Betrachtungstext: 3. Mai – heilige Philippus und Jakobus

Authentischer Glaube zieht an – Großherzigkeit und Wagemut der Apostel – Das Leben mit Christus drängt uns, ihn den anderen weiterzugeben

DIE APOSTELFESTE sind für uns, die wir so wie sie das Evangelium an andere weitergeben wollen, besondere Tage. Der Antrieb, den Jakobus und Philippus verspürten, war derselbe wie jener, der den heiligen Josefmaria schreiben ließ: „Als jener Priester die Kommunion austeilte, hätte er am liebsten ausgerufen: Ich reiche dir die Glückseligkeit!1 Wir Christen erleben schon hier auf Erden eine Freude, die wir nicht verbergen wollen. Wir leben zusammen mit dem Herrn: Unsere Dinge sind seine Dinge, sein Leben ist unseres, und wir wissen, dass darin das große Glück besteht. Das persönliche Glück, das die Begegnung mit Christus im Leben der Apostel bedeutete, war die treibende Kraft ihrer Verkündigung, die sich deshalb rasch über die ganze Welt ausbreitete.

Die Apostel scharen sich oftmals um Jesus, manchmal in der freien Natur, manchmal unter einem Dach rund um einen Tisch. Oder sie legen mit ihm lange Wegstrecken zurück. Dies alles sind traute Momente, die sie nie mehr vergessen werden. Auch wir leben dank seines Erbarmens mit Christus zusammen. Und da wir die Liebe Gottes zu jedem von uns erfahren, entsteht ganz natürlich der Wunsch, wie der heilige Josefmaria sagte, „zu den anderen über ihn zu sprechen, denn soviel Freude kann ein Herz allein nicht fassen“2. Wir begreifen, dass auf diese Weise jedes Handeln, jedes Tun eines Christen Apostolat ist, ohne dass er sich dieses noch zusätzlich vornehmen müsste. Die anderen merken es an seiner Nähe, seiner Gelassenheit trotz Widrigkeiten, seiner Freude. Papst Franziskus betonte: „Die Kirche wächst durch Anziehung. Und der Glaube wird durch das Zeugnis weitergegeben, bis hin zum Martyrium, wie es bei den zwei Aposteln, Philippus und Jakobus, gewesen ist. (...) Wenn diese Übereinstimmung des Lebens mit dem, was wir sagen, sichtbar ist, wird immer Neugier geweckt werden: ,Ja, warum lebt der so? Warum führt er ein Leben im Dienst an den anderen?‘ Jene Neugier ist der Same, den der Heilige Geist nimmt und weiterbringt.3

Das ganze Leben des Herrn, seine Worte, seine Werke, sein Dasein auf Erden, verwandelt uns. Paulus erinnert die Korinther daran, dass wir auf diese Botschaft gegründet sind und dies uns rettet. Es ist ein echtes und wunderbares Geheimnis, eine Erinnerung, die mehr ist als eine Erinnerung, weil sie in unserem Leben gegenwärtig ist. Thomas von Aquin erklärt dies gemäß der Tradition, in der er steht, folgendermaßen: Der Glaube ist ein ,habitus‘, das heißt eine dauernde Verfasstheit des Geistes, durch die das ewige Leben in uns beginnt,4 – das Leben, das die Apostel, deren wir heute gedenken, in Fülle gelebt haben.


EINER JENER ASPEKTE, die uns am Leben der Apostel begeistern, ist ihre Fähigkeit, große Träume zu haben und sie zu verfolgen. Sie lassen sich nicht aufhalten, weil sie wissen, dass Christus alle Hindernisse bereits überwunden hat und Gottes Macht stärker ist als der Tod. Sie sind voller Kühnheit und Großmut, Tugenden, mit denen auch wir uns an unserer hoffnungsfrohen Sendung beteiligen, im Wissen, dass wir nicht auf uns allein gestellt sind, sondern auf Gottes Kraft zählen dürfen. Nichts kann jene, die die Gegenwart des Herrn in ihrem täglichen Leben erfahren, bremsen oder ängstigen.

