Betrachtungstext: Taufe des Herrn

Wir werden wie Johannes Zeugnis von Christus geben – Ein diskretes Apostolat, von Person zu Person – Mit unserer Freundschaft säen

AM TAG darauf sah Johannes Jesus auf sich zukommen (Joh 1,29). Unser Herr geht auf den Täufer zu wie einer mehr in einer Menge von tausenden Menschen, die aus den unterschiedlichsten Richtungen gekommen waren. Der heilige Johannes Chrysostomus betont: „Zusammen mit den Knechten kommt der Herr, mit den Schuldigen der Richter, um die Taufe zu empfangen!“1 Für die Menschenmenge war der Zimmermann aus Nazaret einer von vielen. Doch der Täufer erkannte in diesem Pilger den Sohn Gottes und weigerte sich, ihn zu taufen. Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir? (Mt 3,14). Jesus Christus bestand darauf, und Johannes musste schließlich nachgeben.

Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe (Mt 3,16-17). Der heilige Johannes Paul II. erläutert die Bedeutung des Augenblicks: „Die Predigttätigkeit des Johannes bildete den Abschluss einer langen Vorbereitungszeit, die den gesamten Alten Bund und, könnte man sagen, die gesamte Menschheitsgeschichte, wie sie in der Heiligen Schrift erzählt wird, umspannte. Johannes erkannte die Größe dieses entscheidenden Moments, den er als den Anfang einer neuen Schöpfung verstand, in der er die Gegenwart des Geistes verspürte, der über der ersten Schöpfung schwebte (vgl. Joh 1,32; Gen 1,2). Er wusste und bekannte, dass er lediglich ein einfacher Herold, der Vorläufer und Diener dessen war, der kommen sollte, um mit dem Heiligen Geist zu taufen.“2

Wenige Tage später wurde Johannes von einer besonderen Gesandtschaft aufgesucht. Erinnert ihr euch“, fragte der heilige Josefmaria, „an jene Szenen aus der Predigttätigkeit des Johannes des Täufers, die uns das Evangelium schildert? Ein schönes Gerede war aufgekommen! Wird er der Christus sein, der Elias, oder ein Prophet? Ein solcher Wirbel war entstanden, dass die Juden von Jerusalem aus Priester und Leviten zu ihm sandten mit der Frage: Wer bist du? (Joh 1,19).“3 Johannes antwortete darauf: Ich taufe mit Wasser. Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt und der nach mir kommt; ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren (Joh 1,26-27).

Auch uns hat der Herr sich offenbart, indem er uns durch das Licht des Heiligen Geistes erkennen ließ, dass er auf unserem Lebensweg an unserer Seite ist. Damals bat er uns, wie einst Johannes, Zeugnis von ihm abzulegen.


DAS GANZE LEBEN des Täufers erschöpfte sich in der Erwartung und im Bemühen, sein Herz und das der anderen auf das Kommen des Erlösers vorzubereiten. Er war die Stimme, die in der Wüste rief: Bereitet den Weg des Herrn! Macht gerade seine Straßen! (Mt 3,3). Heute ist die Freude des Johannes groß, denn der Herr ist gekommen; jetzt kann er rufen: Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war (Joh 1,30). Unsere Aufgabe unterscheidet sich nicht wesentlich von der des Täufers. Der heilige Josefmaria schrieb: „Wie oft könnten jene Worte des Evangeliums gesagt werden: Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt: Jesus Christus (Joh 1,26). Ohne Theater, mit übernatürlicher Natürlichkeit, wird Christus in eurem Leben und in eurem Wort gegenwärtig, um jene, die nichts oder sehr wenig vom Glauben und der Liebe wissen, dem Glauben und der Liebe anzunähern.4

Johannes gibt Zeugnis von Jesus. Tage zuvor hatte er öffentlich erklärt, dass er nicht der Messias ist und dass Christus nach ihm kommt. Dann, im vertrauten Kreis seiner Jünger, offenbarte Johannes, wer der Herr war: Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt (Joh 1,29). Es war ein Apostolat von Person zu Person, das das Innere seiner Zuhörer auf den göttlichen Ruf vorbereitete. Ein anderes Mal wies der Täufer Johannes und Andreas direkt auf ihn hin: Am Tag darauf stand Johannes wieder dort, und zwei seiner Jünger standen bei ihm. Als Jesus vorüberging, richtete Johannes seinen Blick auf ihn und sagte: Seht das Lamm Gottes! Die beiden Jünger hörten, was er sagte, und folgten Jesus (Joh 1,35-37). Was für eine Wirksamkeit! Das Wort des Täufers führte zu den ersten beiden Apostelberufungen. Später werden Andreas und Johannes andere bringen.

