ACHTET sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht wie Toren, sondern wie Kluge! (Eph 5,15), hören wir den heiligen Paulus in der zweiten Lesung sagen. Und um den Unterschied zu verdeutlichen, fügt er hinzu: Klug ist, wer die Zeit nutzt (vgl. Eph 5,16). Wenn wir einen Moment innehalten und überlegen, stellen wir fest, dass die Zeit kurz (1 Kor 7,29) ist. Deshalb tut es uns leid, wenn wir sie verlieren, als hätten wir einen kostbaren Schatz vergeudet. Leben heißt, die Zeit gut zu investieren, die uns für unsere Pilgerschaft auf Erden gegeben ist. Der kluge Mensch ist derjenige, der die richtigen Investitionen tätigt. „Die Zeit ist ein Schatz, der schwindet. Sie rinnt durch unsere Finger wie das Wasser durch die Felsen“, schrieb der heilige Josefmaria. „Das Gestern ist vorbei, das Heute gleitet gerade vorüber, und bald schon wird das Morgen ein weiteres Gestern sein. Das Leben ist von geringer Dauer, und doch: Wieviel kann man in dieser kurzen Zeitspanne aus Liebe zu Gott vollbringen!“1
Bei der Investition unserer Zeit geht es nicht darum, viele Dinge zu tun oder viele mehr oder weniger lohnende Erfahrungen zu sammeln. Es ist Jesus, die fleischgewordene Weisheit Gottes, der uns in eine neue Logik des Umgangs mit der Zeit einführt: Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen? (Mt 16,25-26). Wenn wir unser Leben dem Herrn überlassen, wenn wir die Zeit, die er uns geschenkt hat, in seine Hände zurücklegen, ermöglichen wir ihm, unsere Zeit zu erlösen. Darum seid nicht unverständig, fährt der heilige Paulus fort, sondern begreift, was der Wille des Herrn ist! (Eph 5,17). Christus offenbart uns seinen Willen, wenn er sich als Richter präsentiert, vor dem wir Rechenschaft darüber ablegen werden, wie wir die erhaltene Zeit genutzt haben. Sein Urteil wird sich, wie wir wissen, auf die Werke stützen, die wir für andere getan haben. Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan (Mt 25,40). Die Zeit für diejenigen verlieren, die sie am meisten brauchen, bedeutet, sie für Jesus verlieren. So gewinnen wir wahres Leben und füllen unser Handeln mit Ewigkeit. „Von nun an habt es eilig damit, zu lieben“2, ermunterte uns der heilige Josefmaria. Dies ist die allervernünftigste Haltung dessen, der weiß – wie ein spanischer Dichter schrieb –, dass man die Münze, die man in der Hand hat, vielleicht behalten sollte; die kleine Münze der Seele hingegen geht verloren, wenn man sie nicht ausgibt.3
DIE WEISHEIT, von der die Heilige Schrift spricht, ist keine rein intellektuelle Fähigkeit. Schon das lateinische Wort sapientia ist unmittelbar mit den Sinnen verbunden, insbesondere mit dem Geschmackssinn (sapere). Der weise Mensch verkostet das Leben, er genießt die Hingabe seiner Zeit. Die erste Lesung der heutigen Messe präsentiert uns die Weisheit als eine Frau, die den Unwissenden ein Festmahl bereitet und sagt: Kommt, esst von meinem Mahl und trinkt vom Wein, den ich mischte! Lasst ab von der Torheit, dann bleibt ihr am Leben und geht auf dem Weg der Einsicht! Dieses Bild erinnert uns an das Festmahl der Eucharistie, das das Wort, die Weisheit Gottes selbst, für uns bereitet. Das Evangelium greift dann auch einen Abschnitt aus Jesu Brotrede auf, in der uns der Unterschied zwischen der Torheit des Vergänglichen und der Weisheit des Lebens für die Ewigkeit erneut vor Augen geführt wird. Müht euch nicht ab für die Speise, die verdirbt, sondern für die Speise, die für das ewige Leben bleibt und die der Menschensohn euch geben wird! (...) Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt (Joh 6,27.51).