„Großherzigkeit“, pflegte der heilige Josefmaria zu sagen, „das bedeutet: großes Herz, weite Seele, für viele offen. Die Großherzigkeit bewirkt, dass wir aus uns heraustreten und uns zum Wohle aller für das Große und Wertvolle bereitstellen. (...) Der Großherzige ist fähig, sich selbst hinzugeben. Nur etwas geben genügt ihm nicht, er gibt sich selbst. Und so kommt er dem höchsten Ausdruck von Großherzigkeit auf die Spur: sich Gott hinzugeben.“5 Bei unseren Vorhaben können wir an die Großherzigkeit der Apostel Philippus und Jakobus denken. In seiner überströmenden Freude brachte Philippus Nathanael mit Jesus in Kontakt, in seiner Einfachheit bat er seinen Herrn darum, den Vater sehen zu können. Der Überlieferung nach begab er sich nach Phrygien, um das Evangelium zu verbreiten und den Märtyrertod zu sterben. Jakobus, ein Verwandter des Herrn, wurde Bischof von Jerusalem. Die beiden Säulen der entstehenden Kirche zögerten nicht, ihre Sicherheiten aufs Spiel zu setzen, um die göttliche Botschaft der Freude so weit zu verbreiten, wie der Heilige Geist sie führen würde.

Um ebenso kühn zu sein, „schauen wir“, wie Papst Franziskus uns einlädt, „auf Jesus: Sein tiefes Mitleid ließ ihn nicht sich in sich selbst zurückziehen, es war kein lähmendes, furchtsames oder verschämtes Mitleid, wie es bei uns oft vorkommt, sondern das genaue Gegenteil. Es war ein Mitleid, das ihn dazu bewegte, kraftvoll aus sich herauszugehen, um zu verkünden, um in die Mission zu senden, um auszusenden, zu heilen und zu befreien. Erkennen wir unsere Schwachheit, aber lassen wir zu, dass Jesus sie in seine Hände nimmt und uns in die Mission hinaustreibt. Wir sind schwach, aber Träger eines Schatzes, der uns groß macht und der die besser und glücklicher machen kann, die ihn empfangen. Wagemut und apostolischer Mut sind konstitutiv für die Mission.6


IHRE BOTSCHAFT geht in die ganze Welt hinaus (Ps 19,5), heißt es im Psalmvers. Das heutige Fest ist ein guter Anlass, um in unseren Seelen den Wunsch auszusprechen, dass die Stimme Christi in jeden Winkel unserer Welt und unserer Geschichte gelangen möge. Wir wissen, dass das christliche Apostolat keine Tätigkeit ist, die zu unseren normalen Beschäftigungen noch dazukommt: Wenn wir unser Leben dem Heiligen Geist öffnen, wenn wir aus dem Glauben leben, sind wir in Wirklichkeit in jedem Augenblick des Tages Apostel. „Der Glaube ist nicht nur das Aufsagen des Credo“, gibt Papst Franziskus wertvolle Hinweise an die Hand. „Die Weitergabe des Glaubens besteht nicht darin, zu informieren, sondern ein Herz zu formen, ein Herz im Glauben an Jesus Christus zu formen. Aus diesem Grund kann der Glaube nicht mechanisch weitergegeben werden, indem man sagt: Da, nimm dieses Büchlein, studiere es und dann taufe ich dich. Nein. Der Weg der Glaubensweitergabe ist ein anderer: das weitergeben, was wir empfangen haben. Das ist die Herausforderung eines Christen: bei der Weitergabe des Glaubens fruchtbar zu sein“, betonte der Papst. Doch das sei „auch die Herausforderung für die Kirche: fruchtbare Mutter zu sein, Kinder im Glauben zu gebären. Das ist keine Übertreibung: wir sagen dies bei der Feier der Taufe. Also: Die Kirche ,gebiert‘, sie ist ,Mutter‘.“7

Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus, den Sohn Josefs, aus Nazaret (Joh 1,45), verkündete Philippus seinem Freund Nathanael, während sich Jakobus mit einer väterlichen Ermahnung an die Christenheit wandte: Was nützt es, meine Brüder und Schwestern, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? (Jakobus 2,14). Beide Sätze zusammen enthalten den ganzen christlichen Weg: Christus immer besser kennenlernen, mit ihm leben, denn das ist die Kraft, die uns dazu bringt, in unserem Umfeld Zeugnis abzulegen: indem wir uns den Bedürftigen zuwenden und unsere übernatürliche Freude allen bringen wollen. Wir bitten die Apostel, uns diese Begeisterung zu schenken, die aus dem Glauben kommt. Wie sie wollen auch wir mit unserem ganzen Leben verkünden, dass nichts das Herz mehr erfüllen kann als Jesus Christus. Wir richten unseren Blick auch auf die Gottesmutter, damit sie uns mit Hoffnung erfüllt und uns anspornt, groß zu denken, mit Großmut und Kühnheit.


1 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 267.

2 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 314.

3 Franziskus, Predigt, 3.5.2018.

4 Benedikt XVI., Spe salvi, 7.

5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, 80.

6 Franziskus, Gaudete et exsultate, Nr. 31.

7 Franziskus, Predigt, 3.5.2018.