Betrachtungstext: 1. Fastensonntag (A)

Jesus begleitet uns in unseren Schwächen – Die Versuchungen möchten unsere Gotteskindschaft schwächen – Der Teufel will, dass wir Gott misstrauen

JAHR FÜR JAHR lädt uns die Kirche am ersten Fastensonntag dazu ein, die Versuchungen zu betrachten, die Jesus erlitten hat. Als wir diesen Bericht zum ersten Mal hörten, waren wir vielleicht überrascht, dass der Mensch gewordene Gott selbst auf diese Weise geprüft wurde. Jesus nimmt die Versuchungen unter anderem deshalb auf sich, damit wir uns dann, wenn auch wir in Versuchung geraten, seiner Begleitung und seines Verständnisses sicher sein können. So erging es etwa der heiligen Katharina von Siena. Nach einer Nacht, in der sie viel gelitten hatte, fragte sie: „Mein Herr, wo warst du, als mein Herz von so vielen Versuchungen geplagt wurde? Und sie hörte: Ich war in eben deinem Herzen.1

Jesus kämpft in uns, mit uns und für uns. Welchen Frieden schenkt uns das Bewusstsein, dass wir unsere Schwierigkeiten gemeinsam mit ihm durchstehen können. Gib mir wieder die Freude deines Heiles, rüste mich aus mit dem Geist der Großmut! (Ps 51,14), rufen wir mit dem Psalmisten aus. „Christus wurde vom Teufel versucht, und in Christus wurdest du versucht“, predigte der heilige Augustinus über die Psalmen, „denn Christus hat von dir das Fleisch und du hast von ihm das Heil erhalten, er hat von dir den Tod und du hast von ihm das Leben erhalten, er hat von dir die Schmach und du hast von ihm die Ehre erhalten. Er also hat von dir die Versuchungen, und du von ihm den Sieg erhalten.2

Wenn wir an unsere Schwäche denken, könnten wir bisweilen traurig werden. Doch Christus, der vollkommener Gott und vollkommener Mensch war, wollte die Versuchung auch erleiden; er wollte diese Schwelle überschreiten, um uns zu begleiten. Der heilige Josefmaria schrieb in seinem seiner Briefe: „Der Herr ist unser Vorbild und hat deshalb zugelassen, dass er, obwohl er Gott war, versucht wurde, damit wir Mut fassen und – mit ihm – siegesgewiss sind. Wenn du in solchen Augenblicken spürst, dass deine Seele bebt, dann wende dich an deinen Gott und sag ihm: Hab Erbarmen mit mir, Herr, denn meine Gebeine zittern und meine Seele ist ganz verwirrt (Ps 6,3-4). Er selbst wird dir antworten: Sei ohne Furcht, denn ich habe dich erlöst und dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein (Jes 43,1).“3


WENN DU Gottes Sohn bist (Mt 4,3.6): Mit diesen Worten versuchte der Teufel Jesus zweimal. Mit denselben Worten beschimpften ihn jene, die ihn ans Kreuz führten. Diese Versuchungen haben mit der Gotteskindschaft zu tun, sie wollen sie erschüttern, sie in Frage stellen. Der Teufel greift dort an, wo er den größten Schaden anrichten kann, er stellt unser Fundament in Frage. Natürlich laden uns manche Versuchungen nur zur Faulheit, nur zum Zorn, nur zur Bequemlichkeit ein ... Doch hinter diesen Verstrickungen wird unsere Verfasstheit als Kinder Gottes in Frage gestellt. Der heilige Josefmaria sagt es klar: „Sklaverei oder Gotteskindschaft – das ist die Alternative unseres Lebens. Entweder Kinder Gottes oder Sklaven des Stolzes, der Sinnlichkeit oder des angsterfüllten Egoismus.4

„Entweder die Hölle oder die Flucht, es gibt keinen Mittelweg“5, sagte auch der heilige Pfarrer von Ars. Das Heilmittel besteht also darin, dass wir immer wieder zu unserer Kindschaft zurückkehren. Unser Trost ist das Vertrauen auf das, was Gott tun kann, der als guter Vater das Beste für uns will. In den Augen eines Kindes sind Schwierigkeiten nur Momente, in denen klar hervortritt, wer sein Vater ist. Diese Momente mögen wenig angenehm sein, aber das Kind weiß, dass sie vorübergehend sind, es ist sicher, dass der Frieden kommen wird. Tatsächlich können uns Versuchungen helfen, uns daran zu erinnern, dass wir Gott brauchen, dass wir nicht autark sind und dass wir den Herrn um Befreiung vom Bösen anrufen müssen. Auf diese Weise helfen der Seele, die sich an Gott wendet, wie die heilige Teresa von Avila schrieb, „die Versuchungen und Hindernisse, die ihr der Teufel in den Weg legt, um so mehr; denn es ist seine Majestät, die für sie kämpft.“6


DER HEILIGE THOMAS von Aquin schrieb: „Wie ein fähiger General, der eine Festung belagert, studiert der Teufel die Schwachstellen des Menschen, den er zu besiegen versucht.“7 Doch im Vertrauen darauf, dass Gott stärker ist, wollen wir in dieser Fastenzeit auf seine Liebesbeweise blicken, die er uns in der Person seines Sohnes hinterlassen hat. Und wir möchten dabei auch noch die kleinste Geste von Christus wahrnehmen, der sich auf dem Weg nach Jerusalem befindet, um sein Leben für die Menschen hinzugeben. Der Versucher seinerseits unternimmt alles, um uns zu belügen und uns an Gottes Güte zweifeln zu lassen. So ging er im Falle unserer Ureltern vor und so versucht er es beim neuen Adam. Misstraue Gott, flüstert er uns zu, wenn er wirklich dein Vater wäre, würdest du nicht hungern, befändest du dich nicht in Schwierigkeiten, hingest du nicht am Kreuz.

Der Teufel versuchte den Herrn mit den Worten: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird (Mt 4,3). Und Jesus selbst ist Brot geworden, damit es uns nie an der lebensspendenden Nahrung fehlt. Der Teufel provozierte ihn weiter: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab (Mt 4,6). Und Jesus wollte nicht vom Kreuz steigen, sondern uns durch seine Hingabe bis zum Äußersten seine vollkommene Liebe zeigen. In der Tat probiert der Teufel bei jeder Versuchung, uns mit dem größten Schwindel der Geschichte zu überreden: Er will uns davon überzeugen, dass Gott uns nicht liebt, dass er uns betrügt.

Mit Worten des heiligen Josefmaria bitten wir Maria um die Stärke, uns inmitten unserer Schwäche als Kinder zu wissen, weil wir in den Genuss der Liebe Gottes kommen wollen. „Mutter! – Rufe es laut, laut. – Sie hört dich, sieht dich vielleicht bedroht, und sie – deine heilige Mutter – bietet dir mit der Gnade ihres Sohnes ihre mütterliche Hilfe, ihre liebende Zärtlichkeit an: Und du wirst gestärkt sein für den neuen Kampf.8


1 Hl. Katharina von Siena, Der Dialog, Teil II, Kap., III.

2 Hl. Augustinus, Kommentar zum Psalm 60.

3 Hl. Josefmaria, Briefe 2, Nr. 20.

4 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 38.

5 Hl. Pfarrer von Ars, Über die Beharrlichkeit.

6 Hl. Teresa, Das Buch der Klosterstiftungen, 11, 7.

7 Hl. Thomas von Aquin, Über das Vater unser.

8 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 516.