Herrenfeste im Jahreskreis (I)

In diesem ersten Artikel über die uns von der Kirche im Jahreskreis vorgestellten Herrenfeste, bringen wir einige Überlegungen zu den vier folgenden: Darstellung des Herrn, Verkündigung des Herrn, Dreifaltigkeitssonntag und Fronleichnam.

· Darstellung des Herrn · Verkündigung des Herrn · Dreifaltigkeitssonntag · Fronleichnam

„So wie ich jetzt im Namen des Herrn zu euch gekommen bin und euch im Namen des Herrn wachend angetroffen habe, so wird der Herr selbst, zu dessen Ehre wir dieses feierliche Fest begehen, seine Kirche im Licht der Seele wachend finden, wenn Er kommt, um sie zu erwecken“ 1. Im Licht der Seele wachen: diese während der Ostervigil vom heiligen Augustinus gesprochenen Worte geben einen guten Abriss über den Sinn der großen Feierlichkeiten und Herrenfeste, die im Jahreskreis über das ganze Jahr verteilt sind: sie erklären im Laufe des Jahres das vom Kreuz und vom leeren Grab kommende Heilsmysterium, welches das Antlitz der Erde erneuert.

„Das einzigartige und identische Zentrum der Liturgie und des christlichen Lebens – das Ostergeheimnis – erhält dann in den verschiedenen Feierlichkeiten und Festen spezifische »Formen« mit weiteren Bedeutungen und besonderen Gnadengaben“ 2. Die Feste der Verklärung und der Kreuzerhöhung sind allen liturgischen Traditionen gemeinsam. Die Hochfeste der Heiligsten Dreifaltigkeit, Fronleichnam, des Heiligsten Herzens Jesu und das Christkönigsfest sind hingegen der römischen Kirche eigene Feste.

Ferner werden im Lauf des Jahreskreises bzw. in der Fastenzeit Herrenfeste mit besonderem Bezug auf das Leben Mariens gefeiert: die Darstellung des Herrn und die Verkündigung des Herrn. Aufgrund ihrer theologischen Ausrichtung gehören aber beide eigentlich zum Zyklus der Ankündigung des Herrn oder Weihnachtszeit. Ihr Platz im liturgischen Kalender ist auf die komplexe Art zurückzuführen, mit der ihr Datum festgelegt wurde.

In diesem ersten Artikel, der den von der Kirche im Jahreskreis vorgesehenen Herrenfesten gewidmet ist, finden sich einige Überlegungen über vier dieser Feiertage: der Darstellung und der Verkündigung des Herrn, dem Dreifaltigkeitssonntag und dem Fronleichnamsfest.

Die Darstellung des Herrn

Im Mosaischen Gesetz war vorgeschrieben, dass in Israel jeder Erstgeborene vierzig Tage nach seiner Geburt dem Herrn geweiht und mit einer in den Tempelschatz einzubringenden Summe ausgelöst werden soll - als Erinnerung an das erste Pascha beim Auszug aus Ägypten.

Das Lukasevangelium beschreibt die Darstellung Jesu im Tempel wie folgt: „Als sich für sie die Tage der vom Gesetz des Moses vorgeschriebenen Reinigung erfüllt hatten, brachten sie das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn darzustellen, wie im Gesetz des Herrn geschrieben ist: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig genannt werden3. Der heilige Josef und die Jungfrau betreten unbeachtet inmitten der Menschenmenge den Tempel. Der von allen Menschen (sehnsüchtig) erwartete kommt wehrlos - in den Armen seiner Mutter - in das Haus seines Vaters.

An diesem Tag ruft uns die Liturgie mit dem Antwortpsalm zur Anbetung des Königs der Herrlichkeit, der sich im Schoß dieser unauffälligen Familie befindet: „ Attollite, portae, capita vestra, et elevamini, portae aeternales, et introibit rex gloriae! – Ihr Tore, hebt eure Häupter, hebt euch, ihr uralten Pforten, denn es kommt der König der Herrlichkeit!“ 4.

