen wesentliche Elemente einschließt: die Akte des Menschen, der sich dank des Wirkens des Heiligen Geistes bekehrt, und das Wirken Gottes durch den Dienst der Kirche.

Die Buße

„Das Sakrament der Versöhnung feiern bedeutet, in eine liebevolle Umarmung hineingenommen zu sein: Es ist die Umarmung der unendlichen Barmherzigkeit des Vaters. Erinnern wir uns an das schöne, schöne Gleichnis vom Sohn, der sein Zuhause verlassen hat mit dem Geld aus dem Erbe; er hat das ganze Geld verprasst, und dann, als er nichts mehr hatte, hat er beschlossen, nach Hause zurückzukehren – nicht als Sohn, sondern als Knecht. Er hatte so viel Schuld in seinem Herzen und so viel Scham. Die Überraschung war: Als er anfing zu sprechen, um Vergebung zu bitten, ließ der Vater ihn nicht zu Wort kommen, umarmte ihn, küsste ihn und feierte ein Fest. Ich aber sage euch: Jedes Mal, wenn wir beichten, umarmt Gott uns, feiert Gott ein Fest!“1

Die Gnade und das neue Leben in Christus, die wir durch die Sakramente der christlichen Initiation (das heißt, der Taufe, der Firmung und der Eucharistie) empfangen, machen die Gläubigen heilig und unbefleckt vor Gott (vgl. Eph 1,4). Der Empfang dieser Sakramente stellt jedoch die Harmonie und das innere Gleichgewicht nicht ganz wieder her. Die Folgen der Erbsünde bleiben: die Gebrechlichkeit und die Schwäche der menschlichen Natur und die Neigung zur Sünde.

Wiedergeboren durch die Taufe, erleuchtet durch das Wort Gottes und gestärkt durch die heilsame Macht der Firmung und der Eucharistie, besitzt der Mensch zweifellos die Mittel, um in der Liebe Gottes auszuharren und sich dem geistlichen Kampf zu stellen, der notwendig ist, um die Versuchungen des Bösen zu besiegen (vgl. 2 Petr 1,3-11). Dennoch ist der gläubige Christ weiterhin ein „Reisender“, ein Pilger auf Erden, der zur Heimat des Himmels unterwegs ist. Sein Verstand und sein Wille sind noch nicht fest ausgerichtet auf die Schönheit, Wahrheit und Liebe, die Gott ist. Folglich ist der Christ, solange er viator ist, gerufen, frei dorthin zu „wandern“, wo der Ursprung und das letzte Ziel des Lebens ist; unaufhörlich wird er wählen müssen zwischen Annahme oder Abweisung des väterlichen Willens Gottes, der sein Heil will, aber die Freiheit achtet, die er ihm geschenkt hat. Und er kann, wenn er eine schlechte Wahl trifft, aus der Liebe Gottes fallen und sündigen.

Gerade um die nach der Taufe begangenen Sünden zu vergeben, hat der Herr, der Arzt unserer Seelen und unserer Leiber, ein spezifisches Sakrament der Heilung und der Rettung eingesetzt: das Sakrament der Buße und der Versöhnung (vgl. Katechismus, 1446).

Der lebendigen Tradition der Kirche und den Aussagen des Lehramtes zufolge hat Jesus das Sakrament der Buße und der Versöhnung hauptsächlich eingesetzt, als er nach seiner Auferstehung seinen Aposteln den Geist einhauchte und ihnen seine eigene göttliche Macht, Sünden zu vergeben, übertrug: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22-23)2.

Diese Vollmacht wurde den Bischöfen als Nachfolgern der Apostel und Hirten der Kirche sowie den Priestern übertragen, die kraft des Sakraments der Weihe Mitarbeiter der Bischöfe sind: „Christus hat gewollt, dass seine Kirche als ganze in ihrem Gebet, ihrem Leben und Handeln Zeichen und Werkzeug der Vergebung und Versöhnung sei, die er uns um den Preis seines Blutes erworben hat. Er hat jedoch die Ausübung der Absolutionsgewalt dem apostolischen Amt anvertraut“ (Katechismus, 1442).

