Betrachtungstext: 2. Osterwoche – Montag

Das Gebet der ersten Christen – Mit der Taufe sind wir in Christus wiedergeboren – Die Taufe und das Leben gemäß dem Geist

WÄHREND DER Osterzeit folgt die erste Messlesung dem Bericht der Apostelgeschichte, jenem Buch, das uns die ersten Schritte der Kirche schildert. Es ist die beste Quelle, um sich dem „Leben der ersten Christen“ zu nähern, in welchen der heilige Josefmaria „Licht für die Christen unserer Zeit“1 fand. Man spürt, dass in diesen ersten Gemeinden ein Klima der Freude, der tiefen Dankbarkeit und der übernatürlichen Begeisterung herrschte, das sie dazu antrieb, ihren Glauben mit allen zu teilen. Die Schwierigkeiten, die es außer- und zuweilen auch innerhalb der Kirche gab, werden nicht verschwiegen, aber auch nicht überbewertet: Sie verblassen angesichts der Größe des Lebens der Gnade und dem Wirken des Heiligen Geistes.

Petrus und Johannes kehren zurück, nachdem sie auf Anordnung der Behörden eine Nacht lang inhaftiert gewesen waren. Deren Aufregung war groß gewesen, als sie sahen, dass viele Menschen auf die Predigt und ein Wunder der Apostel hin an Jesus glaubten. Nachdem sie sie verhört, bedroht und angewiesen hatten, das Predigen einzustellen, mussten die Wachen Petrus und Johannes aus Furcht vor dem Volk freilassen, da alle Gott wegen des Geschehenen priesen (Apg 4,21). Nach ihrer Rückkehr beschloss diese erste Christengemeinde, vielleicht aus Sorge vor den sich nähernden Verfolgungen, gemeinsam einen Teil des Psalms II zu beten. Als sie gebetet hatten, so berichtet die Schrift, bebte der Ort, an dem sie versammelt waren, und alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und sie verkündeten freimütig das Wort Gottes (Apg 4,31).

Wenn wir die Apostelgeschichte lesen, entdecken wir, dass die treibende Kraft jedes Apostolats das Gebet ist. Wer betet, kann, wie Papst Franziskus sagte, „die Gegenwart Jesu persönlich erleben und vom Heiligen Geist berührt werden. Die Glieder der Urgemeinde – das gilt jedoch immer, auch für uns heute – spüren, dass die Geschichte der Begegnung mit Jesus nicht halt gemacht hat im Augenblick der Himmelfahrt, sondern in ihrem Leben weitergeht. Wenn man erzählt, was der Herr gesagt und getan hat, wenn man betet, um in Gemeinschaft mit ihm einzutreten, dann wird alles lebendig. Das Gebet flößt Licht und Wärme ein: Das Geschenk des Heiligen Geistes lässt in ihnen den Eifer entstehen.“2


DIE LESUNG aus dem Evangelium lädt uns ihrerseits ein, einen Schritt zurück in die Vergangenheit zu machen: Wir hören das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus, in dem sie über die frohe Botschaft reden, die Christus gebracht hat; jenes Gespräch, in dem der Herr dazu einlädt, „von neuem geboren“ zu werden. Anders als den ersten Christen, die die Gnade der Taufe schon empfangen haben und den Beistand des Heiligen Geistes bereits genießen, fällt es Nikodemus schwer, die Worte Jesu zu verstehen. Nikodemus ist ein einflussreicher Jude, der Christus bewundert. Er denkt, dass jemand, der solche Wunder vollbringt, ein Mann Gottes sein muss. Er kommt bei Nacht, um nicht in der Gesellschaft dieses ungewöhnlichen Lehrers gesehen zu werden, doch er wendet sich respektvoll und aufrichtig an den Herrn. Deshalb bringen die Worte, mit welchen Jesus ihm antwortet, das Gespräch rasch auf die höchste Ebene: Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus dem Wasser und dem Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen (Joh 3,5).

