Betrachtungstext: 31. Woche im Jahreskreis – Freitag

Sich persönlich auf Gott einlassen – Die Schläue des „guten” Schächers – Gott mit kindlichem Zutrauen behandeln

IM GLEICHNIS, das wir im heutigen Evangelium hören, ruft der untreue Verwalter die Schuldner seines Herrn zu sich. Seine Entlassung steht unmittelbar bevor, daher will er mit ihnen ihre Schulden neu verhandeln und sich so eine Lebensgrundlage für die Zeit danach sichern. Großzügig kommt er jedem entgegen: Nimm deinen Schuldschein, setz dich gleich hin, und schreib ,fünfzig‘ (Lk 16,6). Ein wiffer Mensch sieht die Dinge voraus und baut vor. Jesus lobt den Diener in diesem Gleichnis, der vorausschauend handelt; er ermutigt uns, wenigstens die gleiche Schlauheit in Bezug auf die Dinge seines Vaters zu haben wie diejenigen, denen es nur um ihre Geschäfte geht. Der untreue Verwalter war gerissen und überlegte genau, was das Beste für ihn war. Er sorgte dort vor, wo ihm in Zukunft etwas fehlen könnte. Papst Franziskus ermuntert uns, unter einem anderen Vorzeichen ebenso schlau zu sein: „Wir sind aufgerufen, einer solchen weltlichen Klugheit mit der christlichen Klugheit zu begegnen, die ein Geschenk des Heiligen Geistes ist.1 Ihn wollen wir bitten, uns die Kreativität und Entschlossenheit zu schenken, um die Wünsche des Herrn Wirklichkeit werden zu lassen.

Der heilige Augustinus fragte sich: „Für welches Leben hat dieser Verwalter Vorkehrungen getroffen? Und wenn er für das Leben vorsorgte, das ein Ende hat, wirst du dann nicht für dein ewiges Leben vorsorgen?“2 Natürlich erwartet Jesus von seinen Jüngern nicht die Treulosigkeit dieses Verwalters; er möchte, dass wir uns auf intelligente Weise in seine göttliche Mission einbringen, dass wir alle unsere Gaben und Talente ins Spiel bringen. Er will nicht, dass sein Reich in uns etwas von außen Auferlegtes ist, sondern dass wir es wirklich wollen, dass wir entdecken, dass darin unser Glück liegt. Wir hätten ja gerne, dass alles, was von Gott ist, auch von uns ist; wir möchten viel eher seinem Sohn gleichen als dem Verwalter im Gleichnis. Wie der heilige Josefmaria schrieb: „Lieben heißt, von einem einzigen Gedanken durchdrungen sein: nur für den geliebten Menschen zu leben, sich nicht mehr selbst zu gehören, in seliger Freiheit Herz und Seele einem anderen Willen zu unterwerfen – der zugleich der eigene Wille ist.3


AUF DEM Gipfel des Kalvarienbergs hängen zwei Räuber am Kreuz, die den Sack, in dem sie ihre Beute sammelten, platzen sahen. Einer der beiden hat sich in sein Schicksal ergeben und legt dies auch seinem Kollegen nahe, der unentwegt jammert. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan (Lk 23,41). Doch seine Profession hat ihn auch clever gemacht, und so versucht er es mit einem letzten Ausweg. Er blickt Jesus an und richtet eine überraschende Bitte an ihn: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst (Lk 23,42). Er fühlt sich nicht stark genug, um etwas Konkretes zu erbitten. Die Erinnerung ist ihm genug. Vielleicht spürt er, dass er, falls er Erfolg hat, nicht allein sein würde, wohin auch immer der Tod ihn führen mochte. Jesus antwortet ihm: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein (Lk 23,43).