Die Struktur des Sakraments der Buße

Im Lauf der Geschichte hat sich die konkrete Form, in der die Diener Christi und der Kirche die Vollmacht der Sündenvergebung ausgeübt haben, beträchtlich gewandelt (vgl. Katechismus, 1447). „Trotz allen Veränderungen, welchen die Ordnung und die Feier dieses Sakramentes im Laufe der Jahrhunderte unterworfen waren, erkennt man die gleiche Grundstruktur. Sie enthält zwei Elemente, die gleichermaßen wesentlich sind: einerseits das Handeln des Menschen, der sich unter dem Walten des Heiligen Geistes bekehrt, nämlich Reue, Bekenntnis und Genugtuung; andererseits das Handeln Gottes durch den Dienst der Kirche. Die Kirche, die durch den Bischof und seine Priester im Namen Jesu Christi die Sündenvergebung schenkt und die Art und Weise der Genugtuung bestimmt, betet zudem für den Sünder und leistet mit ihm Buße. So wird der Sünder geheilt und wieder in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen“ (Katechismus, 1448).

Das erste wesentliche Element des Sakraments der Buße sind also die Akte des Pönitenten selbst: die Reue des Herzens, das Bekenntnis der Sünden und die Erfüllung des vom Beichtvater auferlegten Bußwerks3.

Das zweite Bauelement dieses Sakraments ist die Absolution durch den Priester, deren wesentlicher Teil lautet: „Ich spreche dich los von deinen Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“4. Es handelt sich um performative und wirksame Worte, denn sie geben an, was durch die Lossprechung wirklich geschieht: die Vergebung der Sünden und die Versöhnung mit dem lebendigen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. „Durch das Bußsakrament nimmt also der Vater den Sohn wieder an, der zu ihm zurückkehrt; Christus nimmt das verlorene Schaf auf seine Schultern und trägt es zur Herde zurück; der Heilige Geist heiligt von neuem seinen Tempel oder wohnt in größerer Fülle in ihm“5.

Es ist zu bedenken, dass zwischen den beiden Elementen (den Akten des Pönitenten und der Lossprechung durch den Priester) ein enger Zusammenhang besteht: das erste ist auf das zweite hingeordnet, und beide bilden zusammen eine moralische Einheit, die für das Zustandekommen des Sakraments notwendig gegeben sein muss. Mit anderen Worten: Das sakramentale Zeichen der Beichte besteht nicht nur in der Absolution des Priesters, denn diese kann nur erteilt werden, wenn der Pönitent vorher seine Sünden mit zerknirschtem Herzen bekannt hat.

Notwendige Voraussetzung einer richtigen und fruchtbaren Feier des Sakraments der Umkehr und der Versöhnung ist die Gewissenserforschung vor der Beichte. In der Tat kann niemand bereuen und sich der eigenen Sünden vor Gott anklagen, wenn er nicht, erleuchtet durch die göttliche Hilfe, vorher über seine Vergehen nachgedacht hat. Deshalb „ist es angemessen, sich durch eine Gewissenserforschung im Licht des Wortes Gottes auf den Empfang des Bußsakramentes vorzubereiten. Die passendsten Texte finden sich im Dekalog und in den sittlichen Weisungen der Evangelien und der Apostelbriefe: in der Bergpredigt und den Mahnungen der Apostel“ (Katechismus, 1454).

Unter den Akten des Pönitenten nimmt die Reue den ersten Platz ein; sie „ist der Seelenschmerz und der Abscheu über die begangene Sünde, verbunden mit dem Vorsatz, fortan nicht zu sündigen“ (Katechismus, 1451)6. Die „Zerknirschung des Herzens“ (vgl. Ps 51,19) impliziert einen klaren und festen Akt des Verstandes und des Willens des Menschen, der, von der göttlichen Hilfe und vom Glauben bewegt, die begangenen Sünden verabscheut, die ihn von Gott entfernt haben (theologische Dimension), von Christus (christologische Dimension), von der Kirche (kirchliche Dimension) und von den Menschen, seinen Brüdern. Abgesehen von diesem gewissermaßen „negativen“ Aspekt, das heißt der Abweisung oder Verabscheuung der Sünden, gibt es in der Reue auch einen positiven Aspekt: den Wunsch, zu Gott zurückzukehren in der Hoffnung, seine Vergebung zu erlangen und in seiner Liebe auszuharren (vgl. Jes 55,7-8; Ez 18,21-23; 33,10-11; Joël 2,12-13; Lk 5,11-32).

