Betrachtungstext: 2. Adventsonntag (A)

Unsere Hoffnung gründet auf der Gegenwart Gottes in der Geschichte – Hoffnungsvoll zurückblicken – Unsere Verankerung in Jesus öffnet uns für die Zukunft

„DAS JÄHRLICHE GEDENKEN an die Geburt des Messias in Bethlehem erneuert in den Herzen der Gläubigen die Gewissheit, dass Gott seine Versprechen hält. Der Advent ist also eine starke Verkündigung der Hoffnung“1, sagte einst der heilige Johannes Paul II. 

Bei der Betrachtung der Hoffnung kann man leicht dem Irrtum verfallen, sie sei ausschließlich auf die Zukunft gerichtet – als bestünde sie angesichts von Widrigkeiten jeder Art darin, die Vergangenheit zu verwerfen, die Augen vor der Gegenwart zu verschließen und von einer besseren Zukunft zu träumen. Nicht zufällig liegt diese liturgische Zeit der Hoffnung jedoch zwischen der Erinnerung an das erste Kommen Jesu Christi in Bethlehem und der Erwartung seiner glorreichen Wiederkunft am Ende der Zeiten. Mit anderen Worten: Der Advent erinnert uns sowohl an die Vergangenheit als auch an die Zukunft. So sagte Papst Benedikt XVI.: „Unsere Hoffnung ist nicht grundlos, sondern gründet sich auf ein Ereignis, das in der Geschichte angesiedelt ist und zugleich die Geschichte übersteigt: das Ereignis, das Jesus von Nazaret darstellt.“2

Bei Matthäus lernen wir Johannes den Täufer als den Vorläufer Christi kennen. Er kündigt die baldige Ankunft dessen an, auf den das Volk so lange gewartet hat: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe (Mt 3,1). Der Messias wird jedoch nicht mit Macht erscheinen, wie viele sich das vorstellten: Er wird in einer Krippe geboren. Gott ist kein fernes, schwer erkennbares Wesen mehr, das wenig von unseren Problemen versteht und mit dem man kaum in Beziehung treten kann. Der Schöpfer ist als einer von uns in unsere Geschichte eingetreten und ist uns sehr nahe gekommen: Das ist die Wurzel unserer Hoffnung.


ALLES, was in der Vergangenheit geschrieben wurde, ist zu unserer Belehrung geschrieben worden, damit wir durch die Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben (Röm 15,1-9). Es mag sein, dass wir nicht immer wissen, wie wir diese Hoffnung aufrechterhalten können. Die Erfahrung unserer eigenen Schwächen kann uns glauben machen, dass Gott irgendwann die Geduld mit uns verlieren wird. Doch der Herr freut sich, wenn wir merken, dass wir ihn brauchen, selbst wenn wir mit einem zerbrochenen und zerknirschten Herzen (Ps 51,17) zu ihm kommen. Denn, wie der heilige Paulus schreibt: Wo die Sünde im Überfluss ist, da ist die Gnade im Überfluss (Röm 5,20). Der heilige Josefmaria betrachtete die Erfahrung der eigenen Schwächen voller Zuversicht: Er war der Ansicht, dass die Grundlagen des geistlichen Lebens umso tiefer sein können, je offensichtlicher diese sind.3

Deshalb wird die Tugend der Hoffnung von zwei Haltungen genährt, die scheinbar gegensätzlich sind. Einerseits schöpft sie Kraft aus der Dankbarkeit für all das, was der Herr uns geben wollte. Eine Hoffnung, die in Gottes großer Liebe zu uns und in seinem Wirken an uns verwurzelt ist, kann uns in schwierigen Zeiten Halt geben. Unsere Hoffnung wird aber auch gestärkt, wenn wir unsere eigene Biografie mit einem versöhnlichen Blick betrachten. Papst Franziskus mahnte daher: „Wenn wir uns nicht mit unserer Geschichte versöhnen, können wir nicht einmal den nächsten Schritt tun, denn wir werden immer Gefangene unserer Erwartungen und der darauf folgenden Enttäuschungen sein.“4 Gott verlangt nie Unmögliches von uns; er möchte nur, dass wir ihn in die Tiefen unserer Seele einlassen, auch in unsere Vergangenheit. Dann kann er unsere zukünftigen Schritte auf die Begegnung mit Christus hin lenken.


DIE ANTIKE IKONOGRAPHIE stellte die Hoffnung als Anker dar. Daher wird der schwerste und wichtigste Anker auf vielen Schiffen nach dieser theologischen Tugend benannt. Die Hoffnung auf Gott stärkt uns in Zeiten des Sturms. Das Bild des Ankers sollte uns aber nicht auf den Gedanken bringen, einfach stillstehen zu sollen, als ob die Lösung für unsere Probleme darin bestünde, einfach nichts zu tun. Jesus Christus kommt, um alles zu erneuern (vgl. Offb 25,1). Sich in ihm zu verankern heißt also, bereit zu sein, zu unvorstellbaren Ozeanen aufzubrechen.

Er wird die Schwachen mit Recht und die Armen auf Erden mit Gerechtigkeit richten (Jes 11,4). Die Hoffnung vereint die realistische Annahme unserer Gebrechlichkeit mit einer Offenheit für die Gaben, die Gott uns jeden Tag schenkt. Ohne unsere Persönlichkeit oder unsere Vergangenheit zu verleugnen, wollen wir uns nach und nach mit unserem Herrn Jesus Christus bekleiden (vgl. Röm 13,14). Auf diese Weise wird die Ankunft Jesu an Weihnachten nicht nur ein äußeres Ereignis sein, sondern wir werden eine größere Nähe zu diesem Gott erreichen, der ein Kind werden wollte, um in unseren Herzen Platz zu finden.

Der heilige Josefmaria betrachtete die Hoffnung als ein „sanftes Geschenk Gottes (...), das unsere Seelen mit Freude erfüllt“5 . Die Verankerung unseres Lebens in der Vergangenheit unserer Erlösung und in der Zukunft des zweiten Kommens Jesu verleiht der Gegenwart eine göttliche Sanftheit; jeder Augenblick unseres Lebens wird zu einer Begegnung mit Jesus, der gekommen ist und der kommen wird. Maria, unsere Hoffnung, verstand es, ihre eigene Geschichte für die Zukunft Gottes zu öffnen. Deshalb war sie in jedem Augenblick ihres Erdenlebens glücklich.


1 Johannes Paul II., Audienz, 17.12.2003.

2 Benedikt XVI., Predigt, 1.12.2007.

3 Vgl. hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 712: „Dein Sturz ist sehr tief! – Fange von hier unten wieder mit dem Aufbau an.“

4 Franziskus, Patris corde, Nr. 4.

5 Hl. Josemaría, Freunde Gottes, Nr. 206.