Betrachtungstext: 2. November – Allerseelen, Gedenktag für alle verstorbenen Gläubigen

Jesus verspricht uns eine Wohnung im Himmel – Die Seelen im Fegefeuer und unsere Fürbitte für sie – Hilfe für und durch die Seelen im Fegefeuer

Euer Herz lasse sich nicht verwirren, sagt Jesus heute zu uns. Glaubt an Gott und glaubt an mich. Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen (Joh 14,1-2). Der Allerseelentag ist eine Gelegenheit, die Wirklichkeit des ewigen Lebens wieder einmal zu überdenken und unser Streben auf die Hoffnung auszurichten, der wahren Liebe endgültig und für immer zu begegnen. Keiner von uns hat die Schwelle des Todes überschritten, wir wissen also nicht, wie dieser Moment sein wird. Gott wollte uns aber in seinem Sohn offenbaren, was uns in seinen Wohnungen erwartet.

„Gestern und heute haben viele einen Besuch auf dem Friedhof gemacht, der (...) eine ,Ruhestätte‘ ist, in Erwartung des endgültigen Erwachens“, so Worte von Papst Franziskus. „Jesus selbst hat offenbart, dass der Tod des Leibes einem Schlaf gleicht, aus dem er uns auferwecken wird. In diesem Glauben verweilen wir – auch geistlich – bei den Gräbern unserer Lieben, bei denen, die uns geliebt und uns Gutes getan haben. Doch heute sind wir aufgerufen, aller zu gedenken, auch derer, an die keiner sich erinnert.“1

Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, fährt Jesus fort, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin (Joh 14,3). Jesus möchte, dass wir im Tod eine große Hoffnung erkennen, sodass wir auch ein Leben der Hoffnung führen können. Papst Benedikt betont: „Der Mensch braucht Ewigkeit, und jede andere Hoffnung ist für ihn zu kurz, zu begrenzt. Der Mensch lässt sich nur erklären, wenn es eine Liebe gibt, die jede Grenze überwindet, auch die des Todes, in einer Ganzheit, die auch Raum und Zeit übersteigt.“2


„HERR, GIB IHNEN die ewige Ruhe und das ewige Licht leuchte ihnen3, beten wir heute zu Beginn der Heiligen Messe. Die Situation der gläubigen Verstorbenen, die den Himmel noch nicht erreicht haben, ist eine Situation des Leidens und der Wonne zugleich. Schmerz und Glückseligkeit sind im Fegefeuer auf geheimnisvolle Weise miteinander verknüpft. Der Grund für diese Freude ist die Gewissheit, dass sie Gott sehen werden: Sie haben den Kampf gewonnen, sie haben entschieden, auf Erden und im Himmel glücklich zu sein. Sie sind nur noch einen Schritt von der Herrlichkeit entfernt, und deshalb nennt die christliche Tradition sie „die Armen Seelen im Fegefeuer“.

Selbst die Leiden sind dort eine Quelle der Freude, denn die Seelen nehmen diese Leiden in völliger Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen an. Mit brennender, wenn auch noch unvollkommener Liebe beten sie das Geheimnis der Heiligkeit Gottes an. Papst Benedikt beruft sich auf die heilige Katharina von Genua, die vor allem für ihre Vision des Fegefeuers bekannt ist und „dieses nicht als Element der unterirdischen Welt darstellt. Es ist kein äußeres, sondern ein inneres Feuer. Das ist das Fegefeuer: ein inneres Feuer. Die Heilige spricht vom Weg der Läuterung der Seele auf die volle Gemeinschaft mit Gott hin, ausgehend von ihrer eigenen Erfahrung des tiefen Schmerzes aufgrund der begangenen Sünden angesichts der unendlichen Liebe Gottes (vgl. Vita mirabile, 171v).“4

In einem der eucharistischen Hochgebete, die das Messbuch enthält, bittet der Priester Gott im Namen aller: „Gedenke unserer Brüder und Schwestern, die entschlafen sind in der Hoffnung, dass sie auferstehen. Nimm sie und alle, die in deiner Gnade aus dieser Welt geschieden sind, in dein Reich auf, wo sie dich schauen von Angesicht zu Angesicht.“5 Von allen Opfern, die wir darbringen können, ist das Altarsopfer das wertvollste. Damit die Armen Seelen so schnell wie möglich ihre ewige Bestimmung erreichen, erlaubt die Kirche deshalb allen Priestern heute, dreimal die Heilige Messe zu feiern. Daneben ermutigt sie uns, für unsere Brüder und Schwestern, die „bereits den Schlaf des Friedens schlafen“, zu beten. Die Frömmigkeit des christlichen Volkes findet neben der Eucharistie in Andachten wie dem Rosenkranzgebet, dem Responsorium und in Werken der Buße einen echten Weg des Gebets, um für die Verstorbenen Fürsprache zu halten.


