Betrachtungstext: Osteroktav – Mittwoch

Die Jünger von Emmaus verlassen Jerusalem – Jesus begleitet uns immer auf unserem Weg – Gott im Brot und im Wort erkennen

ZWEI JÜNGER befinden sich am Sonntagabend mutlos und gedankenverloren auf dem Weg nach Emmaus. Die Traurigkeit spiegelt sich in ihrem müden Gang wider. Sie waren am späten Nachmittag aufgebrochen. In ihren Herzen nistete die Bitterkeit zerplatzter Hoffnungen. Sie hatten voll Begeisterung ihr Leben dem Herrn gewidmet, doch nach den Ereignissen dieser Tage erschien dies nun sinnlos. „Jenes Kreuz, das auf Golgota aufgerichtet worden war, war das beredte Zeichen einer Niederlage, mit der sie nicht gerechnet hatten“1, erklärte Papst Franziskus ihren Gemütszustand. Sie hatten den Worten Jesu Christi geglaubt, waren ihm durch die Straßen Galiläas und Judäas gefolgt, doch nun schien alles wie ein vergangener Traum.

An diesem Morgen hatten sie die Nachricht erhalten, dass das Grab Jesu leer sei. Niemand wusste, wohin sein Leichnam gebracht worden war. Ein paar Frauen behaupteten, er sei am Leben, doch die beiden Jünger beschlossen, diesem Bericht keinen Glauben zu schenken. Statt sich gegenseitig zu ermutigen und die Flamme der Hoffnung lebendig zu halten, steckten sie sich gegenseitig mit Entmutigung an. Sie hatten entschieden, Jerusalem zu verlassen und ihr altes Leben wieder aufzunehmen, diesmal ohne die Illusion von einem Messias und in ausreichender Entfernung von den anderen Jüngern. Die Lösung für ihre Bitterkeit lag jedoch kaum in der Isolation von den anderen, auf dem Pfad des Glaubens brauchen wir einander. Wenn sich der Horizont verdunkelt und wir keinen Ausweg finden, kann uns die Hoffnung derer, die uns nahestehen, Trost spenden. „Wenn wir auf Menschen ohne Hoffnung, wie die beiden Emmaus-Jünger, treffen, dann wollen wir – nicht im eigenen, sondern in Christi Namen – voller Glauben auf sie zugehen und ihnen sagen, dass die Verheißung Jesu nicht fehlgehen kann“2, ermutigt uns der heilige Josefmaria, einander zu stärken.

Der Herr weiß, was in der Tiefe dieser Herzen vor sich ging. Er wird nicht aufhören zu versuchen, an ihre Tür zu klopfen, wie er es bei jedem von uns tut. Der auferstandene Christus wartet auf den besten Moment, um an ihrer Seite zu gehen und sie wissen zu lassen, dass er sie nie wieder verlassen wird.


EIN GEHEIMNISVOLLER Wanderer kam hinzu und ging mit ihnen (Lk 24,13-35). Wie es auch anderen erging, haben die Jünger den Auferstandenen zunächst nicht erkannt, weil ihre Augen gehalten waren. Sie waren oft mit Jesus zusammen gewesen, vielleicht gehörten sie sogar zur Gruppe der Zweiundsiebzig, die bei vielen Wundern und außergewöhnlichen Ereignissen dabei gewesen waren. Doch nun fühlten sie seine Abwesenheit und sahen in dem Reisenden bloß einen anonymen Fremden. In Wirklichkeit war Jesus nie von ihrer Seite gewichen. Wir können uns die Szene gemeinsam mit dem heiligen Josefmaria so vorstellen: „Der Tag neigt sich zu Ende, eine leichte Brise weht. Ringsum Felder. Der Weizen ist schon fast reif, die alten Ölbäume schimmern silbrig im schwächer werdenden Licht. Jesus ist auf dem Weg. Groß bist du, o Herr! Bist es immer, aber es bewegt mich besonders, wenn ich sehe, wie du dich herablässt, um uns in unserem Alltag zu folgen, um uns zu suchen. Herr, gewähre uns die Einfalt des Geistes, den ungetrübten Blick, den klaren Verstand, damit wir dich erkennen, wenn du ohne jedes äußere Zeichen deiner Größe zu uns kommst.“3

Der Weg nach Emmaus „ist der Weg eines jeden Christen, ja eines jeden Menschen“4, betonte Papst Benedikt. Und auf diesem Weg ist Jesus unser Begleiter. Sicherlich steckt in jedem von uns ein wenig von diesen beiden Jüngern, denn wir sind hinfällig, und manchmal, wenn Schwierigkeiten auftreten, leicht zu entmutigen. Es gilt also, so lehrte Papst Franziskus, die Gewissheit neu zu beleben, dass „Jesus stets an unserer Seite ist, um uns Hoffnung zu schenken, um uns das Herz zu erwärmen und zu sagen: ,Bleib nicht stehen, ich bin bei dir.‘ Jesus geht mit uns in den schmerzlichsten Augenblicken, auch in den schlimmsten Augenblicken, auch in den Augenblicken der Niederlage: Dort ist der Herr. Das ist unsere Hoffnung. Gehen wir voran mit dieser Hoffnung! Denn er ist an unserer Seite.“5

