Betrachtungstext: 29. August – Martyrium von Johannes dem Täufer

Der Martyrium des Johannes nimmt den Tod Christi vorweg – Nur Jesus soll leuchten – Die Wahrheit mit Freude verteidigen

DER MÄRTYRERTOD von Johannes dem Täufer, dessen wir heute gedenken, ereignete sich, während Jesus in Galiläa predigte. Johannes hatte Herodes auf seine Verderbtheit und die Unordnung hingewiesen, die das Zusammenleben mit Herodias, der Frau seines Bruders, bedeutete. Obwohl Herodes den Prediger hatte einsperren lassen, respektierte er ihn als einen gerechten und heiligen Mann und hörte ihm gern zu (Mk 6,20). Doch als die Tochter der Herodias anlässlich des Geburtstagsfestes des Herrschers vor den Gästen tanzte, versprach dieser in seiner Verzücktheit, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Auf Drängen ihrer Mutter verlangte das Mädchen den Kopf des Täufers. Ungern ließ Herodes Johannes enthaupten. Der Überlieferung nach geschah dies auf der Festung Machaerus am Toten Meer, wo Johannes inhaftiert war. Seine Jünger begruben seinen Leichnam später in Sebaste, Samaria.

Ein Kirchenvater rühmte den Täufer in einer Predigt mit folgenden Worten: „Er war eingesperrt in der Finsternis eines Kerkers, er, der gekommen war, das Licht zu bezeugen, er, der es verdient hatte, aus dem Munde Christi selbst (...) als ,brennende und leuchtende Fackel‘ bezeichnet zu werden. Er wurde mit seinem eigenen Blut getauft, er, dem es zuvor vergönnt war, den Erlöser der Welt zu taufen.“ Und er fügte hinzu: „So ging Johannes dem Messias in seiner Geburt, in seiner Predigt und in seiner Taufe voraus und kündigte mit seinem Martyrium das Leiden des Herrn an.“1

Johannes wird als der Vorläufer bezeichnet, weil er durch sein treues Zeugnis für die Wahrheit (Joh 5,33) Jesus im Leben und im Tod vorausging. Die Sendung des Johannes ist so eng mit der von Christus verbunden, dass er der einzige Heilige im römischen Kalender ist, dessen Geburt (am 24. Juni) ebenso gefeiert wird wie (am 29. August) sein Tod. Auf diese Weise wird betont, was Jesus selbst sagte, nämlich dass unter den von einer Frau Geborenen kein Größerer aufgetreten ist als Johannes der Täufer (Mt 11,11). Am Tag seines Martyriums bitten wir ihn, uns zu helfen, wie er Vorläufer Jesu zu sein und den anderen zu verkünden, dass es keine größere Freude gibt, als für den Gottessohn zu leben und sogar das Leben hinzugeben.


WENIGE Monate vor seinem Martyrium, kurz nach der Taufe des Herrn, teilte Johannes seinen Jüngern mit, dass seine Mission erfüllt sei: Er muss wachsen, ich aber kleiner werden (Joh 3,30). Für ihn war die Zeit gekommen, beiseite zu treten, damit Jesus ins Zentrum rücken konnte. Johannes sprach mit großer Gelassenheit und erklärte sogar, dass seine Freude vollkommen sei: Diese Freude hat sich nun bei mir vollendet (Joh 3,29). Nun war es so weit, dass die Stimme des Bräutigams erklang (Joh 3,29), der das Reich Gottes verkündete, und Menschen vor dem Sohn Gottes niederknieten.

Wie dem Täufer kann es auch uns passieren, dass Menschen Bewunderung für uns empfinden, weil wir ihnen im Umgang mit Gott Horizonte eröffnen. Das ist begreiflich: Wenn wir ihnen etwas übermitteln, das ihnen hilft, den Weg zum Glück zu finden, ist es nur natürlich, dass sie uns mit Wertschätzung betrachten. Umgekehrt tut es uns gut, uns mit Dankbarkeit an all jene zu erinnern, die uns geholfen haben, unsere ersten Schritte im Glauben zu machen: Eltern, Brüder und Schwestern, Priester, Freunde, Lehrer ...

