Betrachtungstext: 1. Woche im Jahreskreis – Mittwoch

Jesus heilt die Schwiegermutter des Simon – Im Gebet entdecken wir die Wünsche Gottes – Wir beten, um unsere Seele auf die göttliche Gnade vorzubereiten

DIE SCHWIEGERMUTTER des Simon hat Fieber, und es scheint sich um keine kurzfristige Erkrankung zu handeln. Daher wird Jesus, wie der heilige Markus in seinem Evangelium berichtet, eilig benachrichtigt und gebeten, zu ihr zu kommen. Mit der gleichen Eile wird diese gute Frau, sobald sie geheilt ist, den Herrn und seine Jünger umsorgen. Das Fieber verschwindet und sie macht sich sofort daran, Jesu Arbeit zu unterstützen.

In der Sendung eines jeden Christen, in seinem Einsatz für das Reich Gottes auf Erden, verbinden sich Gnade und die freie Entsprechung eines jeden von uns, die gesamte Initiative Gottes und unser eigenes kleines Sandkorn. Papst Franziskus verdeutlicht dies am Beispiel der Gebote: „In unserem geistlichen Leben ist es wesentlich, die Gebote zu halten, aber auch in dieser Hinsicht dürfen wir nicht auf unsere Kräfte zählen: Grundlegend ist die Gnade Gottes, die wir in Christus empfangen ‒ jene Gnade, die wir aus der Rechtfertigung erhalten, die Christus, der bereits für uns bezahlt hat, uns geschenkt hat. Von ihm empfangen wir jene unentgeltliche Liebe, die es uns unsererseits gestattet, konkret zu lieben.“1 Die genesene Frau vergisst sofort ihre bisherige Lage und widmet sich mit Freude dem Teilen dessen, was sie empfangen hat. Dies kann sie nur tun, weil Christus sie geheilt hat. Denn dazu ist er gekommen: uns zu retten und unsere tiefsten Wünsche und Träume Wirklichkeit werden zu lassen.

Das Heilungswunder markiert den Anfang einer Serie von Zeichen, die Jesus in dieser Stadt am See vollbringt. Der gesamte Ort drängt sich vor Simons Haus. Jesus schenkt einer ganzen Generation die Freude und Hoffnung zurück. Simons Schwiegermutter trägt durch ihren Dienst dazu bei, und man kann sich gut vorstellen, mit welcher Aufregung die Gastgeberin den Besuch des Meisters aus Nazaret erlebt. Im Evangelium heißt es, dass er viele heilte, die an allen möglichen Krankheiten litten, und viele Dämonen austrieb (Mk 1,34). Simons Schwiegermutter war voll des Glücks, dass unter ihrem Schatten spendenden Dach so viel Freude herrschte.


DAS EVANGELIUM von heute zeigt uns, wie die Tage Jesu beginnen: In aller Frühe, als es noch dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um zu beten (Mk 1,35). Die Szene veranschaulicht, was im Leben des Gottessohnes an oberster Stelle steht. Und nachdem er frühmorgens hinausgegangen ist, um zu beten, kann er abends für die Menschen da sein. Die Kraft, die von ihm ausgeht und alle heilt, kommt aus dieser Verbindung mit seinem Vater. Im Gebet lernen auch wir, uns mit den Plänen Gottes zu identifizieren. Wir möchten den Tag nicht unvorbereitet angehen, um die Gelegenheit nicht zu versäumen, die Sendung Jesu in Freude zu erleben.

Den ersten Augenblick des Tages wie Christus dem Gebet widmen, ist ein Weg, die Freiheit auszuüben. Keiner begegnet Gott, weil er muss, sondern weil er bei den zahlreichen Anforderungen des Tages das Wesentliche nicht versäumen möchte. Es mag überraschend erscheinen, dass Jesus immer wieder darauf drängt, sich zurückzuziehen, obwohl er bereits in ständiger Verbindung mit seinem Vater steht. Durch diesen Bericht zeigt uns der Sohn Gottes jedoch, dass er das Gebet benötigt, um seine Mission zu erfüllen. Auch vor der Passion, in der er sein Leben als Lösegeld für uns geben wird, zieht er sich wiederholt zurück, um zu beten.

