Betrachtungstext: 5. Osterwoche - Sonntag (C)

Das Kreuz ist Weg zur Herrlichkeit - Unsere Liebe ist die Kontinuität der Liebe Jesu - Liebe beginnt zu Hause

NACH DER Fußwaschung, bei Tisch, bricht Jesus das Schweigen und öffnet sein Herz: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht und Gott ist in ihm verherrlicht. Wenn Gott in ihm verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen und er wird ihn bald verherrlichen (Joh 13,31-32). Der Reichtum dieser Worte lässt sich im Kontext des jüdischen Versöhnungsfestes verstehen, bei dem der Hohepriester das Opfer für sich selbst, für die anderen Priester und schließlich für das ganze Volk darbringt. Ziel war es, Israel wieder das Bewusstsein zu geben, mit Gott versöhnt und das auserwählte Volk zu sein.

Im hohepriesterlichen Gebet jener Nacht wendet sich Jesus, Stunden bevor er sich am Kreuz hingibt, an den Vater. Er, Priester und Opfer, betet für sich, für die Apostel und für alle, die an ihn glauben werden, für die Kirche aller Zeiten (vgl. Joh17,20)1. Und diese Verherrlichung, von der der Herr spricht, ist der volle Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes. Diese Bereitschaft und diese Bitte sind der erste Moment des neuen Priestertums Jesu: Es ist die völlige Selbsthingabe am Kreuz, und gerade am Kreuz – dem Akt der höchsten Liebe – wird er verherrlicht, denn die Liebe ist die wahre Herrlichkeit, die göttliche Herrlichkeit.2

Wahre Liebe bedeutet, aus dem eigenen Ich heraustreten, sich hingeben. Echte Liebe bringt Freude mit sich - und die Wurzeln dieser Freude haben die Gestalt des Kreuzes3.Dies ist ein Geheimnis, das im Licht der Auferstehung Jesu seinen Sinn gefunden hat. Jedes Mal, wenn wir den Blick auf das Bild des gekreuzigten Christus richten, denken wir, dass er als ein wahrer Diener des Herrn seine Sendung erfüllt hat, indem er sein Leben hingegeben und sein Blut zur Vergebung der Sünden vergossen hat4.

ALS JESUS seinen Aposteln ankündigt, dass er diese Welt verlässt (vgl. Joh 13,33), verkündet er ein neues Gebot: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt (Joh 13,34-35). Wenn die Liebe, mit der wir Christen leben, eine Kontinuität der Liebe Jesu ist, wird seine Gegenwart unter uns verlängert.

Es ist bemerkenswert, dass Jesus dieses Gebot als "neu" bezeichnete, da Gott bereits im Alten Testament das Gebot der Liebe verkündet hatte. Neu ist jedoch die Art und Weise und der Ursprung dieser Liebe: Neu ist, "zu lieben, wie Jesus geliebt hat". Das ist es, was uns zu neuen Menschen macht, denn es bedeutet, den anderen das Leben zu geben, wie er es gegeben hat; mehr noch: Christus selbst in uns wirken zu lassen. "Die Einfügung unseres Selbst in das seine - "Ich lebe, aber nicht ich, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2,20) - ist das, was wirklich zählt (...). Das neue Gebot ist nicht einfach eine neue und höhere Anforderung. Sie ist mit der Neuheit Jesu Christi verbunden, indem man sich immer mehr in ihn vertieft" [5]5.

Die Liebe des Gottessohnes, der unter uns gelebt hat, ist in Wirklichkeit die Quelle aller Liebe: Sie hat keine Grenzen, sie umfasst alle, sie ist fähig, Schwierigkeiten in Anlässe zu verwandeln, um mehr zu lieben. Um es mit den Worten des heiligen Josefmaria zu sagen, können wir Gott mutig bitten: Schenke mir, Herr, die Liebe, mit der Du von mir geliebt werden willst!6

INDEM JESUS uns das neue Gebot gibt, sendet er uns, aus seiner Liebe zu leben, damit wir ein glaubwürdiges und wirksames Zeichen dafür sind, dass das Reich Gottes in die Welt gekommen ist. Durch unsere Art zu lieben zeigen wir unseren Zeitgenossen, dass in der Tat alles erneuert worden ist. Die Heiden des ersten Jahrhunderts staunten über diese neue Nächstenliebe und sagten: Seht, wie sie einander lieben und wie sie bereit sind, füreinander zu sterben!7 Die Atmosphäre unter den ersten Christen rief rundum Erstaunen hervor. Die Atmosphäre unter den ersten Christen überraschte die Heiden: Sie lieben einander, noch bevor sie einander kennen8, berichtet ein heidnischer Autor an den Kaiser in Rom.

Die Liebe beginnt im eigenen Haus, sagte die heilige Teresa von Kalkutta. Zuerst ist da deine Familie, dann deine Stadt. Es ist leicht, so zu tun, als ob man Menschen liebt, die weit weg sind, aber viel weniger leicht, diejenigen zu lieben, die ganz nah bei uns leben9. Vor allem den Menschen, die uns am nächsten stehen, zeigen wir die Liebe, die wir von Jesus erhalten haben. Indem sie die Unterschiede überwinden und auf das schauen, was untereinander verbindet, versuchen die Christen, eine Liebe zu leben, die sich in konkreten Dingen manifestiert: Jesus selbst (...) über ganz konkrete Dinge: die Hungrigen speisen, die Kranken besuchen.(...)Wenn eine solche Konkretheit nicht vorhanden ist, dann endet man damit, ein Christentum voller Illusionen zu leben, weil man nicht genau versteht, wo der Mittelpunkt der Botschaft Jesu ist10.

Andere so wie Christus zu lieben, ist nur mit der Kraft möglich, die er uns vor allem in der Eucharistie vermittelt. In der Eucharistie weitet sich unser Herz. Maria ist auch, zusammen mit ihrem Sohn, das Vorbild dieser großzügigen und vollkommenen Liebe, die alle Hindernisse zu überwinden weiß.


1 Benedikt XVI., Generalaudienz, 25. Januar 2012.

2 Ebd.

3 Hl. Josefmaria, Feuer, Nr. 28.

4 Papst Franziskus, Angelus, 30-VIII-2020.

5 Benedikt XVI., Jesus von Nazareth, II, Kap. III, S. 82-83.

6 Hl. Josefmaria, Feuer, Nr. 270.

7 Tertullian, Apologeticum, c. 39.

8 Minucius Felix, Octavius, c. 9.

9 Hl.Teresa von Kalkutta, Der Weg der Einfachheit.

10 Papst Franziskus, Predigt, 9. Januar 2014.