Betrachtungstext: Hochfest Christi Himmelfahrt (B)

Jesus entsendet seine Jünger und uns – Er steigt in den Himmel auf, verlässt uns aber nicht – Christus steht uns als Haupt vor

VIERZIG TAGE nach Ostern feiert die Kirche die Aufnahme Jesu in den Himmel. Die Präfation der Messe preist Jesus als „den König der Herrlichkeit. Denn er ist heute als Sieger über Sünde und Tod aufgefahren in den Himmel. Die Engel schauen den Mittler zwischen Gott und den Menschen, den Richter der Welt, den Herrn der ganzen Schöpfung.“1

Bevor er in den Himmel auffuhr, bekräftigte Jesus die apostolische Sendung seiner Jünger: Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung! (Mk 16,15). Der Auftrag ist ambitioniert: Es geht nicht darum, das Volk Israel oder das Römische Reich zu evangelisieren, sondern die ganze Welt. Papst Franziskus bestätigt: „Die Aufgabe, die Jesus einer kleinen Gruppe einfacher Männer ohne große intellektuelle Fähigkeiten anvertraut, scheint wirklich allzu gewagt! Und doch wird diese spärliche und gegenüber den großen Mächten der Welt unbedeutende Gemeinschaft ausgesandt, um die Botschaft der Liebe und Barmherzigkeit Jesu in jeden Winkel der Erde zu tragen.“ Und er fügt hinzu: „Aber dieser Plan Gottes kann nur durch die Kraft verwirklicht werden, die Gott selbst den Aposteln gewährt.“2

Nach allem, was sie in den vierzig Tagen seit der Auferstehung Jesu erlebt hatten, reagierten die Jünger auf ihren Sendungsauftrag mit tätigem Glauben: Sie aber zogen aus und verkündeten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte das Wort durch die Zeichen, die es begleiteten (Mk 16,20). Die apostolische Sendung ist nicht ausschließlich Aufgabe jener ersten Jünger: Wir haben denselben göttlichen Auftrag erhalten; deshalb geht uns jener Tag so nahe, an dem Jesus in den Himmel auffuhr.

Für den heiligen Josefmaria ist das Apostolat wie „das Atmen des Christen“: „Ein Sohn, eine Tochter Gottes kann ohne diesen übernatürlichen Pulsschlag nicht leben. Das heutige Fest erinnert uns daran, dass der Eifer für die Seelen ein liebenswertes Gebot des Herrn ist, der uns bei seiner Himmelfahrt als seine Zeugen in die ganze Welt hinaussendet. Groß ist unsere Verantwortung; denn Zeuge Christi sein bedeutet vor allem, uns nach Kräften seiner Lehre gemäß zu verhalten, darum zu kämpfen, dass unser Verhalten nach Christus klingt und an seine liebenswerte Gestalt erinnert. Wir müssen so leben, dass die Menschen, denen wir begegnen, sagen können: Das ist ein Christ, denn er hegt keinen Hass, er bringt Verständnis auf, er ist nicht fanatisch, er hat sich in der Hand, er ist opferbereit, er hegt Gefühle des Friedens, er liebt.“3


DER HEILIGE LUKAS berichtet, dass Jesus sie vor seiner Himmelfahrt hinausführte in die Nähe von Betanien. Dort erhob er seine Hände und segnete sie (Lk 24,50). Seit jenem Tag bleiben seine Hände gewissermaßen „ausgebreitet über diese Welt. Die segnenden Hände Christi sind wie ein Dach, das uns schützt (…)“, schrieb Papst Benedikt in seinem Christusbuch. „Im Weggehen kommt er, um uns über uns selbst hinaufzuheben und die Welt für Gott zu öffnen. Deswegen konnten sich die Jünger freuen, als sie von Bethanien nach Hause gingen. Im Glauben wissen wir, dass Jesus seine Hände segnend über uns ausgebreitet hält. Dies ist der bleibende Grund christlicher Freude.“4 Das Stundengebet zum Fest enthält aufschlussreiche Worte des heiligen Augustinus über das geheimnisvolle Ab- und Aufsteigen Jesu: „Er verließ den Himmel nicht, als er von dort zu uns herabstieg. Auch ist er von uns nicht fortgegangen, als er wieder zum Himmel zurückkehrte (...). Er stieg vom Himmel herab aus Erbarmen. Niemand ist hinaufgestiegen außer ihm, da auch wir nur in ihm hinaufgestiegen sind durch die Gnade.“5

Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes (Mk 16,19). Der heilige Josefmaria versetzte sich in die Szene hinein und zeigt sich froh: „Es ist nur gerecht, dass die heilige Menschheit Christi vom ganzen Chor der Engel und all den Scharen der Seligen im Himmel Huldigungen, Jubelrufe und Anbetung empfängt.“6

