JESUS sprach zur Menge: Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut (Mt 7,21). Möglicherweise bemerkte Jesus bei einigen seiner Zuhörer einen Wunsch nach Umkehr, der über ein Lippenbekenntnis nicht hinausging. Viele hatten wohl gute Vorsätze, Gutes zu tun, es fehlte ihnen aber an Tiefe und Beständigkeit. Vielleicht waren es Menschen, die die Vollmacht des Meisters zwar anerkannten, jedoch nicht darauf vertrauten, dass seine Anweisungen auch zu einem erfüllten und glücklichen Leben führten.
Jesus wollte klarstellen, dass christliches Leben mehr ist als Worte; es ist eine Realität, die den Menschen verwandelt und eine Haltung verlangt, die sich in Werken niederschlägt. Wie Papst Franziskus in einer Tagesmeditation sagte: „Glauben haben bedeutet nicht, Wissen zu haben: Glauben haben bedeutet, die Botschaft Gottes, die Jesus Christus uns gebracht hat, anzunehmen, diesen Glauben zu leben und weiterzugeben.“1 Das Angebot des Herrn fordert den ganzen Menschen heraus, es ist ein Ruf, der in den Tiefen des Verstandes, des Willens und des Herzens Widerhall findet.
So wie man für körperliche Fitness einen Trainings- und Diätplan aufstellt, bedeutet Nachfolge des Herrn, verschiedene Entscheidungen zu treffen. Nämlich sich von all dem abzuwenden, was uns von ihm trennen könnte, wie auch Praktiken zu fördern, die unsere Beziehung zu ihm stärken: das Gebet, die Sakramente, die christliche Bildung ... Diese Kohärenz macht unseren Glauben authentisch. Der heilige Josefmaria betete: „Möge ein aufrichtiger Eifer uns erfüllen, auf den Ruf unseres Schöpfers hin seinen Plänen mit unerschütterlichem Glauben zu folgen, in der Überzeugung, dass er sich nicht irren kann. Wenn wir den göttlichen Willen so lieben, werden wir verstehen, dass der Wert des Glaubens nicht nur in der Klarheit liegt, mit der er dargelegt wird, sondern auch in der Entschlossenheit, ihn durch Taten zu verteidigen. Und wir werden entsprechend handeln.“2
WENN der Glaube konkrete Gestalt annimmt, erhält das christliche Leben Tiefe. Der Heilige Geist schafft in uns eine dauerhafte Identität auf einem soliden Fundament lebendiger Überzeugungen, wie ein Haus, das auf festem Grund steht. Im Evangelium vergleicht Jesus zwei Häuser miteinander: das eine ist auf Sand, das andere auf Felsen gebaut. Das eine wird von den Fluten zerstört, das andere widersteht ihnen.
In unserer Beziehung zu Gott erleben wir die Wucht von Rückschlägen und die Schwäche unserer Natur. Manchmal wollen wir etwas Bestimmtes tun, am Ende tun wir das Gegenteil. Das kann zu Entmutigung und Ermüdung führen. Sich diese Schwierigkeiten einzugestehen, ist kein Pessimismus, sondern gesunder Realismus. Der heilige Josefmaria schrieb: „Christlicher Optimismus ist weder der Blick durch die rosarote Brille noch die rein menschliche Zuversicht, dass schon alles gut werden wird. Es ist ein Optimismus, der im Bewusstsein unserer Freiheit und in der Gewissheit der Kraft der Gnade wurzelt; ein Optimismus, der uns dazu bringt, Forderungen an uns selbst zu stellen und uns zu bemühen, jederzeit auf Gottes Anrufe zu antworten.“3
Manchmal empfinden wir die Freude der Nähe des Herrn mit besonderer Intensität; andere Male haben wir das Gefühl, dass er weit entfernt ist, und was uns einst erfüllte, ist uns gleichgültig oder erscheint uns mühsam. Vielleicht zeigt uns das Herz auch andere Wege, die uns das ersehnte Glück versprechen. In solchen Zeiten ist der Heilige Geist nicht abwesend in unserem Leben. Wenden wir uns an ihn, damit wir das Haus auf den Felsen bauen, der seine Gegenwart in unserer Seele ist. Wenn das Leben auf festen Überzeugungen beruht, auf edlen Idealen, die sich in jeder Lebenslage zeigen, wird das Haus der Kraft der Fluten, die unvorhersehbar und unkontrollierbar sind, trotzen; wir werden in diesem Moment sogar eine Gelegenheit sehen, die eigenen Ideale zu stärken und die frei erwählte Liebe zur Reife zu führen, denn der göttliche Beistand wohnt in uns. So werden wir, wenn die Stürme vorbei sind und die Sonne zurückkehrt, sehen, dass es sich gelohnt hat, das Haus auf festen Felsen zu bauen.
