DER EVANGELIST Lukas beschreibt die Kindheit Jesu mit einem Satz: Das Kind wuchs heran und wurde stark, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade ruhte auf ihm (Lk 2,40). Wenig später resümiert er so die Jugendjahre des Herrn: Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen (Lk 2,52). Es verwundert, dass ein allmächtiger Gott den normalen Prozess menschlichen Wachstums auf sich nehmen wollte. Der Gottmensch lebte ein Leben, das dem der anderen Bewohner Nazarets ganz ähnlich war. Er lernte das Gesetz und das Handwerk von den Lippen und Händen des heiligen Josef, vielleicht indem er ihn nachahmte. Er lernte auch lesen und schreiben, mit Menschen umgehen, sich erholen ... Der Alltag Jesu muss sich – wie der seiner Nachbarn und der unseren – zu einem guten Teil um Familienbande, Freundschaft und Arbeit gedreht haben. Möglicherweise war die Werkstatt seines Vaters jener Ort, an dem der Messias die meiste Zeit seines Lebens zugebracht hat.
Der heilige Josefmaria betont: „Dreißig Jahre lang lebte Jesus so: als fabri filius (Mt 13,55), als der Sohn des Zimmermanns. Dann erst folgen die drei Jahre seines öffentlichen Lebens inmitten der lärmenden Menge. Die Leute fragen sich verwundert: Wer ist dieser, woher weiß er das alles? Denn er war ja einer von ihnen, führte das Leben der Menschen seines Landes“1, genau wie der heilige Josef. Diese Tatsache lehrt uns, dass die Arbeit Teil des göttlichen Plans für den Menschen ist. Im Buch Genesis wird der Mensch als Hüter der Schöpfung vorgestellt, der fähig ist, die Welt umzugestalten und zu verschönern, in Fortführung dessen, was der Schöpfer geleistet hat. Arbeit ist also eine menschliche Realität, mit der wir dazu beitragen können, eine Umwelt, eine Stadt, eine Nation zu schaffen, die es den Menschen erleichtert, einen innigen Dialog mit Gott zu führen.
„FÜR DIE ÜBERWIEGENDE Mehrheit der Menschen bedeutet Heiligwerden, ihre eigene Arbeit zu heiligen, sich in dieser Arbeit selbst zu heiligen und die anderen durch die Arbeit zu heiligen.“2 Mit diesen Worten fasste der Gründer des Opus Dei einen Teil der Botschaft zusammen, die Gott ihm anvertraut hatte, um sie den Christen in Erinnerung zu bringen. „Die Arbeit heiligen“ ist dabei der Ausdruck, der vielleicht am meisten überrascht. Einerseits bedeutet es, die Arbeit gut zu machen, mit Liebe, mit einem Blick für das Detail, wie ein verständiger Mensch eben arbeitet. Andererseits bedeutet es, sie in dem Wissen zu tun, dass wir in der Materialität dieser Arbeit an der Art und Weise teilhaben können, wie Gott seine Schöpfung liebt, das heißt die Menschen und die greifbare Wirklichkeit, in der diese sich entfalten. Diese Art und Weise drückt sich in Nähe, Zärtlichkeit und darin aus, dass Gott den Geschöpfen immer wieder neues Leben einhaucht. Die Teilhabe an dieser Sendung führt uns dazu, mitten in der Welt beschaulich zu sein. „Alle Werke der Menschen werden wie auf einem Altar verrichtet“, sagte der heilige Josefmaria, „und jeder von euch feiert in dieser Vereinigung der beschaulichen Seelen, die sein Alltag ist, gewissermaßen seine Messe, die vierundzwanzig Stunden dauert.“3
Die logische Folge dieser Begegnung mit Gott wird sein, dass wir unsere Arbeit stets darauf richten, den anderen in ihrer Eigenschaft als Kinder Gottes zu dienen und unsere Welt zu einer besseren Welt zu machen. Papst Franziskus hebt den Adel der Arbeit hervor: „Die Arbeit ist ein wesentliches Element für die Würde einer Person. Die Arbeit, um ein Bild zu gebrauchen, ,salbt‘ uns mit Würde, erfüllt uns mit Würde; sie macht uns Gott ähnlich, der gewirkt hat und wirkt, der immer am Werk ist.“4 Aber auch hier hat die Sünde ihre Spuren hinterlassen, was sich zum Beispiel darin äußern kann, dass unsere Arbeit nur noch auf die Erlangung sozialer oder wirtschaftlicher Anerkennung abzielt. Der heilige Josefmaria weist auf die Gefahr hin: „Es ist unerlässlich, dass der Mensch sich von der Arbeit nicht versklaven lässt, dass er sie nicht zum Götzen macht, indem er meint, in ihr den letzten und endgültigen Sinn des Lebens zu finden.“5 Und der heilige Johannes Paul II. warnte vor einem bloßen Verständnis der Arbeit „als Ware, in einer eiskalten Logik des Nutzens, um Wohlstand zu erwerben, zu konsumieren und so weiter zu produzieren“6. Auf den heiligen Josef zu blicken, Jesu Lehrer in der Arbeit, kann uns helfen, den wahren Wert unseres täglichen Schaffens stets neu zu entdecken; es nicht nur in ein irdisches Streben zu verwandeln, sondern das quid divinum darin zu entdecken, das göttliche Etwas, das uns mit Gott verbindet und uns für die anderen zu Vermittlern auch materieller Güter sowie der Fürsorge Gottes für jeden Menschen macht.
