„KOMM, HERR, und säume nicht.“1 In der Adventszeit ist das Gebet der Kirche von Sehnsucht nach dem Kommen des erwarteten Messias erfüllt. Jahrhunderte lang harrten die Menschen auf die Ankunft des Erlösers. Nun, da das Geheimnis seiner Geburt kurz bevorsteht, wollen wir die Erwartung und Hoffnung mit der inneren Hingabe des Volkes Israel leben, um dem Herrn voller Freude entgegenzugehen. „Der Herr wird kommen, um sein Volk zu retten; selig, die bereit sind, ihm entgegen zu gehen“, so lautet der Halleluja-Ruf.
Das Motiv der Menschwerdung nannte der heilige Augustinus in einer Frage: „Was ist der Grund des Kommens des Herrn, wenn nicht, seine Liebe zu uns zu zeigen?“2 Es ist die Liebe eines Vaters, der uns zu seinen Kindern machen will, wie es der Apostel Paulus ausdrückt: damit wir die Sohnschaft erlangen (Gal 4,5). Und um die Grenzenlosigkeit dieser Liebe zu illustrieren, lässt der heilige Johannes Chrysostomos Jesus selbst zu uns sprechen: „Für alles, was ich dir gebe, verlange ich keinen Lohn. Im Gegenteil, ich mache mich zu deinem Schuldner, wenn du nur mein Eigentum nutzen wolltest. Gibt es eine Großmut, die dieser gleich käme? Ich bin für dich Vater, Bruder, Bräutigam, Familie, Nahrung, Gewand, Wurzel, Baugrund – alles, was du brauchst, bin ich. Es fehlt dir an nichts. Ich bin auch dein Diener, denn ich bin gekommen, um zu dienen, nicht um mich bedienen zu lassen (Mt 20,28). Ebenso bin ich für dich Freund, Glied, Haupt, Bruder, Schwester, Mutter – ich bin alles für dich, wenn du mir nur vertraust. Deinetwegen bin ich arm, ohne Heimat, gekreuzigt und begraben worden. Im Himmel bin ich dein Anwalt beim Vater, auf Erden sein Gesandter an dich. Du bist für mich alles: Bruder, Miterbe, Freund, Glied. Was willst du noch mehr?“3
Das ganze Leben Jesu ist ein Zeugnis seiner grenzenlosen Liebe und Hingabe für uns. Alle, die sich ihm näherten, konnten dies unmittelbar erfahren. Das heutige Evangelium zeigt uns ein Beispiel seines Erbarmens: Jesus zog von dort weiter und kam an den See von Galiläa. Er stieg auf einen Berg und setzte sich. Da kamen viele Menschen zu ihm und brachten Lahme, Blinde, Verkrüppelte, Stumme und viele andere Kranke; sie legten sie ihm zu Füßen und er heilte sie (Mt 15,29-30). Keines unserer Bedürfnisse ist ihm egal. Unsere Freuden und Sorgen bewegen sein Herz.
DIE MENSCHEN fühlten sich so wohl bei Jesus, dass sie kaum merkten, wie schnell die drei Tage vergingen, die sie in seiner Nähe verbracht hatten. Der Herr aber sah ihre Not und bekannte: Ich habe Mitleid mit diesen Menschen; sie sind schon drei Tage bei mir und haben nichts mehr zu essen. Ich will sie nicht hungrig wegschicken, sonst brechen sie auf dem Weg zusammen (Mt 15,32). Jesu Liebe zeigt sich nicht nur in der Sorge um die großen Herausforderungen des Lebens, sondern auch in seinem Mitleid für die alltäglichen Bedürfnisse der Menschen; seine Lehre entspringt einer Nähe, die die Nöte jedes Einzelnen wahrnimmt.