Doch wir sind nicht die Hauptakteure bei der Weitergabe dieses kostbaren Gutes. „Der Herr soll im Vordergrund stehen und Licht sein“2, sagte der heilige Josefmaria. Der Kern unseres Evangelisierungseifers besteht darin, den Namen des Herrn bekannt zu machen. Der Apostel stellt sich nicht selbst in den Mittelpunkt; seine Werke sind zwar wertvoll, aber sekundär. Alles zielt darauf ab, wie der heilige Josefmaria es ausdrückte, „dass unsere Mitmenschen Christus suchen, dass sie Christus finden, dass sie mit Christus Umgang haben, dass sie Christus folgen, dass sie Christus lieben, dass sie bei Christus bleiben“3 Genau das tat Johannes der Täufer, bis seine Anhänger Jesus entdeckten. Auch wenn seine Mission menschlich betrachtet als Misserfolg erscheint – er wurde von den Massen bewundert und kam dann einsam im Gefängnis zu Tode –, war sie in Wirklichkeit ein Triumph. Denn durch seine Arbeit fanden viele Männer und Frauen zu Jesus als dem Messias.


„DIE FEIER des Martyriums des heiligen Johannes des Täufers erinnert uns Christen in unserer heutigen Zeit daran“, so sagte Papst Benedikt, „dass die Liebe zu Christus, zu seinem Wort, zur Wahrheit keine Kompromisse zulässt.“4 Das heutige Evangelium zeigt uns auf der einen Seite Herodes, der ein zu schwach war, um seinen Überzeugungen treu zu bleiben. Denn obwohl er wusste, dass Johannes ein gerechter Mann war, ließ er sich von der Angst leiten, vor seinen Gästen und der Tochter der Herodias das Gesicht zu verlieren, und beging letztlich eine Tat, die er eigentlich nicht wollte: Er übergab den Täufer dem Henker. Herodes, der den Worten des Täufers zwar gerne gelauscht hatte, doch sein Herz nicht bekehren wollte, war auch nicht fähig, den Lauf der Dinge zu ändern, als der Kopf des Johannes gefordert wurde. Auf der anderen Seite wird uns Johannes vorgestellt, der bereit war, für das, was wirklich wertvoll ist, zu sterben. Wenn wir das Leben des Täufers und insbesondere das Leben des Herrn betrachten, entdecken wir, dass die Wahrheit vom Kreuz nicht getrennt werden kann. Die Wahrheit provoziert uns oft und ist, wie Kardinal Ratzinger schrieb, „nichts Billiges. Sie ist anspruchsvoll, und sie brennt. Zur Botschaft Jesu Christi gehört eben auch die Herausforderung, die wir in diesem Streit mit seinen Zeitgenossen finden (…). Wer sich nicht brennen lassen will, wer zumindest nicht dazu bereit ist, kommt auch nicht in seine Nähe.“5

Wir Christen sind aufgerufen, die Wahrheit attraktiv darzustellen, indem wir mutig Zeugnis für unseren Glauben ablegen und zeigen, dass es beglückender ist, in der Wahrheit zu leben, als ihr aus dem Weg zu gehen. Daher sagte der Gründer des Opus Dei: „Wenn du dich in deine apostolische Aufgabe stürzt, halte dir vor Augen, dass es dabei immer darum geht, die Menschen glücklich, sehr glücklich zu machen: Die Wahrheit ist von der echten Freude nicht zu trennen.“6 Die wohltuende Wirkung der Wahrheit aufzeigen – das ist eine gute Definition für das Apostolat, denn sie vereint Liebe, Wahrheit und Güte. Die nackte Wahrheit ohne Liebe wirkt abstoßend und erscheint vielen unerreichbar. Deshalb sagte der heilige Josefmaria, dass das Beispiel und der Eifer eines Christen nicht „wie eine arrogante moralische Ohrfeige für den Nächsten“ sein sollen, sondern „wie glühende Kohle, die alles, was sie berührt, entzündet“7 und zugleich Frieden und Freude sät. Wir bitten die Jungfrau Maria, uns jene Leidenschaft für die Wahrheit zu schenken, die Johannes dazu bewegte, sein Leben mit Freude hinzugeben.


1 Hl. Beda, Predigten 2,23.

2 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 624.

3 Hl. Josefmaria, Brief 7, Nr. 12.

4 Benedikt XVI., Audienz, 29.8.2012.

5 J. Ratzinger, Gott und die Welt, Deutsche Verlagsanstalt 2000, 191f.

6 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 185.

7 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 578, 570.