Die Reue kann „vollkommen“ oder „unvollkommen“ sein. „Wenn die Reue aus der Liebe zu Gott, der über alles geliebt wird, hervorgeht, wird sie „vollkommene“ oder „Liebes-reue“ (contritio) genannt. Eine solche Reue lässt die lässlichen Sünden nach; sie erlangt auch die Vergebung der Todsünden, wenn sie mit dem festen Entschluss verbunden ist, so bald als möglich das sakramentale Bekenntnis nachzuholen“ (Katechismus, 1452). „Die so genannte „unvollkommene Reue“ (attritio) ist ebenfalls ein Geschenk Gottes, ein Anstoß des Heiligen Geistes. Sie erwächst aus der Betrachtung der Abscheulichkeit der Sünde oder aus der Furcht vor der ewigen Verdammnis und weiteren Strafen, die dem Sünder drohen (Furchtreue). Eine solche Erschütterung des Gewissens kann eine innere Entwicklung einleiten, die unter dem Wirken der Gnade durch die sakramentale Lossprechung vollendet wird. Die unvollkommene Reue allein erlangt noch nicht die Vergebung der schweren Sünden; sie disponiert jedoch dazu, sie im Bußsakrament zu erlangen“ (Katechismus, 1453).

Das Bekenntnis der Sünden ist der Bußakt, mit dem der sündige Christ dem Priester seine Vergehen kundtut, für die er verantwortlich ist, mit dem Ziel, Vergebung von Gott zu erlangen und sich der vollen Gemeinschaft mit der heiligen Kirche zu öffnen.

Im Laufe der Jahrhunderte haben die Theologen und die Hirten häufig darauf hingewiesen, dass das Sündenbekenntnis aufrichtig, klar, konkret, reuig, demütig, diskret, würdig (das heißt den Normen der Klugheit, der Bescheidenheit und der Liebe entsprechend), mündlich und formell vollständig sein soll.

In Bezug auf das vollständige Bekenntnis sagt der Katechismus der Katholischen Kirche: „Von den Büßenden (müssen) alle Todsünden, derer sie sich nach gewissenhafter Selbsterforschung bewusst sind, im Bekenntnis aufgeführt werden ...‚ auch wenn sie ganz im Verborgenen und nur gegen die zwei letzten Vorschriften der Zehn Gebote begangen wurden (vgl. Ex 20,17; Dtn 5,21; Mt 5,28); manchmal verwunden diese die Seele schwerer und sind gefährlicher als die, welche ganz offen begangen werden“ (Katechismus, 1456).

Die sakramentale Genugtuung besteht in der willentlichen Annahme und Erfüllung der vom Beichtvater auferlegten Bußwerke. Sie ist Zeichen und Ausdruck der inneren Reue und der Echtheit der Bekehrung des sündigen Christen und hat zum Ziel, mit Hilfe der göttlichen Gnade, die durch die Sünden sowohl im Sünder selbst als auch in seinem familiären, sozialen und kirchlichen Umfeld bewirkte Unordnung zu beseitigen. Die Lossprechung tilgt die Sünden, aber sie hebt nicht zur Gänze die Unordnung auf, die sie verursacht haben (vgl. Katechismus, 1459).

Der Spender des Bußsakraments ist der Bischof oder ein gültig geweihter Priester, der die Befugnis zur Sündenvergebung für die Gläubigen, denen er die Absolution erteilt, besitzt (vgl. Katechismus, 1461-1462).

„Wenn der Priester das Bußsakrament spendet, versieht er den Dienst des Guten Hirten, der nach dem verlorenen Schaf sucht; den des guten Samariters, der die Wunden verbindet; den des Vaters, der auf den verlorenen Sohn wartet und ihn bei dessen Rückkehr liebevoll aufnimmt; den des gerechten Richters, der ohne Ansehen der Person ein zugleich gerechtes und barmherziges Urteil fällt. Kurz, der Priester ist Zeichen und Werkzeug der barmherzigen Liebe Gottes zum Sünder“ (Katechismus, 1465).