Jesu Mitleid ist kreativ und vorausschauend. Er denkt an die Schwierigkeiten, die die Menschen auf ihrem Heimweg erwarten könnten. Es genügt ihm nicht, sie drei Tage lang umsorgt zu haben – er möchte sicherstellen, dass sie gestärkt und voller Hoffnung aufbrechen können. Sein Mitleid wird zur Tat: Mit seiner göttlichen Macht vermehrt er die wenigen vorhandenen Brote und Fische und fordert seine Jünger auf, sie an die Menge auszuteilen (vgl. Mt 15,35-37). So stillt der Herr nicht nur ihren Hunger, sondern bewahrt sie auch davor, unterwegs zusammenzubrechen.
Heute, wie damals, rühren Jesus unsere Nöte, und er hilft uns, sie zu beheben. Er möchte nicht, dass wir zusammenbrechen, auch nicht mangels geistlicher Nahrung. Damals setzte er sich auf den Berg, um die Menschen zu empfangen, die zu ihm kamen, und schenkte ihnen Brot für ihren Leib. Heute erwartet er uns im eucharistischen Brot, um uns Nahrung für unsere Seele zu geben. Suchen wir ihn auf, um ihm unsere Bedürfnisse, Freuden und Hoffnungen anzuvertrauen. Wir werden uns zärtlich geliebt fühlen, und die Zeit in seiner Nähe wird wie im Flug vergehen.
UND ALLE aßen und wurden satt. Und sie sammelten die übrig gebliebenen Stücke ein, sieben Körbe voll (Mt 15,37), berichtet das Evangelium und hält fest, dass über viertausend Menschen gespeist wurden. Diese überfließende Großzügigkeit des Herrn kann uns inspirieren, uns in dieser Adventszeit gut auf die Gnaden vorzubereiten, die er uns schenken möchte. „Komm, Herr“, sagen wir zu ihm, „unser Herz erwartet dich. Komm, fülle unsere Leere mit dir, bis auch wir überfließen.“
Die erste Lesung der heutigen Messe spricht auch von einem Mahl. Es ist die Verheißung eines geheimnisvollen Banketts, das Gott für alle Menschen bereiten wird: Der Herr der Heerscharen wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, (...) Er hat den Tod für immer verschlungen und Gott, der Herr, wird die Tränen von jedem Gesicht abwischen und die Schande seines Volkes entfernt er von der ganzen Erde, (...). An jenem Tag wird man sagen: Siehe, das ist unser Gott, auf ihn haben wir gehofft, dass er uns rettet. Das ist der Herr, auf ihn haben wir gehofft. Wir wollen jubeln und uns freuen über seine rettende Tat (Jes 25,6-9).
Dieses göttliche Festmahl wird in der Eucharistie Wirklichkeit – jeden Tag neu. Wenn wir so viel Mühe darauf verwenden, uns auf die Ankunft des Kindes in Bethlehem vorzubereiten, dann sollten wir nicht weniger eifrig sein in der Erwartung unserer täglichen Begegnung mit ihm im heiligen Altarssakrament. Der heilige Josefmaria war sich dessen tief bewusst und widmete einen Großteil des Tages der Vorbereitung auf die Messe, die er am nächsten Morgen feiern würde. Er ermutigte uns: „Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie du dich auf den Empfang der Eucharistie vorbereiten würdest, wenn du nur ein einziges Mal im Leben kommunizieren könntest? – Danken wir Gott, weil er es uns so leicht macht, uns ihm zu nähern! Danken wir ihm, indem wir uns sehr gut darauf vorbereiten, ihn in der heiligen Kommunion zu empfangen.“4
Die Geistige Kommunion ist ein Ausdruck dieser Sehnsucht nach Christus – und erlaubt uns zugleich, uns mit der inneren Haltung Marias zu vereinen: „Ich möchte dich empfangen, Herr, mit jener Reinheit, Demut und Andacht, mit der deine heiligste Mutter dich empfing.“5
1 Stundenbuch, Mittwoch der ersten Adventswoche, Non, Responsorium.
2 Hl. Augustinus, De catechizandis rudibus, Nr. 4.
3 Hl. Johannes Chrysostomus, Homilien über das Evangelium von Matthäus, Nr. 76, 5.
4 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 828.
5 Gebet der geistigen Kommunion, in: Geborgen in Gott, Tag- und Nachtgebete, S. 82.

