DAS EVANGELIUM von Lukas hebt besonders die universale Bestimmung der Heilsbotschaft des Herrn hervor. Ein Beispiel dafür ist die Erzählung von den heiligen Drei Königen, vornehmen Männern aus dem Orient, die kamen, um den neugeborenen König der Juden zu verehren. Lukas‘ Quelle für diese Geschichte war vermutlich Maria selbst. Der Bericht macht deutlich, dass das neue Volk Gottes nicht auf eine Nation beschränkt sein wird, sondern dass Christus gekommen ist, um allen Menschen die Frohe Botschaft zu verkünden.
Zu Beginn seines öffentlichen Lebens begab sich Jesus nach Nazaret, die Stadt, in der er seine Kindheit verbracht hatte. Am Sabbat ging er in die Synagoge und stand auf, um vorzulesen (Lk 4,16). Er entrollte das Buch Jesaja und verlas die Worte des Propheten: Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht (Lk 4,18; Jes 61,1-2). Nach Beendigung der Lesung rollte er die Schrift wieder zusammen und setzte sich, während alle gespannt auf ihn blickten. Dann brach er das Schweigen mit den Worten: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt (Lk 4,21).
Das Leben Jesu ist geprägt von der Verkündigung des Heils an die gesamte Menschheit. Die Wunder, die er wirkt – wie sie Jesaja vorausgesagt hatte –, bestätigen, dass das Reich Gottes bereits angebrochen ist. Sie bezeugen den endgültigen Sieg über Satan und zeigen Gottes Macht, den Menschen vor dem Bösen zu retten, das seine Seele bedroht. Dabei beschränkt sich der Herr nicht darauf, seine Wunder unter den Juden zu wirken, sondern lässt auch Fremde daran teilnehmen. Seine Liebe kennt keine Grenzen. Ohne weitere Bedingungen zu setzen, fordert er uns lediglich dazu auf, uns ihm in Demut und Glauben zu nähern. Papst Franziskus betonte in einer Predigt: „Der Anfang des christlichen Lebens liegt nicht darin, würdig zu sein; mit denen, die sich für gut hielten, konnte der Herr nur sehr wenig anfangen. Wenn wir uns für besser halten als die anderen, ist das der Anfang vom Ende. Der Herr vollbringt keine Wunder an denen, die sich für gerecht halten, sondern an denen, die wissen, dass ihnen etwas fehlt. Er wird nicht von unseren Fähigkeiten angezogen, sie sind auch nicht der Grund dafür, dass er uns liebt. Er liebt uns so, wie wir sind, und er sucht Menschen, die nicht selbstzufrieden sind, sondern die bereit sind, ihm ihre Herzen zu öffnen.“1
DER GEIST des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt (Lk 4,18). Im Alten Testament war die Salbung mit heiligem Öl ein Zeichen dafür, dass Gott jemanden auserwählt hatte und ihn bei seiner Mission begleiten würde. Als Christen sind wir in der Taufe gesalbt worden. Durch sie werden wir, wie es im Katechismus heißt, „von der Sünde befreit und als Söhne Gottes wiedergeboren; wir werden Glieder Christi, in die Kirche eingefügt und an ihrer Sendung beteiligt“2. So wie das Leben Jesu die Barmherzigkeit Gottes offenbarte, kann auch unser Leben mit Gottes Gnade seine Liebe zu den Menschen sichtbar machen. Diese apostolische Sendung verwirklichen wir vor allem im Alltag, indem wir uns um die Menschen kümmern, mit denen wir regelmäßig zu tun haben.