Simon sucht seinen Herrn auf und versucht, ihn davon zu überzeugen, dass es unumgänglich ist, den Menschen erneut zu begegnen. Er sagt: Alle suchen dich (Mk 1,37). Doch Jesus weist ihn darauf hin, dass er und die Seinen nun in andere Städte ziehen müssen, damit jeder die Möglichkeit hat, Gott zu begegnen. Der Herr lehnt es ab, sich mit seinem Werk zufrieden zu geben und da zu bleiben – ihn bewegen die Seelen, die auf ihn warten. Noch in den frühen Morgenstunden bricht er auf, unmittelbar nachdem er zu seinem Vater gebetet hat.


WARUM will Gott, dass wir beten? Auch der heilige Augustinus stellte sich diese Frage: „Warum tut Gott das? Er weiß doch, was wir brauchen, noch bevor wir ihn darum bitten!?“ Doch er erklärt: „Durch unser Gebet soll unser Verlangen gestärkt werden, damit wir imstande sind zu fassen, was Gott zu geben beabsichtigt. Denn dieses ist sehr groß, wir aber sind an Fassungskraft klein und beschränkt. Umso fähiger werden wir sein zum Genusse jenes erhabenen Gutes, je treuer wir daran glauben, je zuversichtlicher wir darauf hoffen, je glühender wir danach verlangen.“2 Das Gebet zielt also darauf ab, unsere Herzensfähigkeit zu erweitern, damit wir die Gaben Gottes empfangen können, die für uns vorbereitet sind.

Derjenige, der am meisten wünscht und bittet, empfängt das meiste, denn Gott selbst hat in seinem Herzen Platz geschaffen. Derjenige, der weiß, dass er die göttlichen Güter nicht verdient, und dennoch den Mut aufbringt, um das Unmögliche zu bitten, hat in seiner Seele Platz geschaffen für die Gnaden, die Gott mit vollen Händen ausschütten will. Ein früher christlicher Autor schrieb: „Wenn wir Christus gering schätzen, wird auch das, was wir zu empfangen hoffen, gering sein. Diejenigen, die seine Verheißungen hören und glauben, dass es sich um mittelmäßige Gaben handelt, sündigen; und auch wir sündigen, wenn wir auf einmal nicht mehr wissen, von wo wir berufen sind, wer uns berufen hat und wohin er uns berufen hat.“3

Der heilige Josefmaria war überzeugt, dass Gott denen hilft, die ihn darum bitten: „Das Gebet ‒ auch mein Gebet ‒ ist allmächtig.4 Indem wir beharrlich und ohne Unterlass beten, stimmen wir dem zu, was Gott uns gewähren möchte. Auch wenn er bereits vorbereitet hat, worum wir ihn bitten, möchte er, dass wir es ihm frei und offen mitteilen, um unsere Freiheit zu bewahren. „Meine Mutter, du bist die Mutter Gottes“, flehte der Gründer des Opus Dei, der seine Gebetshaltung immer wieder erneuern wollte, „,flüstere‘ mir ,zu‘, was ich ihm sagen soll und wie ich es sagen muss, damit er mich erhört.5


1 Papst Franziskus, Audienz, 29.9.2021.

2 Hl. Augustinus, Brief 130, Nr. 17.

3 Autor aus dem zweiten Jahrhundert, Stundengebet, 22. Sonntag im Jahreskreis, 2. Lesung.

4 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 188.

5 Hl. Josefmaria, Im Zwiegespräch mit dem Herrn, Betrachtung „Mit mehr Dringlichkeit beten“, Nr. 5.