Der durch die Weisheitsrede geschaffene Rahmen hilft uns zu verstehen, dass der Herr, wenn er von Nahrung spricht, auf das verweist, was unserem Leben Sinn gibt. Hunger und Durst sind ein Bild für die Sehnsucht nach Glück und Fülle des Lebens, die wir in uns tragen. In diesem Zusammenhang versichert uns Jesus, dass uns nichts satt machen kann außer der Nahrung, die er uns anbietet; nur wer sich von der Eucharistie nährt, wird nie mehr hungern (Joh 6,35). Etwas Ähnliches hatte er zu der samaritanischen Frau gesagt, ausgehend vom Wasser, das sie am Brunnen holte: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zu einer Quelle werden, deren Wasser ins ewige Leben fließt (Joh 4,13-14). Mitten in der Erfahrung des Vergehens von allem, was uns umgibt, gibt uns Jesus in der Eucharistie eine Verheißung der Ewigkeit. Oder vielmehr, wie die Kirche lehrt, ein „Unterpfand der künftigen Herrlichkeit“4: eine Verheißung, die wir bis zu einem gewissen Grad bereits berühren und schmecken können. Jesus in der Eucharistie ist die Gabe, die Gott uns schon hier auf Erden gegeben hat, um unsere Tage mit Ewigkeit zu füllen, um unsere Zeit zu erlösen. „Darum ist die heilige Messe“, wie der Gründer des Opus Dei oft wiederholte, „Mitte und Wurzel des christlichen Lebens. (…) Denn Christus ist der Weg, der Mittler; in ihm finden wir alles, ohne ihn bleibt unser Leben leer.“5
AM ENDE der Rede über das Brot des Lebens sagten viele der Zuhörer: Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören? (Joh 6,60). Und Johannes fügt hinzu, dass sich daraufhin viele seiner Jünger zurückzogen und nicht mehr mit ihm umhergingen (Joh 6,66). Manchmal kann es uns schwierig erscheinen, allein von der Eucharistie zu leben. Dann greifen wir vielleicht zu anderen Dingen, die uns eine gewisse Befriedigung verschaffen – Dinge, die an sich gut sind, uns aber dennoch nicht vollständig sättigen. Manchmal neigen wir sogar dazu, wie Papst Franziskus sagte, „die Eucharistie auf eine vage, ferne Dimension zu reduzieren, vielleicht hell leuchtend und mit Weihrauch parfümiert, aber weit entfernt von den Herausforderungen des täglichen Lebens“6.
Christus ist derjenige, der am meisten daran interessiert ist, uns wirklich zu sättigen. Im Evangelium sehen wir, dass ihm die Sorgen der Menschen nicht gleichgültig sind. Er kümmert sich nicht nur um die geistigen Probleme, sondern auch um die materiellen Bedürfnisse: Er verwandelt Wasser in Wein bei einer Hochzeit, er vermehrt Brote und Fische, damit die Menschen nicht hungern, und er besänftigt einen Sturm, um die Jünger zu beruhigen. In der Eucharistie geht Jesus noch einen Schritt weiter. Sie ist nicht nur ein Impuls, um Herausforderungen zu überwinden: Sie ist ein Geschenk, durch das Gott selbst in unser Leben eintritt.
Papst Franziskus fährt fort: „Gewiss, wir müssen uns ernähren, aber wir müssen auch satt werden, das heißt, wir müssen wissen, dass uns die Nahrung aus Liebe gegeben wird. Im Leib und im Blut Christi finden wir seine Gegenwart, sein Leben, das für jeden von uns hingegeben wurde. Er gibt uns nicht nur die Hilfe zum Weitergehen, sondern sich selbst: Er macht sich zu unserem Wegbegleiter, er lässt sich auf unsere Angelegenheiten ein, er sucht unsere Einsamkeiten auf und gibt uns Sinn und Begeisterung zurück. Es sättigt uns, wenn der Herr unserem Leben einen Sinn gibt, unseren Unklarheiten, unseren Zweifeln, denn er sieht den Sinn, und dieser Sinn, den der Herr uns gibt, sättigt uns, gibt uns jenes ,Mehr‘, das wir alle suchen: die Gegenwart des Herrn! Denn in der Wärme seiner Gegenwart verändert sich unser Leben: Ohne ihn wäre es grau.“7 Die Jungfrau Maria, die Christus als erste empfangen hat, kann uns helfen, uns der Eucharistie mit dem Wunsch zu nähern, ihr unsere Wünsche anzuvertrauen.
1 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 52.
2 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 140.
3 Vgl. Antonio Machado, Einsamkeiten, LVII, II.
4 II. Vat. Konzil, Sacrosanctum Concilium, Nr. 47.
5 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 102.
6 Franziskus, Angelus-Gebet, 19.6.2022.
7 Ebd.