Irgendwie macht dieser gute Schächer das Gegenteil von dem, was der untreue Verwalter machte. Er war schon oft vom richtigen Weg abgekommen, aber er ist nicht bereit, noch einmal fehlzugehen, er hat nur noch eine Chance. Jesus kennt seine tiefsten Sehnsüchte und erfüllt sie reichlich. Bei Jesus ist man am besten daran, wenn man ihn direkt und ohne Umschweife anspricht. Papst Franziskus nennt noch ein anderes Beispiel für „heilige Schläue“, das heißt „jene geistliche Gerissenheit, die uns Gefahren erkennen und vermeiden lässt. Die Sterndeuter wussten dieses Licht der ,Schläue‘ zu nutzen, als sie auf der Rückreise entschieden, nicht den Weg über den dunklen Palast des Herodes zu nehmen, sondern auf einem anderen heimzukehren.“4

Wir wollen nicht naiv sein und denken, dass es keine Gefahren gibt, dass wir unbezwingbar sind. Wir wissen, wie attraktiv Paläste wie der des Herodes sind. Wir spüren, dass der Dieb eine schmerzhafte innere Umkehr durchgemacht haben muss. Doch uns hilft die Schläue, dort Zuflucht zu suchen, wo uns nichts von unserer Liebe entfernen kann, und uns drängt sie, vor Jesus nicht zu schweigen, sondern ihm ohne Umschweife zu offenbaren, was in den Tiefen unserer Seele vor sich geht.


IN UNSERER Beziehung zu Gott sollten wir den Rat des heiligen Paulus nicht vergessen: Täuscht euch nicht: Gott lässt seiner nicht spotten; denn was der Mensch sät, wird er auch ernten. Denn wer auf sein eigenes Fleisch sät, wird vom Fleisch Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, wird vom Geist ewiges Leben ernten (Gal 6,7-8). Vor Gott lohnen sich absolute Aufrichtigkeit und völlige Einfachheit immer, denn er kennt unser Innerstes. Allerdings kosten diese Tugenden Mühe, denn wir müssen gelegentlich anerkennen, dass wir fehlbar sind oder uns irren.

Die Früchte des gesunden Realismus, der Offenheit gegenüber Gott, stellen sich dabei unmittelbar ein. Der heilige Josefmaria hält ein persönliches Erlebnis fest: „Nachdem ich meine Armseligkeit erwogen hatte, Jesus, sagte ich dir: Lass dich von diesem deinem Sohn beschwindeln, wie diese guten, herrlichen Eltern, die ihrem Kind das Geschenk zustecken, das der Kleine ihnen dann ,schenken‘ wird, ... Auch das Kind weiß ja, dass es von sich aus nichts schenken könnte. Und wie selig jauchzen dann Vater und Kind, auch wenn beide Bescheid wissen!5 Wer so an uns herantritt, fragt nicht nach dem, was ihm zusteht, sondern hat diese Logik verlassen und bittet unbeschwert mit heiligem Zutrauen. Der heilige Josefmaria bekräftigte, dass wir von den Kindern lernen können, mit Gott umzugehen: „Als ich mit Kindern arbeitete, lernte ich von ihnen, was ich ,Leben der Kindschaft‘ nannte ... Ich lernte von ihnen: von ihrer Einfachheit, ihrer Unschuld, ihrer Offenheit. Vom Betrachten, dass sie um den Mond baten und ihn bekommen mussten. Ich musste Gott um den Mond bitten: Mein Gott, der Mond bitte!“6

Der heilige Josefmaria beschrieb einmal ausführlich, was Gott gefällt und was nicht: „Jesus weiß nichts anzufangen mit berechnender Schläue, mit der Grausamkeit eines kalten Herzens, mit augenfälliger, aber leerer Schönheit. Unser Herr schätzt die Freude eines jungen Herzens, den einfachen Schritt, eine Stimme ohne Falsch, rein blickende Augen, ein Ohr, das seinem liebevollen Wort Aufmerksamkeit schenkt.“7 Wir wollen eine gesunde kindliche Schläue hegen, um alles von Gott zu empfangen und uns mehr auf seine Kraft zu verlassen und weniger auf unsere eigene. Maria ist uns nahe und weist uns mütterlich den Weg, den wir gewitzt gehen müssen.


1 Franziskus, Angelus-Gebet, 18.9.2016.

2 Hl. Augustinus, Rede 359A, 10.

3 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 797.

4 Franziskus, Predigt, 6.1.2014.

5 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Punkt 195.

6 Hl. Josefmaria, Notizen von einem Gespräch mit Priestern, 26.7.1974.

7 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 181.