Vielleicht erinnern wir uns spontan an Worte des heiligen Josefmaria über das Apostolat der Christen inmitten der Welt: „Ihr seid unbekannt, doch in allen Winkeln der Erde gibt es Arbeitskollegen und Freunde, die in euren Brüdern, in euch, Christus entdecken; und später bringen sie dann auch wieder andere Herzen, andere Geister zu Christus. Ihr seid Christus, der auf der Straße vorübergeht; doch ihr müsst dort gehen, wo er gegangen ist.5


VIELE STRÖMTEN zum Jordan, um Johannes zu hören und von ihm getauft zu werden. Für alle hatte der Prophet erhellende Worte, alle bereitete er auf den Empfang des Herrn vor. Doch darüber hinaus hatte er eine kleine Gruppe von Jüngern, die er in persönlichen vertrauten Gesprächen heranbildete. Aus dieser Gruppe kamen die Ersten, die dem Herrn folgten.

Jeder von uns kennt zahlreiche Menschen und kann die Botschaft Christi über verschiedene Wege vielleicht sogar auch einmal einem sehr großen Publikum vermitteln. Besonders geeignet für die Verbreitung der christlichen Botschaft ist jedoch das Apostolat, das der heilige Josefmaria als das „Apostolat der Freundschaft und des Vertrauens“ bezeichnete. Er beschrieb es als das Annähern der Seelen an Gott „durch das passende Wort, das Horizonte des Apostolats eröffnet; durch den diskreten Rat, der hilft, ein Problem aus christlicher Sicht zu betrachten; durch das liebevolle Gespräch, das die Liebe zu leben lehrt“. Vor allem aber sollten wir durch das Beispiel der Integrität unseres Lebens anziehend wirken, durch die demütige und zugleich kühne Selbstverständlichkeit, mit der wir unter unseren Mitmenschen auf gewöhnliche, aber konsequente Weise christlich leben und unseren Glauben durch Taten bezeugen. „Mit Gottes Hilfe wird dies der Grund für unsere Wirksamkeit sein.“6

Das christliche Apostolat ist Dienst, Verbreitung des Guten, Freundschaft; aufrichtige Sorge um andere, getragen von der Liebe, die uns weitergeben lässt, was unser Leben mit Freude erfüllt. Die Laien sind nach den Worten des heiligen Josefmaria auf besondere Weise dazu berufen, „frei und verantwortungsbewusst inmitten der zeitlichen Gegebenheiten zu handeln, damit sie den Sauerteig der christlichen Botschaft überall hintragen können“7. Das Panorama ist grenzenlos.

Wir stellen unsere Mitmenschen unter den mütterlichen Schutz der Jungfrau Maria und bitten sie, unseren Eifer zu beleben, das göttliche Wort durch unsere Freundschaft auszusäen. „Sät aus“, sagte der heilige Josefmaria: „und ich versichere euch im Namen des Herrn, dass ihr ernten werdet.“8


1 Hl. Johannes Chrysostomus, Homilien über das Evangelium nach Matthäus, 12, 1.

2 Hl. Johannes Paul II., Generalaudienz, 11.7.1990.

3 Hl. Josefmaria, Brief 4,, 16.6.1933, Nr. 21.

4 Hl. Josefmaria, Brief 15.8.1953, Nr. 11.

5 Ders., Aufzeichnungen von einem Beisammensein, 9.1.1969.

6 Ders., Brief 1,24.3.1930, Nr. 11.

7 Ders., Gespräche, Nr. 59.

8 Ders., Rundbrief, 24.3.1939.