Während der Feier des Sakraments der Versöhnung muss der Priester also als Vater und Guter Hirt handeln, indem er dem Pönitenten die barmherzige Liebe des himmlischen Vaters erweist und vermittelt (vgl. Lk 15,20-31); er muss dem Beispiel Christi, des Guten Hirten, folgen; er muss als Lehrer der Wahrheit handeln, indem er nicht seine eigenen Ideen mitteilt, sondern die Lehre Christi, des Meisters, der die Wahrheit lehrt und den Weg zu Gott weist (vgl. Mt 22,16); er muss gütiger und wirklicher Richter der Vergebung sein. Dazu muss er die Sünden kennen, die auf dem Gewissen des Pönitenten lasten, und ein „geistliches Urteil“ über seine Dispositionen fällen – vor allem über seine Reue und seinen Vorsatz, sein ungeordnetes Verhalten zu bessern –, so dass er ihm in Kenntnis der Tatsachen und nicht willkürlich die Absolution erteilen kann7.

Nach der Feier des Sakraments hat der Priester die absolute Verpflichtung, Stillschweigen über alles in der Beichte Gehörte zu wahren. „Dieser Dienst ist überaus groß. Er erfordert Achtung und Behutsamkeit gegenüber dem Beichtenden. Daher erklärt die Kirche, dass jeder Priester, der Beichte hört, unter strengsten Strafen verpflichtet ist, über die Sünden, die seine Pönitenten ihm gebeichtet haben, absolutes Stillschweigen zu wahren. Er darf auch nicht auf Kenntnisse Bezug nehmen, welche die Beichte ihm über das Leben der Pönitenten verschafft hat. Dieses Beichtgeheimnis, das keine Ausnahmen zulässt, heißt ’das sakramentale Siegel’, denn das, was der Pönitent dem Priester anvertraut hat, bleibt durch das Sakrament ’versiegelt’“ (Katechismus, 1467).

Die Wirkungen des Bußsakraments

„Die Wirkungen des Bußsakraments sind: die Versöhnung mit Gott und folglich die Vergebung der Sünden; die Versöhnung mit der Kirche, die Wiedererlangung des Gnadenstandes, falls er verloren war; der Erlass der durch die Todsünden verdienten ewigen Strafe und der wenigstens teilweise Erlass der zeitlichen Strafen, die aus der Sünde folgen; der Friede und die Ruhe des Gewissens und der geistliche Trost; das Wachstum der geistlichen Kräfte für den christlichen Kampf“ (Kompendium, 310). Dieses Sakrament macht die Pönitenten außerdem auf besondere Weise Christus gleichförmig, dem Sieger über die Sünde durch sein erlösendes Leiden und seine glorreiche Auferstehung (vgl. Lumen Gentium, 7).

Schließlich kann darauf hingewiesen werden, dass die Gläubigen während der Feier des Sakraments auf „geheimnisvolle“ Weise, aber real und wirksam eine Vorwegnahme des Letzten Gerichts Christi, des Herrn, über die Menschen erleben (vgl. Mt 25,31-46; Röm 14,10-12; 2 Kor 5,10)8. Man kann wahrheitsgemäß sagen, dass, wer die sakramentale Absolution empfängt, bereits vom Herrn gerichtet und losgesprochen wurde: Seine Sünden sind für immer vergeben worden.

„Für die nach der Taufe Gefallenen ist dieses Sakrament der Buße so notwendig wie die Taufe selbst für die noch nicht Wiedergeborenen“9.

Der innere Akt der Reue (die Zerknirschung des Herzens) führt den Christen dazu, die Vergebung Gottes und die volle Gemeinschaft mit Christus und der Kirche zu suchen. Und Christus hat bestimmt, dass das durch das Sakrament der Versöhnung geschieht, indem er den Aposteln die Vollmacht des Sündennachlasses übertrug und seine Vergebung an die von ihnen gewährte Vergebung koppelte (vgl. Joh 20,22-23). Er hat gewollt, dass „dieses Sakrament der ordentliche Weg ist, um Vergebung und Nachlass der schweren Sünden zu erlangen, die nach der Taufe begangen worden sind“10.