Papst Franziskus betonte, dass die christliche Sendung kein Schmuck oder Anhang ist, den man ablegen kann, sondern unser innerstes Wesen kennzeichnet: „Ich bin eine Mission auf dieser Erde, und ihretwegen bin ich auf dieser Welt. Man muss erkennen, dass man selber ,gebrandmarkt‘ ist für diese Mission, Licht zu bringen, zu segnen, zu beleben, aufzurichten, zu heilen, zu befreien. Da zeigt sich, wer aus ganzer Seele Krankenschwester, Lehrer, Politiker ist – diejenigen, die sich zutiefst dafür entschieden haben, bei den anderen und für die anderen da zu sein. Wenn hingegen jemand berufliche Pflicht und Privatsphäre trennt, wird alles grau, und er sucht ständig nur nach Anerkennung oder verteidigt bloß seine persönlichen Bedürfnisse.“3
Durch die Taufe wurden wir gesalbt, um am Liebeswerk Jesu mitzuwirken und an seiner universalen Erlösungssendung teilzuhaben. Der heilige Josefmaria schrieb: „Der Christ weiß, dass er durch die Taufe Christus einverleibt und durch die Firmung befähigt ist, für Christus zu kämpfen; er weiß, dass er berufen ist, durch seine Teilhabe am königlichen, prophetischen und priesterlichen Amt Christi in der Welt zu wirken; er weiß sich durch die Eucharistie, dem Sakrament der Einheit und Liebe, eins mit Christus. Darum muss er, wie Christus, auf seine Mitmenschen hin leben und mit Liebe auf alle und jeden Einzelnen und die ganze Menschheit blicken.“4
NACHDEM JESUS offenbart hat, dass sich Jesajas Prophezeiung des Messias in seiner Person erfüllt hat, ging er auf mögliche Einwände seiner Landsleute ein – Einwände, die sie aus Neid oder Engstirnigkeit gegen die Wunder, die er in Galiläa gewirkt hat, erheben würden. Amen, ich sage euch: Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt (Lk 4, 24). Und um ihnen die Universalität der Liebe Gottes zu verdeutlichen, führt er zwei Beispiele aus der Bibel an: Der Prophet Elija wurde in einer Zeit, in der es viele jüdische Witwen gab, gesandt, um ausgerechnet einer phönizischen Frau zu helfen. Ebenso heilte der Prophet Elischa in einer Zeit, in der es in Israel viele Aussätzige gab, ausgerechnet einen syrischen Mann. Als die Leute in der Synagoge das hörten, gerieten sie alle in Wut. Sie sprangen auf und trieben Jesus zur Stadt hinaus; sie brachten ihn an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt erbaut war, und wollten ihn hinabstürzen (Lk, 28-29).
Zu Beginn seiner Erlösungsmission stieß Jesus auf Bewunderung und Dankbarkeit. Die Menschen staunten über seine Werke und nahmen seine Botschaft freudig auf. Doch bald begegnete er auch dem Widerstand einiger Juden, die auf ihre eigenen Vorstellungen fixiert waren. Ähnliches erleben Christen in ihrer Sendung heute: Neben jenen, die die Frohe Botschaft mit Begeisterung annehmen, gibt es auch solche, die sie ablehnen. Das Ausbleiben sichtbarer Früchte könnte uns gelegentlich entmutigen, die Reaktion, die wir vielleicht bei anderen hervorrufen, könnte uns erschrecken. Der heilige Josefmaria macht uns jedoch Mut, indem er darauf hinweist, dass Gott auch dann am Werk ist, wenn unser Handeln unfruchtbar erscheint: „Mag ein Herz auch noch so tief in die Sünde verstrickt sein, immer glimmt in ihm, wie unter der Asche, ein edler Funke. Und sooft ich an ein solches Herz geklopft habe, allein und mit dem Wort Christi, hat es geantwortet.“5
Täglich erinnern wir uns im Gebet an die Sendung, die unser ganzes Leben umfasst, und bitten Gott um Gnade, damit wir fähig werden, auf andere zuzugehen, ihnen zu dienen und durch unsere Worte und Taten die Barmherzigkeit Jesu zu vermitteln. Papst Franziskus spornt uns in seinem apostolischen Schreiben über die Freude der Evangelisierung an: „Brechen wir auf, gehen wir hinaus, um allen das Leben Jesu Christi anzubieten! (…) Mir ist eine .verbeulte‘ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die krank ist aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern.“6 Bitten wir die Jungfrau Maria, uns zu helfen, mutig die Aufgabe zu übernehmen, unseren Mitmenschen die Liebe ihres Sohnes zu überbringen.
1 Franziskus, Predigt, 29.6.2019.
2 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1213.
3 Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 273.
4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 106.
5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 74
6 Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 49.