Dieses Geheimnis hatte man in der Kirche von Jerusalem seit dem vierten Jahrhundert Jahr für Jahr betrachtet. Das Fest wurde damals am 14. Februar gefeiert, vierzig Tage nach Epiphanie. In Jerusalem hatte man die Liturgie noch nicht an den römischen Brauch angepasst, Weihnachten am 25. Dezember zu feiern. Sobald sich dieser Brauch in der ganzen christlichen Welt verbreitet hatte, wurde das Fest der Darstellung auf den 2. Februar verschoben, was sich alsbald auch im Orient verbreitete.

In Byzanz wurde es im sechsten Jahrhundert von Kaiser Justinian I unter der Bezeichnung Hypapante oder Begegnung Jesu mit dem greisen Simeon eingeführt, der für die Gerechten Israels steht, die lange Zeit hindurch geduldig die Erfüllung der messianischen Prophezeiungen erwartet hatten.

Im siebenten Jahrhundert hat dieses Fest auch im Westen Fuß gefasst. Der volkstümliche Name Candelaria oder Maria Lichtmess geht auf die von Papst Sergius I eingeführte traditionelle Lichterprozession zurück. Gemäß dem Ausruf des greisen Simeon, ist Jesus der Erlöser, „ vor allen Völkern bereitet (...), ein Licht, das die Heiden erleuchtet5. Die Kirche segnet jedes Jahr - zum Gedenken an die Ankunft und Vorstellung des göttlichen Lichts in der Welt - die Kerzen als Symbol für die ständige Gegenwart Jesu und des Lichtes des Glaubens, das die Gläubigen durch das Sakrament der Taufe empfangen. Die Prozession mit den brennenden Kerzen wird so zu einem Ausdruck christlichen Lebens: als ein durch das Licht Christi hell erleuchteten Weg.

Die jährliche Gedächtnisfeier der Darstellung des Herrn im Tempel ist auch ein Marienfest, das deshalb früher auch als Fest der „Reinigung Mariens“ bekannt war. Obwohl Gott Maria von der Erbsünde bewahrt hatte, wollte sie sich als hebräische Mutter „dem Gesetz des Herrn“ unterwerfen und opferte deshalb „ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben“ 6. Dadurch wird das Opfer Mariens zu einem Zeichen ihres Gehorsams durch pünktliche Erfüllung der göttlichen Gebote. Lehrt dich dieses Beispiel nicht, mein törichtes Kind, das heilige Gesetz Gottes trotz aller persönlichen Opfer zu erfüllen? 7.

Verkündigung des Herrn

Die Kirche feiert am 25. März die Ankündigung der Erfüllung der Heilszusagen. Durch die Worte des Erzengels erkennt Maria, dass sie vor Gott Gnade gefunden hat. Durch das Wirken des Heiligen Geistes wird sie einen Sohn empfangen, der Sohn Gottes genannt werden wird. Er wird sein Volk erlösen und den Thron Davids besteigen und sein Reich wird kein Ende haben 8. Es ist das Fest der Fleischwerdung. Der Ewige Sohn des Vaters tritt in die Geschichte ein, Er wird Mensch aus dem Fleisch Mariens, eines demütigen Mädchens aus dem Volk Israel. Seit damals ist die Geschichte „nicht einfach nur eine Abfolge von Jahrhunderten, von Jahren, von Tagen, sondern die Zeit einer Gegenwart, die ihr Bedeutung und Fülle verleiht und sie auf eine feste Hoffnung hin öffnet“ 9.

Möglicherweise wurde dieses Fest in Palästina schon im vierten Jahrhundert gefeiert, denn in dieser Zeit errichtete man in Nazareth über dem Ort, dort wo sich nach der Tradition das Haus Mariens befand, eine Basilika. Dieses marianische Gepräge entnimmt man auch der für dieses Gedächtnis ebenfalls üblichen Bezeichnung „Maria Verkündigung“. Dieses Fest verbreitete sich sehr bald - während des fünften Jahrhunderts - im christlichen Orient und danach im Westen. In der zweiten Hälfte des siebenten Jahrhunderts finden sich bereits Zeugnisse über seine Abhaltung am 25. März in der Römischen Kirche, mit der Bezeichnung Annuntiatio Domini.