„OFT SAGE ICH“, so schrieb der heilige Josefmaria, „dass Zeiten des Gesprächs mit Jesus, der – im Tabernakel gegenwärtig – uns sieht und uns hört, nicht zu unpersönlichem Beten werden dürfen; und ich gebe dann zu bedenken, dass unser Betrachten zu einer Zwiesprache mit dem Herrn führen soll, die nicht notwendig artikulierte Worte, immer aber ein Heraustreten aus der Anonymität erfordert. […] Und jetzt möchte ich noch folgendes hinzufügen: Auch deine Arbeit soll persönliches Gebet sein, ein lebendiges Gespräch mit unserem Vater im Himmel. Wenn du die Heiligung in deiner beruflichen Tätigkeit und durch sie hindurch suchst, dann musst du aus ihr das Anonyme verbannen, damit sie persönliches Gebet wird.“7 Jede Stunde unserer Arbeit zu einer Stunde des Gebets zu machen, bedeutet nicht unbedingt, dass wir während unserer Berufsausübung Gebete sprechen. Mit unserer Arbeit beten bedeutet – abgesehen davon, dass wir sie durch ein inneres Leben nähren, das wir zu anderen Zeiten pflegen –, uns bewusst zu sein, dass wir gewissermaßen die Ohren und die Hände des Herrn sind. Und diese hören, pflegen und umsorgen mittels einer bestimmten praktischen oder geistigen Arbeit die Menschen und die Schöpfung, die uns anvertraut sind.
Bei einer öffentlichen Begegnung wandte sich einmal ein Herr folgendermaßen an den heiligen Josefmaria: „Ich bin Chirurg und habe zehn Kinder. Seit fünfzehn Jahren ist der Geist des Werkes mein Wegweiser und meine Kraft. Doch es gibt Tage, an denen mir meine beruflichen Pflichten meine ganze Zeit rauben. Was kann ich tun, um mich weiterhin zu heiligen und so zu leben, wie Gott es von mir will?“ Darauf antwortete der Gründer des Opus Dei: „Was tust du denn, wenn du dich um die Kranken kümmerst, wenn nicht eine quasi-priesterliche Arbeit? Du bist fast ein Priester und hast die Seele eines Priesters! Du heilst nicht nur die Wunden und Krankheiten des Leibes, sondern auch die der Seele, allein durch deinen Blick, durch deine Art und Weise, mit den Kranken umzugehen, durch ein passendes Wort, ein offenes Lächeln (...). Vom Morgen bis zum Abend und vom Abend bis zum Morgen bist du bei Gott.“8 Wenden wir uns an den Patriarchen, dessen Fest nun schon so nahe ist, um durch unsere Arbeit bestmöglich mit dem Herrn zusammenzuarbeiten. Papst Franziskus betete zu ihm: „O heiliger Josef, erweise dich auch uns als Vater und führe uns auf unserem Lebensweg. Erwirke uns Gnade, Barmherzigkeit und Mut.“9
1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 14.
2 Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 55.
3 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen von einer Betrachtung, 19.3.1968.
4 Franziskus, Audienz, 1.5.2013.
5 Benedikt XVI., Homilie, 19.3.2006.
6 Hl. Johannes Paul II., Generalaudienz, 1.5.1984.
7 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 64.
8 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einer Begegnung mit Familien, 17.11.1972.
9 Franziskus, Patris corde, Epilog.