Betrachtungstext: 31. Woche im Jahreskreis – Samstag

Die Freiheit, sich nicht an irdische Güter zu hängen – Die Loslösung erinnert uns daran, dass alles Gott gehört – Dankbar sein für das, was wir haben

KEIN KNECHT kann zwei Herren dienen (Lk 16,13), sagt uns Jesus heute im Evangelium. Das sind klare und präzise Worte, offensichtlich gibt es hier keinen Raum für halbe Sachen. Wer Jünger Christi sein will, achtet darauf, dass die irdischen Güter ihn nicht von dem ablenken, was er sich zum Mittelpunkt seines Lebens erwählt hat. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon (Lk 16,13), fährt Christus fort. Wir wollen den Heiligen Geist bitten, uns zu helfen, seine Einladung an uns zu erkennen. Die Herrschaft Gottes und die Herrschaft des Geldes sind sehr verschieden. Die eine empfangen wir und sie öffnet uns für unsere Mitmenschen; die andere bedient sich zahlreicher Täuschungen – Geiz, übermäßiges Besitzstreben, alleiniges Vertrauen in Güter usw. –, um uns in uns selbst zu verschließen.

Die unmittelbare, jedoch kurzlebige Wirkung der Bindung unseres Herzens an irdische Güter ist Befriedigung. Wenn wir erreicht haben, was wir uns gewünscht haben, genießen wir ein paar Momente einer oberflächlichen, dünnwandigen Herrlichkeit, die auf der affektiven Ebene vielleicht viel Lärm macht. Doch jene Glücksinsel nimmt uns schrittweise gefangen. Dabei sind diese Güter nicht in der Lage, unser Herz zu durchdringen, sie können es nicht nähren. Sie können es vielleicht betäuben, doch früher oder später wachen wir – vereinsamt – auf. An sich sind diese Güter wahrscheinlich nicht schlecht, aber wenn wir sie zu kleinen Idolen machen, übernehmen sie leicht die Kontrolle über unser Leben. Jesus nachzufolgen bedeutet, uns an der Tugend der Loslösung zu erfreuen und die Dinge, die uns umgeben, ausgewogen zu nutzen. Papst Franziskus zeigt auf, worum es geht: „Seine Jünger zu werden, das umfasst die Entscheidung, auf der Erde keine Schätze anzuhäufen, die die Illusion einer in Wirklichkeit zerbrechlichen und vergänglichen Sicherheit vorgaukeln. Vielmehr erfordert es die Bereitschaft, sich von jeder Bindung zu befreien, die das Erreichen des wahren Glücks und der wahren Seligkeit verhindert, um das zu erkennen, was dauerhaft ist und von nichts und niemandem zerstört werden kann (vgl. Mt 6,19-20).“1

Die Seele, die losgelöst lebt von den irdischen Gütern und ihnen ihr Glück nicht opfert, füllt sich mit dem Reichtum Gottes, seiner Liebe und seinem Frieden. Sie braucht nichts, weil sie alles hat, und wenn sie Gebrauch macht von materiellen Gütern, der Zeit oder ihren Talenten, ist sie dankbar für diese Geschenke, denn das sind sie; sie hat, was sie braucht, denn in Gott gehört ihr alles. Sie macht nichts zu ihrem Eigentum und hält noch weniger etwas für sich zurück. Aus diesem Grund genießt sie alles wie keine andere.


WIR BITTEN Jesus, uns diese Kunst zu lehren: zu riskieren, uns seiner Fürsorge zu überlassen. Um unser Vertrauen zu gewinnen, zieht Jesus die Lilien und die Vögel als Beispiel heran: Ihnen fehlt es nie an Nahrung oder Kleidung, weil sie, in ihrer Art, von Gott leben (vgl. Mt 6,25-33). Von uns erwartet er nur, wie der heilige Josefmaria sagte, „eine Spur Liebe, um die Fülle seiner Gnade über die Seele auszugießen“2. Eine Spur Liebe genügt ihm, um uns seinen Reichtum zu schenken. In diesem göttlichen Tausch erfüllen sich die Worte der heiligen Theresia von Jesus auf vollkommene Weise: „Haltet alles, was ihr hingegeben, für sehr gering, weil ihr soviel dafür empfangen sollt!“3