Die Datierung dieses Festes geht von einer alten Überlieferung aus, welche die Erschaffung der Welt auf den genauen Zeitpunkt der Tag-Nacht-Gleiche im Frühling festgelegt hatte (am Beginn des christlichen Zeitalters entsprach das dem 25. März nach dem Julianischen Kalender). Der Idee entsprechend, wonach Vollkommenheit die Erfüllung kompletter Zyklen impliziert, überlegten die ersten Christen, dass die Fleischwerdung Christi (Beginn der Neuen Schöpfung), sein Tod am Kreuz und seine Wiederkunft am Ende der Zeiten auf diesen Tag fallen müssten, der damit ausgesprochen bedeutungsvoll erscheint. Auch dürfte die kalendarische Festlegung von Weihnachten – neun Monate nach der Verkündigung – auf diese ursprüngliche Datierung zurückgehen.

Die Messtexte und das Stundengebet dieses Hochfestes konzentrieren sich auf die Betrachtung des fleischgewordenen Wortes. Der Psalm 40 wird im Eröffnungsvers, im Antwortpsalm und in der zweiten Lesung angesprochen und ist für die ganze Feier so etwas wie ein roter Faden: „Siehe ich komme (...). Deinen Willen zu tun, o Gott, war mein Gefallen“ 10. Dem Willen des Vaters gehorsam nimmt Jesus Fleisch an und so wie Jesus, gehorcht seine Mutter. Maria erschrak, machte aber keine Schwierigkeiten: sie zweifelt nicht am Wort des Engels. Vom Glauben bewegt sagt sie ihr JA zum Willen Gottes. Das reine Herz Mariens wird durch die göttliche Herablassung gleichsam von Heiligkeit umgeformt (...). Mariens Demut ist Frucht der unergründlichen, unermesslichen Gnade, die durch die Menschwerdung der zweiten Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit im Schoße der unbefleckt empfangenen, immerwährend jungfräulichen Mutter Gestalt annimmt 11.

Die Allerheiligste Dreifaltigkeit

Am ersten Sonntag nach Pfingsten feiert die Kirche das Hochfest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. An diesem Tag preisen wir den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, den einen Gott in drei Personen: „So beten wir an im Lobpreis des wahren und ewigen Gottes die Sonderheit in den Personen, die Einheit im Wesen und die gleiche Fülle in der Herrlichkeit“ 12.

Ihr habt mich oft sagen hören, dass sich Gott in der Mitte unserer Seele im Stand der Gnade befindet; und dass wir daher alle einen direkten Draht zu Gott, unserem Herrn, haben. Welchen Wert hat jeder menschliche Vergleich, gemessen an dieser wunderbaren göttlichen Wirklichkeit? Am anderen Ende des Drahtes befindet sich und wartet auf uns nicht nur der große Unbekannte, sondern die ganze Dreifaltigkeit, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist (...). Es ist ein Jammer, dass wir Christen vergessen, dass wir Thron der Heiligsten Dreifaltigkeit sind. Ich rate euch, euch daran zu gewöhnen, auf dem tiefsten Grund eures Herzens Gott zu suchen. Das ist das innere Leben 13.

Obwohl dieses Fest im Römischen Kalender erst Mitte des vierzehnten Jahrhunderts eingeführt wurde, gehen seine Ursprünge auf die Väterzeit zurück. Schon der heilige Leo der Große war es gewohnt, seine Lehre über das Mysterium der Dreifaltigkeit im Rahmen der Pfingstzeit darzulegen. Einige seiner Aussagen wurden später in die Präfation der Messe für die Pfingstoktav aufgenommen. In der Folge wurde im Fränkischen Reich eine Messe der Allerheiligsten Dreifaltigkeit zusammengestellt, die sehr früh im ganzen Westen Verbreitung fand, vielleicht um das christliche Volk den wahren Glauben an Gott zu lehren.

Trotzdem hat die Römische Kirche in ihrem Kalender kein besonderes Fest zu Ehren der Heiligsten Dreifaltigkeit festgelegt, denn die Doxologie und die Anrufungen des einen und dreifaltigen Gottes hatten ja in der Liturgie einen zentralen Platz. Diese Situation verhinderte aber nicht, dass einige Diözesen und Ordensgemeinschaften jährlich ein liturgisches Dreifaltigkeitsfest feierten, wenn auch nicht einheitlich an einem bestimmten Tag. Erst Papst Johannes XXII setzte schließlich im Römischen Kalender, im Jahr 1334, das Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit für den Sonntag nach Pfingsten fest. Andererseits widmen die Kirchen des christlichen Orients, obwohl diese kein spezielles Fest festgelegt hatten, den Großteil der Gesänge für den Pfingstsonntag der Betrachtung des Geheimnisses der Dreifaltigkeit.

