Betrachtungstext: 19. Woche im Jahreskreis – Freitag

Die Ehe, ein Bild der göttlichen Liebe – Der Zölibat, Ruf zur Weitergabe übernatürlichen Lebens – Lieben, ohne besitzen zu wollen

EINIGE Pharisäer, die Jesus eine Falle stellen wollten, kamen zu ihm und fragten: Darf man seine Frau aus jedem beliebigen Grund aus der Ehe entlassen? (Mt 19,3). Auf diese Frage hin erinnerte Christus seine Zuhörer daran, dass Gott selbst der Urheber der Ehe ist, und unterstrich ihre Unauflöslichkeit: Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer sie am Anfang männlich und weiblich erschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein? Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen (Mt 19,4-6).

Die Ehe ist nicht bloß ein gesellschaftliches Ereignis oder eine Formalität. Die gegenseitige Liebe zwischen Mann und Frau ist Abbild der absoluten Liebe, mit der Gott uns liebt. Der Katechismus erklärt: „Die eheliche Liebe ist von Gott gesegnet und dazu bestimmt, fruchtbar zu sein und sich im gemeinsamen Werk der Verantwortung für die Schöpfung zu verwirklichen.“1 Deshalb ist die Ehe ein Gut. so sagte Papst Franziskus, „von außerordentlichem Wert für alle: für die Eheleute selbst, für ihre Kinder, für alle Familien, mit denen sie in Berührung kommen, für die ganze Kirche, für die ganze Menschheit. Sie ist ein sich ausbreitendes Gut, das die jungen Menschen anzieht, mit Freude auf die Berufung zur Ehe zu antworten, das die Eheleute immer wieder tröstet und ermutigt, das in der kirchlichen Gemeinschaft und in der bürgerlichen Gesellschaft vielfältige Früchte trägt.“2 Eine dieser Früchte ist die Bildung der Hauskirche: Das Zuhause ist die erste Schule des christlichen Lebens, wo man, wie der Katechismus ebenfalls betont, „Ausdauer und Freude an der Arbeit lernt, geschwisterliche Liebe, großmütiges, ja wiederholtes Verzeihen und vor allem den Dienst Gottes in Gebet und Hingabe des Lebens“3.

Mann und Frau finden in der Ehe mit der göttlichen Gnade alles, was sie brauchen, um heilig zu werden, um sich mit Christus zu identifizieren und um die Menschen in ihrer Umgebung Gott näher zu bringen. Es ist also ein Weg, der, wenn er treu beschritten wird, die Vorfreude auf die Herrlichkeit des Himmels und das Glück, das der Herr auf Erden schenkt, ermöglicht. Es ist eine Freude, die mit Momenten des Opfers vereinbar ist, das die Liebe zwischen den Eheleuten stärken kann. Es ist eine Freude, die normalerweise in den kleinen Dingen des Alltags spürbar wird. Wie der heilige Josefmaria betonte:„Das Geheimnis des ehelichen Glücks findet sich im Alltäglichen, nicht in Träumereien. Es liegt in der verborgenen Freude, die man beim Nachhausekommen empfindet; im liebevollen Umgang mit den Kindern, in der alltäglichen Arbeit, bei der die ganze Familie mithilft; im Humor angesichts von Schwierigkeiten, die mit sportlicher Haltung überwunden werden.“4 Beten wir für die Treue aller Paare und danken wir Gott für die Gaben, die er uns durch die Liebe unserer Eltern geschenkt hat.


NACHDEM er den Wert der Ehe hervorgehoben hat, betont Jesus die Bedeutung des Zölibats. Das attraktive Beispiel des Lebens des Herrn zeigt, dass es sich nicht um eine skeptische oder gar bequeme Lebensweise handelt, wie vielleicht einige seiner Zuhörer unterstellt hatten (vgl. Mt 19,10). Vielmehr handelt es sich um eine göttliche Gabe (vgl. Mt 19,11): eine Berufung, das übernatürliche Leben zu empfangen und an andere weiterzugeben, ohne die Vermittlung durch eine irdische Liebe. Wer diese Berufung empfängt, ähnelt Christus, der gewiss nicht auf die Liebe verzichtet hat. Der Zölibatäre empfängt eine besondere Gnade, die seine Empfindsamkeit allmählich verwandelt, um alles, was ein Leben in Liebe mit sich bringt – Zuneigungen, Wünsche, Illusionen, Kreativität, Leidenschaft – in den Dienst Gottes und der Mitmenschen zu stellen. Diese Gabe zu empfangen, sagte Papst Benedikt, „kann nicht bedeuten, an Liebe leer zu bleiben, sondern muss bedeuten, sich von der Leidenschaft für Gott ergreifen zu lassen und im innersten Sein mit ihm dann zugleich den Menschen dienen zu lernen. Zölibat muss ein Zeugnis des Glaubens sein: Glaube an Gott wird konkret in der Lebensform, die nur von Gott her Sinn hat. Das Leben auf ihn setzen, unter Verzicht auf Ehe und Familie, bedeutet, dass ich Gott als Wirklichkeit annehme und erfahre und ihn deshalb zu den Menschen bringen kann.“5