Es genügt also nicht, dass der sündige Christ, der die Versöhnung mit Gott wünscht, innerlich bereut und anerkennt, dass er der Vergebung Gottes bedarf; er muss auch die Mittel ergreifen, durch die in der Zeit der Kirche die Gnade und die Vergebung Gottes zu den Menschen gelangt. Für den, der nach der Taufe schwer gesündigt hat, gibt es nicht zwei verschiedene Wege, um den Stand der Gnade zu erlangen – die Zerknirschung des Herzens oder das Bußsakrament –, denn in der Tat sind die beiden Wege identisch. Die wahre Reue schließt immer den Wunsch ein, das Sakrament der Vergebung zu empfangen. Wahre Reue über die Sünden wäre unvereinbar mit der Weigerung, sie in diesem Sakrament dem Priester zu bekennen, denn Gott selbst hat gewollt, dass wir dieses Mittel anwenden.

In Bezug auf diesen Punkt hat die Autorität der Kirche präzisiert: „Wer sich bewusst ist, eine Todsünde begangen zu haben, darf (…) die heilige Kommunion nicht empfangen, bevor er die sakramentale Absolution erhalten hat, außer wenn ein schwerer Grund vorliegt zu kommunizieren, und es ihm nicht möglich ist zu beichten; und in diesem Fall soll er bedenken, dass er verpflichtet ist, einen Akt vollkommener Reue zu verrichten, der den Vorsatz einschließt, so bald wie möglich zu beichten (vgl. CIC, can. 916)” (Katechismus, 1457).

„Es ist Vorschrift der Kirche, dass jeder Gläubige nach Erreichen des Unterscheidungsalters die schweren Sünden, deren er sich bewusst ist, wenigstens einmal im Jahr beichtet (vgl. CIC, can. 989)” (Katechismus, 1457).

„Das Bekenntnis der alltäglichen Fehler, der lässlichen Sünden, ist genau genommen nicht notwendig, wird aber von der Kirche nachdrücklich empfohlen. Das regelmäßige Bekenntnis unserer lässlichen Sünden ist für uns eine Hilfe, unser Gewissen zu bilden, gegen unsere bösen Neigungen anzukämpfen, uns von Christus heilen zu lassen und im geistigen Leben zu wachsen“ (Katechismus, 1458).

„Der häufige und gewissenhafte Empfang dieses Sakramentes ist außerdem auch für jene, die leichte Sünden begangen haben, sehr nützlich. Es geht nämlich nicht nur um die Wiederholung eines Ritus oder um eine Art psychologische Übung, sondern um das ständige Bemühen, die Taufgnade zu vervollkommnen, damit in uns, die wir das Todesleiden Jesu Christi an unserem Leib tragen, mehr und mehr das Leben Jesu sichtbar werde“11.

Die Krankensalbung

Die Krankensalbung ist ein von Jesus Christus eingesetztes Sakrament, das im Markusevangelium angedeutet wird (vgl. Mk 6,13) und vom Apostel Jakobus promulgiert und den Gläubigen empfohlen worden ist: „Ist einer von euch krank? Dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. Das gläubige Gebet wird den Kranken retten und der Herr wird ihn aufrichten; wenn er Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben“ (Jak 5,14-15). Die lebendige Tradition der Kirche, die sich in den Aussagen des kirchlichen Lehramts widerspiegelt, hat in diesem Ritus, der besonders dazu bestimmt ist, die Kranken zu stärken und sie von der Sünde und ihren Folgen zu reinigen, eines der sieben Sakramente des Neuen Gesetzes erblickt (vgl. Katechismus, 1512).

Um den Menschen, deren Leben wegen einer schweren Krankheit in Gefahr ist, zu helfen, dass sie nach diesem Sakraments verlangen, kann man ihnen erklären, dass „der Schwerkranke einer Gnade Gottes bedarf, damit er nicht, von Angst beherrscht, den Mut verliert und in der Prüfung nicht im Glauben schwach wird. Deshalb stärkt Christus seine kranken Gläubigen mit dem Sakrament der Krankensalbung, indem er ihnen durch seinen starken Schutz beisteht“12. Näherhin: „Dieses Sakrament gewährt dem Kranken die Gnade des Heiligen Geistes, wodurch der ganze Mensch in Bezug auf seine Gesundheit Hilfe erfährt, durch das Vertrauen auf Gott gekräftigt wird und gegen die Versuchungen des Feindes und die Angst vor dem Tod gestärkt wird, so dass er nicht nur seine Leiden ertragen, sondern auch gegen sie kämpfen und sogar die Gesundheit erlangen kann, wenn es für sein geistliches Heil angebracht ist; ebenso gewährt es ihm, wenn es notwendig ist, die Vergebung der Sünden und die Fülle der christlichen Buße“13.