Wie die ersten Christen sind wir neue Frauen und Männer, die durch die Taufe wiedergeboren wurden; wir sind aus der Höhe geboren. „In der Taufe hat Gott, unser Vater“, mit Worten des heiligen Josefmaria „von unserem Leben Besitz ergriffen, es dem Leben Christi eingegliedert und uns den Heiligen Geist gesandt.“3 Dieses Sakrament verleiht uns die unermessliche Würde, Kinder Gottes und zur Heiligkeit berufen zu sein. Letztere ist nichts anderes als „die Fülle der Gotteskindschaft“4. Heilig zu sein ist also nicht bloß eine Frage des äußeren Verhaltens oder des Strebens nach ethischer Vollkommenheit, sondern es geht darum, in uns das Leben der Gnade zu erkennen, das in uns eingegossen ist, und zu wünschen, dass es wahrhaft zur Quelle unseres Daseins wird; es geht darum, mehr und mehr die Empfindungen des Sohnes zu haben, ein Herz zu haben, das dem seinen immer ähnlicher wird.

Die Taufe ist der Beginn eines aufregenden Abenteuers, eines Abenteuers der Liebe, eines Lebens, das nicht nur neu ist, sondern das der Herr im Rhythmus des unvorhersehbaren Wehens des Heiligen Geistes auch noch ständig erneuern will. Papst Franziskus erklärte: „Kraft des Heiligen Geistes taucht die Taufe uns ein in den Tod und die Auferstehung des Herrn: Sie ertränkt im Taufbecken den alten Menschen, der von der Sünde beherrscht ist, die von Gott trennt, und gebiert den neuen Menschen, der in Christus neu erschaffen ist (...). Wenn wir aber den Geburtstag feiern, warum feiern wir dann nicht den Tag der Wiedergeburt, oder denken wenigstens daran? (...). Es ist ein zweiter Geburtstag: der Geburtstag der Wiedergeburt.“5


„DURCH GOTTES Gnade begann gleich nach der Geburt mit der Taufe das übernatürliche Leben in uns. Doch der Entschluss, Gott über alles zu lieben, muss im Laufe unseres Lebens, ja im Laufe eines jeden Tages, immer wieder erneuert werden.“6 So erklärt der heilige Josefmaria ein wesentliches Merkmal unserer christlichen Berufung: die Bereitschaft, die Gnade Gottes immer wieder neu anzunehmen, die Eingebungen des göttlichen Beistands mit einer Fügsamkeit zu empfangen, die unsere innere Freiheit erweitert. Die Taufberufung führt uns in die Dynamik des Lebens gemäß dem Heiligen Geist ein. Unsere Treue zu unserem Herrn ist nicht durch Trägheit und Monotonie gekennzeichnet, sondern durch die ständige Neuheit einer freien und liebevollen Antwort. Der heilige Josefmaria fuhr fort: „In der frei gewählten Hingabe erneuert die Freiheit immer wieder die Liebe; und sich erneuern heißt immer jung sein, mit einem weiten Herzen, zu großen Idealen und großen Opfern fähig.“7

„Wie groß ist doch das Geschenk der Taufe!“, rief Papst Benedikt aus.  „Wenn wir uns dessen ganz bewusst wären, würde unser Leben zu einem unaufhörlichen ,Danke‘ werden. Welch große Freude ist es für die christlichen Eltern, die aus ihrer Liebe ein neues Geschöpf hervorgehen sahen, es zum Taufstein zu bringen und zu sehen, wie es im Schoß der Kirche zu einem Leben in Ewigkeit neu geboren wird!8 Auch wenn sich viele nicht an den Tag erinnern werden, an dem sie, wie Jesus zu Nikodemus sagte, „wiedergeboren“ wurden, so ist dies doch ein Moment, der unserer Vorstellungskraft und unserem Gebet stets zugänglich ist: Dort können wir Gott und den Menschen danken, deren Glaubens sich Gott bedient hat, um uns in Christus einzugliedern.

Marias Leben ist für uns, angefangen von ihrem fiat – es geschehe! – der Verkündigung bis zu dem stillen fiat, das sie am Fuße des Kreuzes spricht, ein Beispiel für die treue Antwort auf ihre Berufung in den verschiedensten Lebenslagen. Es ist Ausdruck einer immer wieder neuen Fügsamkeit gegenüber Gottes Gnade.


1 Vgl. hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 134.

2 Papst Franziskus, Generalaudienz, 25.11.2020.

3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 128.

4 Hl. Josefmaria, Brief 2.2.1945, Nr. 8.

5 Papst Franziskus, Generalaudienz, 11.4.2018.

6 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 27.

7 Ebd., 31.

8 Benedikt XVI., Angelusgebet, 11.1.2009.