Die Gegenwart Gottes besteht vor allem darin, zu wissen, dass wir von ihm immer liebevoll angeblickt werden. Es geht nicht so sehr um unsere persönliche Anstrengung, etwas zu tun oder zu sagen, auch wenn dies auch nicht fehlen wird; die Gegenwart Gottes ist vielmehr die Gewissheit, dass der Herr auf unser Leben blickt, wie es ein Vater und eine Mutter tun würden, wenn sie jede Sekunde auf ihr geliebtes Kind blicken könnten: um es wachsen zu sehen, um es zu ermutigen und um sich an seiner Persönlichkeit und der Art und Weise, wie es sich anderen gegenüber verhält, zu erfreuen.


KLEOPAS und sein Gefährte sprachen darüber, was sie in den letzten Tagen, den schmerzlichsten ihres Lebens, erlebt hatten. Der fremde Wanderer beginnt das Gespräch unaufdringlich, zurückhaltend fragend: Was sind das für Dinge, über die ihr auf eurem Weg miteinander redet? (Lk 24,17). Er lässt sie über ihren Verlust und ihre enorme Enttäuschung erzählen. Nachdem sie sich ausgesprochen haben, legt er ihnen dar, (...), was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht (Lk 24,27). Die Worte des menschgewordenen Gottes ließen ihre Herzen vor Hoffnung brennen. Er hatte sie aus ihrer Niedergeschlagenheit und Betrübnis herausgeholt.

Bleibe bei uns, Herr, sagten sie zu ihm, als Jesus sich anschickte, weiterzugehen. Ohne zu wissen, mit wem sie es zu tun hatten, wollte keiner von beiden seine Gesellschaft verlieren. Jesus blieb, ging mit in ihr Haus, setzte sich zu Tisch, nahm das Brot, sprach den Lobpreis, brach es und gab es ihnen (Lk 24,30). So pflegte er es mit seinen Jüngern stets zu tun, und so hatte er es auch beim letzten Abendmahl getan. In diesem Augenblick wurden ihnen die Augen geöffnet, und sie erkannten ihn beim Brechen des Brotes. Vielleicht entdeckten sie nun erstmals die Wunden an seinen Händen, die durch den Mantel verdeckt gewesen waren. Dann verschwand Jesus aus ihrem Blick und „ließ sie“, wie Papst Benedikt kommentiert, „voller Staunen zurück vor jenem gebrochenen Brot, dem neuen Zeichen seiner Gegenwart6.

In gewisser Weise sehen wir hinter dieser Szene das Bild einer besonderen Eucharistie. In jeder Messe wird Jesus gegenwärtig, um uns mit derselben Nahrung zu stärken, mit der er den Hunger der Jünger auf dem Weg nach Emmaus stillte: mit seinem Wort und seinem Brot. „Auch heute können wir ein Gespräch mit Jesus beginnen, indem wir auf sein Wort hören. Auch heute bricht er für uns das Brot und schenkt sich uns selbst als unser Brot“7, weist Papst Benedikt auf Parallelen hin und sagt weiter: „Auf diese Weise wird unser Glaube ein starker Glaube, da er sich nicht von menschlichen Ideen nährt, sondern vom Wort Gottes und von seiner wirklichen Gegenwart in der Eucharistie.“8 Diese verjüngt uns Tag für Tag im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. „Jesus bleibt“, holt auch der heilige Josefmaria die Begebenheit in unser Leben herein. „Unsere Augen werden geöffnet wie die des Kleopas und seines Gefährten, wenn Christus das Brot bricht; und selbst wenn er wieder aus unserem Blickfeld verschwindet, werden wir auch wieder – bei Einbruch der Nacht – aufbrechen können, um anderen von ihm zu erzählen, denn soviel Freude kann ein Herz allein nicht fassen.“9

Wir bitten Maria, dass wir aufmerksam hinhören, wenn der Herr auf dem Weg zu uns spricht, und dass wir ihren Sohn in den Ereignissen des Alltags und in der Eucharistie zu erkennen wissen.


1 Franziskus, Audienz, 24.5.2017.

2 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 316.

3 Ebd., Nr. 313.

4 Benedikt XVI., Regina Coeli-Gebet, 6.4.2008.

5 Franziskus, Audienz, 24.5.2017.

6 Benedikt XVI., Regina Coeli-Gebet, 6.4.2008.

7 Ebd.

8 Ebd.

9 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 314.