Die Struktur des sakramentalen Zeichens und die Feier des Sakraments

Entsprechend dem Rituale der Krankensalbung ist die Materie für das Sakrament das Olivenöl, im Notfall ein anderes Pflanzenöl14. Dieses Öl muss vom Bischof oder einem Priester, der die Genehmigung dazu besitzt, geweiht werden15.

Die Salbung erfolgt auf der Stirn und den Händen des Kranken16.

Die Worte des Sakraments, durch die die Krankensalbung gespendet wird, lauten im lateinischen Ritus: „Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes: Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf. Amen“17.

Der Katechismus der Katholischen Kirche ruft in Erinnerung: „Es ist sehr passend, dass sie innerhalb der Eucharistiefeier, des Gedächtnisses des Pascha des Herrn, gefeiert wird. Falls die Umstände es nahelegen, kann der Krankensalbung das Bußsakrament vorausgehen und das Sakrament der Eucharistie folgen. Als Sakrament des Pascha Christi sollte die Eucharistie stets das letzte Sakrament auf der irdischen Pilgerschaft sein, die ’Wegzehrung’ für den ’Übergang’ in das ewige Leben“ (Katechismus, 1517).

Spender dieses Sakraments ist einzig der Bischof oder Priester18.

Empfänger der Krankensalbung ist jeder Getaufte, der den Vernunftgebrauch erlangt hat und sich wegen schwerer Krankheit oder Alter, begleitet von einer fortgeschrittenen Schwäche, in Todesgefahr befindet19. Verstorbenen darf die Krankensalbung nicht gespendet werden.

Um der Früchte dieses Sakraments teilhaftig zu werden, muss der Empfänger sich vorher mit Gott und mit der Kirche versöhnen, zumindest dem Wunsch nach, untrennbar verbunden mit der Reue über die eigenen Sünden und der Absicht, sie, sobald es möglich ist, im Sakrament der Buße zu bekennen. Deshalb sieht die Kirche vor, dass dem Kranken vor der Salbung das Sakrament der Buße und der Versöhnung gespendet wird (vgl. SC 74).

Der Empfänger muss zumindest die habituelle und implizite Absicht haben, dieses Sakrament zu empfangen20. Der Kranke darf also den Wunsch nicht zurückgenommen haben, als Christ zu sterben, versehen mit dafür vorgesehenen übernatürlichen Hilfen.

Notwendigkeit und Wirkungen der Krankensalbung

Auch wenn die Krankensalbung jenen gespendet werden kann, die schon das Bewusstsein verloren haben, soll man versuchen, dass es noch bei Bewusstsein empfangen wird, damit sich der Kranke besser auf die Gnade des Sakraments vorbereiten kann. Sie darf jenen nicht gespendet werden, die in einer offenkundigen schweren Sünde hartnäckig verharren (vgl. CIC, can. 1007)21.

Wenn ein Kranker, der die Salbung empfängt, wieder gesund wird, kann er im Fall einer neuen schweren Krankheit dieses Sakrament nochmals empfangen. Im Verlauf derselben Krankheit, kann das Sakrament wiederholt werden, wenn sich die Krankheit verschlechtert (vgl. CIC, can. 1004,2).

Schließlich soll man den Hinweis der Kirche vor Augen haben: „Im Fall des Zweifels darüber, ob der Kranke den Vernunftgebrauch erlangt hat, ob er gefährlich erkrankt ist oder ob der Tod schon eingetreten ist, ist dieses Sakrament zu spenden“ (CIC, can. 1005).

Der Empfang der Krankensalbung ist nicht absolut zum Heil notwendig, aber man darf dieses Sakrament nicht absichtlich beiseitelassen, wenn sein Empfang möglich ist, denn das würde bedeuten, eine sehr wirksame Hilfe für das Heil zurückzuweisen. Einen Kranken dieser Hilfe berauben, könnte schwere Sünde sein.