WENN ein Sturm wütet, müssen wir Schutz suchen. Wenn uns unsere Hinfälligkeit bewusst wird und unsere Gefühle aufgewühlt sind, bietet das Gebet uns einen sicheren Hafen. Wir sollten diesen jedoch nicht nur in außergewöhnlichen Situationen aufsuchen. Jesus hat den Aposteln geraten, immer zu beten und nicht den Mut zu verlieren (vgl. Lk 18,1). Wenn wir objektiv darüber nachdenken, gibt es keine Momente, die mehr oder weniger Gebet verlangen, denn es ist für uns immer und zu jeder Zeit eine freudige Notwendigkeit. Durch das Gebet wird uns bewusst, wie gut der Heilige Geist uns begleitet und unser Leben liebevoll führt.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass uns Situationen vom Gebet wegführen können, obwohl es paradoxerweise notwendiger ist denn je. So sagt Jesus zu den Aposteln in Getsemani: Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet! Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach (Mt 26,41). Wenn sich die Versuchung stärker zeigt, die Gefühle uns nicht mehr tragen und unser Glaube zu schwächeln scheint ... ist das Gebet mächtiger denn je, auch wenn es uns nicht so vorkommen mag. Nicht zu beten, weil wir uns für weit entfernt halten, nichts fühlen oder unser Glaube schwach ist, ist nur scheinbar logisch. Gerade in diesen Situationen ist es am Nötigsten, zum Gebet Zuflucht zu nehmen, von dort aus neu zu beginnen und zu entdecken, wohin der Heilige Geist uns führt ... „Wenn dir einmal vorkommt, der Herr habe dich vergessen“, rät der heilige Josefmaria, „werde nicht traurig: Suche ihn mit mehr Nachdruck! Er ist die Liebe, er lässt dich nicht allein … Sei gewiss, dass dieses vermeintliche ,Alleinlassen‘ aus Liebe geschieht: damit du klar erkennst, was in deinem Leben von dir und was von ihm kommt.“4
Wenn der Sturm sich verschlimmert und die Fundamente des Hauses zu bröckeln scheinen, rufen wir mit dem Psalmisten: Mit deinem Erbarmen komm uns eilends entgegen! Denn wir sind sehr erniedrigt. Hilf uns, Gott unsres Heils, um der Herrlichkeit deines Namens willen! (Ps 79,8-9). Auch wenn uns beim Gebet einmal die Worte fehlen, helfen uns die Psalmen weiter, wie Papst Franziskus sagte: „In den Psalmen findet der Gläubige eine Antwort. Er weiß: Auch wenn alle menschlichen Türen verriegelt sein sollten, Gottes Tür ist offen. Auch wenn die ganze Welt ein Schuldurteil gesprochen hat, findet sich in Gott Heil. ,Der Herr hört.‘ Manchmal genügt es im Gebet, das zu wissen.“5 Wir wenden uns an Maria. Sie wird ihrem Sohn unsere Bitten vortragen und uns helfen, die Stürme mit Frieden und Gelassenheit zu überstehen.
1 Franziskus, Predigt, 21.2.2014.
2 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 198.
3 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 659.
4 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 250.
5 Franziskus, Audienz, 14.10.2020.