Jesus gibt uns allen die Möglichkeit, uns an der Tugend der Loslösung zu erfreuen, durch die wir uns daran erinnern, dass alles Gott gehört. Jeder von uns wird sie unter seinen spezifischen Umständen leben, in mehr oder weniger großem Überfluss oder in mehr oder weniger großem Mangel. Die konkrete Situation eines jeden Menschen ist jeweils die beste, um auf Gott zu vertrauen. Wenn uns Ungewissheit, Zweifel oder Angst überkommen, bitten wir ihn, uns davon zu überzeugen, dass die Freude nicht vom Viel oder Wenig abhängt; und wir erinnern uns an die Worte des heiligen Josefmaria, dass nämlich „um das Glück zu finden, es nicht eines bequemen Lebens bedarf, sondern eines verliebten Herzens!“4

Hören wir, was der heilige Johannes Paul II. in einer Audienz sagte: „Die Pläne Gottes decken sich nicht mit denen des Menschen; sie sind unendlich viel besser, doch oft bleiben sie dem menschlichen Denken unverständlich. (…) Gewiss sollen wir nicht passiv darauf warten, was er uns schickt, sondern sollen mit ihm zusammenarbeiten, damit er das zur Vollendung bringt, was er in uns zu wirken begonnen hat. Vor allem sollen wir um das Streben nach den himmlischen Gütern bemüht sein. Diese sollen an erster Stelle stehen, wie Jesus fordert: Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen (Mt 6,33). Die anderen Güter sollen nicht Anlass zu übertriebener Sorge sein, denn unser himmlischer Vater kennt unsere Bedürfnisse.“5


EINE MÖGLICHKEIT, die uns zur christlichen Loslösung führt und die gleichzeitig ein „Greifen“ nach dem ist, was wir wirklich wollen, ist die Dankbarkeit. Wenn wir die Liebe, die wir empfangen wollen, nicht als selbstverständlich ansehen, lernen wir, uns für jede Form zu öffnen, die sie annimmt. So wie wir uns von den armseligen Sicherheiten abwenden, die uns Güter und sogar Geschöpfe bieten, entdecken wir tausend Arten und Weisen, in denen andere uns ihre einfache Liebe bekunden.

Am 28. Februar 1964 betrat der heilige Josefmaria sein Zimmer und war überrascht, dass eine Tagesdecke über seinem Bett lag. Zwei Tage später rief er eine seiner Töchter an, um ihr dafür zu danken: „Danke, meine Tochter, Gott segne dich! Was für eine Überraschung habe ich kürzlich erlebt, als ich in mein Zimmer kam. Ich dachte, ich hätte mich geirrt, und sagte zu mir: Josemaría, du bist reich geworden! Nach 36 Jahren habe ich zum ersten Mal wieder eine Tagesdecke. Du hast also gesehen, dass ich während dieser Jahre darauf bestanden habe, als letzter eine Tagesdecke zu bekommen.“6

Hören wir nochmals Worte des heiligen Johannes Pauls II.: „Eine Haltung der Dankbarkeit muss das Leben eines jeden Menschen, insbesondere eines jeden Christen, kennzeichnen (...). Es ist eine ,eucharistische‘ Haltung, die euch Frieden und Sicherheit in eurer Arbeit gibt, euch von jeder egoistischen und individualistischen Neigung befreit und euch gegenüber dem Willen des Allerhöchsten gelehrig macht, auch in den schwierigsten moralischen Anforderungen (...). Dankbar zu sein bedeutet zu glauben, zu lieben, zu geben … und das mit Freude und Großzügigkeit!“7 Wir bitten die Jungfrau Maria, die alle Gaben, mit denen Gott sie überhäuft hat, mit großer Dankbarkeit angenommen hat, um den Mut, uns nicht an die irdischen Dinge zu hängen, sondern vor allem auf unseren Vater im Himmel zu vertrauen.


1 Franziskus, Botschaft, 14.11.2021.

2 Hl. Josefmaria, Der Kreuzweg, 5. Station.

3 Hl. Theresia von Jesu 1983, Weg der Vollkommenheit, 33. Hauptstück, 2.

4 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 795.

5 Hl. Johannes Paul II., Audienz. 24.3.1999.

6 Vázquez de Prada, Andrés: Der Gründer des Opus Dei Josemaría Escrivá, Adamas Verlag, 3. Bd., S. 281-282.

7 Hl. Johannes Paul II., Predigt, 9.11.1980.