Es ist angebracht, vor Augen zu haben, dass man in unserer Zeit dazu neigt, die Krankheit und den Tod zu „verdrängen“. In den Kliniken und Spitälern sterben die Schwerkranken gelegentlich einsam, auch wenn sie von anderen Personen umgeben sind und in einer „Intensivstation“ sehr gut betreut werden. Alle – besonders die Christen, die in Spitälern arbeiten – müssen sich bemühen, dass den internierten Kranken nicht die Mittel fehlen, die Trost spenden und die seelischen und körperlichen Leiden lindern. Zu diesen Mitteln gehört – außer dem Sakrament der Buße und der Wegzehrung – das Sakrament der Krankensalbung.

Als wahres und eigentliches Sakrament des Neuen Gesetzes schenkt die Krankensalbung dem gläubigen Christen die heiligmachende Gnade. Außerdem hat die spezifische sakramentale Gnade der Krankensalbung folgende Wirkungen:

- Innigere Vereinigung mit Christus in seiner erlösenden Passion, zum eigenen Wohl und dem der ganzen Kirche (vgl.Katechismus, 1521-1522; 1532);

- Trost, Friede und Ermutigung, um die Schwierigkeiten und Leiden, die der schweren Krankheit oder der Gebrechlichkeit des Alters eigen sind, zu überwinden (vgl. Katechismus, 1520; 1532);

- Heilung der Überbleibsel der Sünde und Vergebung der lässlichen Sünden, ja auch der Todsünden, wenn der Kranke reuig ist, aber das Bußsakrament nicht empfangen konnte (vgl. Katechismus, 1520);

- Wiederherstellung der leiblichen Gesundheit, wenn das der Wille Gottes ist (vgl. Konzil von Florenz: DH 1325;Katechismus, 1520);

- Vorbereitung zum Übergang in das ewige Leben. In diesem Sinn stellt der Katechismus der Katholischen Kirche fest: „Diese (der Krankensalbung eigene) Gnade ist eine Gabe des Heiligen Geistes, der das Vertrauen auf Gott und den Glauben an ihn erneuert und gegen die Versuchungen des bösen Feindes stärkt, gegen die Versuchung von Entmutigung und Todesangst (vgl. Hebr 2,15)“ (Katechismus, 1520).

Ángel García Ibañez

Grundlegende Bibliografie

Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1499-1532.


1 Papst Franziskus, Generalaudienz, 19.2.2014.

2 Vgl. Katechismus, 976; Konzil von Trient, Sessio XIV, Lehre über das Sakrament der Buße, Kap. 1: DH 1670.

3 Bei den Akten des Pönitenten handelt es sich nicht um rein menschliche Akte (die Vergebung der Sünden kann nicht aus eigener Kraft allein erreicht werden); sie werden vielmehr im Glauben an Christus, den Erlöser, verrichtet und erfolgen unter dem Einfluss des Heiligen Geistes (vgl. Katechismus, 1448).

4 Rituale „Die Feier des Bußsakraments“, Praenotanda, Nr. 19.

5 Ebd., Praenotanda, Nr. 6, d.

6 Das vom Katechismus angeführte Zitat stammt vom Konzil von Trient: DH 1676.

7 Falls er von Personen aufgesucht wird, die sich Gott nähern wollen, aber die Absolution noch nicht empfangen können, weil ihnen die erforderlichen Dispositionen fehlen, wird er sie mit Verständnis und Barmherzigkeit zu behandeln suchen, indem er sie pastoral begleitet, so dass sie sich in den für sie möglichen Formen in die christliche Gemeinschaft eingliedern. Im konkreten Fall der zivil wiederverheirateten Geschiedenen oder der Personen, die ohne Ehe zusammenleben, wird er ihnen klar machen, dass sie trotz ihrer Situation „weiter zur Kirche gehören, die ihnen mit spezieller Aufmerksamkeit nachgeht, in dem Wunsch, dass sie so weit als möglich einen christlichen Lebensstil pflegen durch die Teilnahme an der heiligen Messe, wenn auch ohne Kommunionempfang, das Hören des Wortes Gottes, die eucharistische Anbetung, das Gebet, die Teilnahme am Gemeindeleben, das vertrauensvolle Gespräch mit einem Priester oder einem geistlichen Führer, hingebungsvoll geübte Nächstenliebe, Werke der Buße und den Einsatz in der Erziehung der Kinder“ (Benedikt XVI., Sacramentum caritatis, Nr. 29.