DIE GEMEINSCHAFT des ganzen mystischen Leibes Jesu Christi bedeutet, wie wir im Katechismus der Kirche lesen, dass „unser Gebet für die Verstorbenen nicht nur ihnen selbst helfen kann: wenn ihnen geholfen ist, kann auch ihre Fürbitte für uns wirksam werden.“6 Es ist also eine wechselseitige Hilfe möglich, welche viele Heilige sehr zu schätzen wussten. So bekräftigt etwa der heilige Alfons Liguori, dass wir glauben können, „dass der Herr ihnen unsere Gebete bekannt gibt, und dann unterlassen es diese sicher nicht, da sie ja voller Liebe sind, für uns zu beten“7. Die heilige Theresia von Lisieux bat die Armen Seelen oft um Hilfe, sah in ihrer Armut aber keine Möglichkeit, ihre Schuld zu bezahlen. In folgendem Gebet fand sie Frieden: „Mein Gott, ich bitte dich, begleiche die Schuld, die ich den Seelen im Fegefeuer gegenüber habe.“8 Auch der heilige Josefmaria verbündete sich mit ihnen und erklärte einmal: „Anfangs habe ich die Gesellschaft der Seelen im Fegefeuer sehr stark empfunden. Ich hatte das Gefühl, dass sie an meiner Soutane zupften und mich baten, ich solle für sie beten und mich ihrer Fürsprache anvertrauen. Aufgrund der enormen Dienste, die sie mir erwiesen, sage ich seit damals gerne – und ich predige es und bringe anderen Seelen diese Wirklichkeit nahe –: meine guten Freunde, die Seelen im Fegefeuer.“9

Diese Erfahrung der Heiligen zeigt uns, dass wir unsere Lieben über den Tod hinaus lieben können. „Kein Mensch ist eine geschlossene Monade“, erklärte in diesem Sinne Papst Benedikt.„Unsere Existenzen greifen ineinander, sind durch vielfältige Interaktionen miteinander verbunden. Keiner lebt allein. Keiner sündigt allein. Keiner wird allein gerettet. In mein Leben reicht immerfort das Leben anderer hinein: in dem, was ich denke, rede, tue, wirke. (…) Als Christen sollten wir uns nie nur fragen: Wie kann ich mich selber retten? Sondern auch: Wie kann ich dienen, damit andere gerettet werden und dass anderen der Stern der Hoffnung aufgeht? Dann habe ich am meisten auch für meine eigene Rettung getan.“10

Wenden wir uns jetzt an die Gottesmutter“, lädt uns Papst Franziskus ein, „die unter dem Kreuz das Drama des Todes Christi durchlitten und dann an der Freude über seine Auferstehung Anteil hatte. Sie, die Pforte des Himmels, helfe uns, den Wert des Fürbittgebets für die Verstorbenen immer mehr zu verstehen. Sie sind uns nahe!“11


1 Franziskus, Angelus-Gebet, 2.11.2014.

2 Benedikt XVI., Audienz, 2.11.2011.

3 Messe von Allerseelen II, Eröffnungsvers.

4 Benedikt XVI., Audienz, 12.1.2011.

5 Römisches Messbuch, Hochgebet II.

6 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 958.

7 Hl. Alfons Maria von Liguori, Das große Mittel des Gebetes, Teil 1, 3.

8 Hl. Therese vom Kinde Jesu, Letzte Gespräche, 6.8.1897.

9 Hl. Josefmaria, Worte, notiert 1967, in: Javier Echevarría, Memoria del Beato Josemaría Escrivá, Rialp, Madrid 2000, S. 187.

10 Benedikt XVI., Enzyklika Spe salvi, Nr. 48.

11 Franziskus, Audienz, 2.11.2014.

Foto: Yukon Haughton (unsplash)