Jesus steigt in den Himmel hinauf und lässt uns dennoch nicht im Stich. Im Gegenteil, wie Papst Benedikt erklärt: „Weil Jesus beim Vater ist, ist er nicht fort, sondern in unserer Nähe. Nun ist er nicht mehr an einer einzelnen Stelle der Welt wie vor der ,Himmelfahrt‘, nun ist er für alle – die ganze Geschichte hindurch – und allerorten mit seiner raumüberschreitenden Macht gegenwärtig und rufbar."7 Jesus bleibt bei uns: Der Heilige Geist wohnt in unserer Seele im Gnadenstand, und der Herr begleitet uns auch leiblich in der Eucharistie. „Auch heute ist es möglich, Jesus mit Leib und Seele ganz nahe zu kommen“, sagte der Gründer des Werkes. „Christus hat uns deutlich den Weg gewiesen: im Brot und im Wort; in der Nahrung der Eucharistie, im Kennenlernen und Erfüllen seiner Lehre, und indem wir ihn im Gebet aufsuchen.“8


WÄHREND SIE unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, siehe, da standen zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen (Apg 1,10-11). Das Hochfest der Himmelfahrt beflügelt uns in der Hoffnung, an der Herrlichkeit teilzuhaben, die Jesus genießt und zu der wir als Glieder seines Leibes berufen sind. In der Präfation wendet sich die Kirche folgendermaßen an den Vater: „Er kehrt zu dir heim, nicht um uns Menschen zu verlassen, er gibt den Gliedern seines Leibes die Hoffnung, ihm dorthin zu folgen, wohin er als Erster vorausging.“9

Papst Benedikt wird nicht müde zu betonen, dass Jesus nicht als theoretischer Wahrheitslehrer gekommen ist, sondern um als Hirt die Schafe zurück in den Stall zu führen: „Diesen ,Auszug‘ hin zur himmlischen Heimat, den Jesus am eigenen Leib erlebt hat, hat er allein für uns auf sich genommen. Für uns ist er vom Himmel herabgestiegen, und für uns fuhr er zu ihm auf, nachdem er dem Menschen, erniedrigt bis zum Tod am Kreuze, ganz gleich geworden war und den Abgrund der größten Gottesferne berührt hatte. Gerade aus diesem Grund hat Gott an ihm Gefallen gefunden und ihn über alle erhöht (Phil 2,9), wobei er ihm die Fülle seiner Herrlichkeit wiedererstattet, jetzt aber zusammen mit unserem Menschsein. Gott im Menschen – der Mensch in Gott: Das ist nunmehr keine theoretische, sondern eine konkrete Wahrheit. Daher ist die christliche Hoffnung, die in Christus gründet, keine Illusion, sondern, wie der Brief an die Hebräer sagt: In ihr haben wir einen sicheren und festen Anker der Seele (Hebr 6,19), einen Anker, der in den Himmel eindringt, wohin Christus uns vorangegangen ist.“10

Der Herr erwartet uns im Himmel und sendet uns den Heiligen Geist, seine Gaben und seine Früchte, damit auch wir das Ziel erreichen können. Papst Benedikt lädt uns ein, uns dem Gebet um das Kommen des Heiligen Geistes anzuschließen: „Nachdem der Herr in den Himmel aufgefahren war, versammelten sich die Jünger mit der Mutter Jesu im Obergemach zum Gebet und baten einmütig um den Heiligen Geist, der sie mit seiner Kraft erfüllen sollte, damit sie für den auferstandenen Christus Zeugnis ablegen. Jede christliche Gemeinschaft macht in diesen Tagen, vereint mit der allerseligsten Jungfrau Maria, von neuem diese einzigartige spirituelle Erfahrung in Vorbereitung auf das Hochfest Pfingsten.“11


1 Messbuch, Präfation am Hochfest der Himmelfahrt des Herrn.

2 Franziskus, Regina coeli-Gebet, 13.5.2018.

3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 122.

4 Benedikt XVI., Jesus von Nazareth II, S. 318.

5 Hl. Augustinus, Predigt über die Himmelfahrt.

6 Hl. Josefmaria, Der Rosenkranz, 2. glorreiches Geheimnis.

7 Benedikt XVI., Jesus von Nazareth II, S. 309.

8 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 118.

9 Messbuch, Präfation am Hochfest der Himmelfahrt des Herrn.

10 Benedikt XVI., Regina coeli-Gebet, 4.5.2008.

11 Benedikt XVI., Regina coeli-Gebet, 8.5.2005.