Eines der Merkmale der Berufung zum Zölibat ist die Bereitschaft des Herzens, ganz für Gott und durch ihn für die anderen zu leben. Der Zölibatäre erfährt so jene Offenheit des Herzens, die der heilige Josefmaria betonte: „So groß deine Liebe auch ist, nie wird sie groß genug sein. Des Menschen Herz vermag sich wunderbar zu weiten. Wenn es liebt, dann sprengt es, in einem crescendo der Liebe, alle Fesseln. Wenn du Gott liebst, dann findet jedes Geschöpf in deinem Herzen einen Platz.“6 Auf diese Weise kann der Zölibatäre jemanden lieben, auch wenn die andere Person dies nicht erwidert: Es genügt ihm, eine Person geistig wachsen zu sehen, um die Ambition zu haben, auch anderen zu helfen. Auf diese Weise ahmt er Jesus in seiner Art und Weise zu lieben nach. Während seiner Erdenzeit hat Jesus seiner Zuneigung keine Schranken gesetzt, sondern seine Nähe allen angeboten, besonders denen, die von der Gesellschaft abgelehnt wurden. Deshalb sind auch diejenigen, die die Gabe des Zölibats empfangen, dazu berufen, alle Menschen zu lieben und ihnen zu dienen, vor allem denjenigen in ihrer Umgebung, die am bedürftigsten sind. Das bedeutet natürlich nicht, dass es dem Zölibatären nicht manchmal schwerfällt, auf die Gründung einer Familie oder auf eine affektive Gegenleistung für seine Hingabe zu verzichten; dennoch kann er in dieser Erfahrung der Leere, die er mit Gelassenheit und Realismus annimmt, eine Gelegenheit und einen Aufruf finden, die Liebe, die seiner Hingabe einen Sinn gibt, weiter zu nähren. Schließlich kann er in dieser Einsamkeit auch lernen, die Nähe Gottes wahrzunehmen.


ALLE Menschen sind aufgerufen, die Keuschheit zu leben. Diese Tugend nimmt verschiedene Formen an, je nach der Berufung, die jeder erhalten hat. In jedem Fall, ob man verheiratet ist, ledig, zölibatär oder verwitwet, ist die Keuschheit, wie Papst Benedikt betonte, „kein ,Nein‘ zu den Freuden des Lebens, sondern das große ,Ja‘ zur Liebe als tiefgehende Kommunikation zwischen den Menschen, die Zeit und Achtung erfordert, als gemeinsamen Weg zur Erfüllung und als Liebe, die dazu fähig wird, Leben zu zeugen und das neugeborene Leben hochherzig anzunehmen“7. Dieses neue Leben sind für den zur Ehe Berufenen die Kinder, die die Frucht der Liebe der Eheleute sind; für den Zölibatären sind es die Menschen, denen er hilft, in ihrer Beziehung zu Gott zu wachsen. Ihnen gegenüber übt er eine geistliche Vaterschaft oder Mutterschaft aus.

Keuschheit ermöglicht es, zu lieben, ohne herrschen zu wollen. Man sagt sogar, dass das Gegenteil von Lieben nicht so sehr das Hassen, sondern das Besitzen ist: der Versuch, eine andere Person zu benutzen, um ein Bedürfnis zu befriedigen und die eigene Leere zu füllen. Das ist es, was das Laster der Unzucht kennzeichnet. Wie Papst Franziskus sagte, erachtet die Unzucht „jedes Liebeswerben als Verdruss, sie sucht nicht jene Synthese aus Verstand, Trieb und Empfindung, die uns helfen würde, das Dasein mit Weisheit zu führen. Der Unzüchtige sucht nur nach Abkürzungen: Er versteht nicht, dass der Weg der Liebe langsam beschritten werden muss und dass diese Geduld, weit davon entfernt, Synonym von Verdruss zu sein, ermöglicht, unsere Liebesbeziehungen glücklich zu machen.“8

Die Liebe, die der Herr uns entgegenbringt, ist frei: Er gibt uns die Möglichkeit, auch Fehler zu machen und ihn zurückzuweisen, denn er will keine Sklaven, sondern Kinder, die seine Liebe annehmen, weil sie einfach wollen. Die Keuschheit ermöglicht es uns, den anderen authentisch kennenzulernen, ihn zu respektieren und sein Glück zu suchen; mit einem Wort, sie lässt eine Beziehung der Gemeinschaft entstehen, in der es uns Freude macht, das Wohl des anderen zu suchen. Und auch wenn diese Art zu lieben manchmal aufwändig sein kann, weiß derjenige, der sich bemüht, diese Tugend zu leben, wie der heilige Josefmaria sagte, „dass er damit nur scheinbar ein Opfer bringt: Denn ein Leben in Opfergeist befreit ihn von vielen Fesseln und lässt ihn im Innersten seines Herzens die ganze Liebe Gottes auskosten.“9

Wir wenden uns an die heilige Jungfrau Maria, wie der Gründer des Opus Dei empfahl, wenn wir die Last der Versuchung spüren: „Mutter! – Rufe es laut, laut. – Sie hört dich, sieht dich vielleicht bedroht, und sie – deine heilige Mutter – bietet dir mit der Gnade ihres Sohnes ihre mütterliche Hilfe, ihre liebende Zärtlichkeit an: Dann bist du gestärkt zu neuem Kampfe.“10


1 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1604.

2 Franziskus, Ansprache, 27.1.2023.

3 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1657.

4 Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 91.

5 Benedikt XVI., Ansprache, 22.12.2006.

6 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, 8. Station, Nr. 5.

7 Benedikt XVI., Ansprache, 13.5.2011.

8 Franziskus, Audienz, 17.1.2024.

9 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 84.

10 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 516.