8 Der Katechismus der Katholischen Kirche drückt es so aus: „Wenn sich der Sünder in diesem Sakrament dem barmherzigen Urteil Gottes unterwirft, nimmt er gewissermaßen das Gericht vorweg, dem er am Ende dieses irdischen Daseins unterzogen wird“ (Nr. 1470).

9 Konzil von Trient, Sessio XIV, Lehre über das Sakrament der Buße, Kap. 2: DH 1672.

10 Hl. Johannes Paul II., Reconciliatio et Paenitentia, Nr. 31, I.

11 Ritual „Die Feier des Bußsakraments, Praenotanda, Nr. 7, b.

12 Vgl. Rituale „Die Feier der Krankensakramente“, S. 12.

13 Vgl. ebd., S. 14.

14 Ebd., S. 13.

15 Ebd., S. 30 (Nr. 21).

16 Ebd., S. 31 (Nr. 23). Im Notfall genügt eine einzige Salbung auf der Stirn oder an einer anderen passenden Stelle des Körpers (vgl. ebd.). In den Ostkirchen – zum Beispiel in der byzantinischen, koptischen und armenischen Kirche – werden sieben Salbungen vorgenommen (ähnlich wie früher in der alten römischen Liturgie): auf der Stirn, den Lippen, der Nase, den Ohren, der Brust, den Händen und Füßen des Kranken, zwecks Reinigung von den Sünden, die in Gedanken und durch die einzelnen Sinne begangen wurden,

17 Ebd., S. 31 (Nr. 25). Diese Formel wird aufgeteilt, indem der erste Teil bei der Salbung der Stirn gesprochen wird und der zweite bei der Salbung der Hände. Im Notfall, wenn nur eine einzige Salbung vollzogen werden kann, spricht der Spender gleichzeitig die ganze Formel (vgl. ebd., Nr.23). In der zuvor erwähnten byzantinischen Kirche wird bei jeder Salbung die folgende Formel gesprochen: „Heiliger Vater, Arzt der Seelen und der Körper, der du deinen einzigen Sohn Jesus Christus gesandt hast, um alles Übel zu heilen und vom Tod zu befreien, heile auch deinen Diener N. von seiner leiblichen und geistlichen Schwäche durch die Gnade deines Christus“.

18 Vgl. CIC, can. 1003,1. Weder die Diakone noch die gläubigen Laien können die Krankensalbung gültig spenden (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Note über den Spender des Sakraments der Krankensalbung, „Notitiae“ 41 (2005) 479).

19 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Sacrosanctum Concilium, 73; CIC, can. 1004-1007. Daher ist die Krankensalbung kein Sakrament für jene Gläubigen, die bloß das so genannte „dritte Alter“ erreicht haben (es ist kein Sakrament der Pensionisten), noch ist es nur ein Sakrament für die Sterbenden. Im Fall einer chirurgischen Operation kann die Krankensalbung gespendet werden, wenn die Krankheit, die Grund für die Operation ist, das Leben des Kranken an sich bedroht.

20 Diesbezüglich heißt es im CIC: „Kranken, die wenigstens einschlussweis um dieses Sakrament gebeten haben, als sie noch bei Bewusstsein waren, ist es zu spenden“ (can. 1006).

21 In Bezug auf den letzten Punkt muss man unterscheiden zwischen dem Fall der nicht reuigen Person, die hartnäckig im Stand der allen offenkundigen Todsünde verharrt, und einem Menschen, der sich in einer dem Gesetz Gottes schwer widersprechenden Situation befindet, aber nicht streng aus bösem Willen, sondern aus Unwissenheit oder weil er von einer stark säkularisierten Kultur beeinflusst ist und ihn die schwere Krankheit überrascht hat. Im ersten Fall darf die Salbung nicht gespendet werden, denn sie wäre für den Sünder unwirksam. Im zweiten Fall doch, vor allem wenn der Kranke auf die Mahnungen des Priesters – sich der Barmherzigkeit Gottes anzuvertrauen, seine Sünden zu bereuen und den Vorsatz zu fassen, sein Leben in Zukunft zu bessern – positiv reagiert. Wenn der Spender im Zweifel ist, ob die Person tatsächlich hartnäckig in einer Situation einer offenkundigen schweren Sünde verharrt, könnte er ihr dieses Sakrament sub conditione spenden.

Ángel García Ibañez