Fronleichnam

Das Hochfest des Leibes und Blutes Christi („ Corpus Christi“, Fronleichnam) ist im Mittelalter als Frucht der eucharistischen Frömmigkeit entstanden. Damit wurde nach verschiedenen theologischen Auseinandersetzungen dieses Dogma bestätigt. Das erste Mal wurde dieses Fest im Jahr 1247 in Lüttich auf Bitte der heiligen Juliana de Mont-Cornillon begangen. Diese Ordensfrau widmete den Großteil ihres Lebens der Förderung der Verehrung des heiligen Altarssakraments. Unter dem Eindruck des eucharistischen Wunders von Bolsena legte Papst Urban IV im Jahr 1264 das Hochfest zu Ehren dieses Allerheiligsten Sakraments für die ganze Kirche für den Donnerstag nach der Pfingstoktav fest. Das genannte Wunder bezeugt der Bau der monumentalen Domkirche von Orvieto. Die Einsetzungsbulle für dieses Fest enthält im Anhang Texte für Messe und Stundengebet, die laut der Überlieferung von Thomas von Aquin verfasst wurden. Die Antiphon O sacrum convivium für die zweite Vesper dieses Festes fasst in bewundernswerter Weise den Glauben der Kirche, das Mysterium fidei, zusammen: „O heiliges Mahl, in dem Christus unsere Speise ist: Gedächtnis seines Leidens, Fülle der Gnade, Unterpfand der künftigen Herrlichkeit“ 14. An diesem Festtag sagte der Papst: „Jeder von uns kann sich heute fragen: Und ich? Wo will ich essen? Von welchem Tisch will ich mich ernähren? Vom Tisch des Herrn? Oder träume ich davon, schmackhafte Speisen zu essen, aber in der Sklaverei? Und dann kann sich jeder von uns fragen: Wem gilt meine Erinnerung? Dem Herrn, der mich rettet, oder dem Knoblauch und den Zwiebeln der Sklaverei? Mit welcher Erinnerung sättige ich meine Seele?“ 15.

Da sich bei diesem Fest alles um die Anbetung des Allerheiligsten Sakraments dreht und um den Glauben an die Realpräsenz Christi unter den eucharistischen Gestalten, ist es ganz natürlich, dass schon im vierzehnten Jahrhundert der Brauch entstand, den Herrn im Sakrament durch die Straßen der Städte zu begleiten. Davor wurde das Allerheiligste bei der Palmprozession vom Palmsonntag vorangetragen oder am Ostermorgen feierlich vom Aufbewahrungsort oder vom „Heiligen Grab“ zum Hauptaltar der Kirche gebracht. Die Fronleichnamsprozession als solche wird in Rom definitiv im XV. Jahrhundert eingeführt. In den letzten Jahren erleben wir – Gott sei Dank – ein Wiederaufleben dieser Verehrung, und das sogar an Orten, an denen sie seit Jahrhunderten verschwunden war. Wir machen uns die Empfindungen des heiligen Josefmaria vom Fronleichnamsfest 1971 zu eigen: Als ich an diesem Morgen die Frühmesse feierte, habe ich unserem Herrn in Gedanken gesagt: Ich begleite dich bei allen Prozessionen in der Welt, bei allen Tabernakeln wo man dich verehrt und an allen Orten wo du bist und dort nicht verehrt wirst.16

José Luis Gutiérrez


1 Augustinus, Predigten 223 D (PL Supplementum 2, 717-718).

2 Benedikt XVI, Homilie, 31.5.2009.

3 Lk 2,22-23.

4 Ps 24,7.

5 Lk 2,31-32.

6 Lk 2,24.

7 Hl. Josefmaria, Der Rosenkranz, Die freudenreichen Geheimnisse IV.

8 Vgl. Lk 1,26-33.

9 Benedikt XVI, Audienz vom 12.12.2012.

10 Vgl. Ps 40,8-9.

11 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 96.

12 Römisches Messbuch (SCHOTT), Präfation von der Heiligsten Dreifaltigkeit.

13 Hl. Josefmaria, Mitschrift vom 8.12.1972 (zitiert in Burkhart – López, Alltag und Heiligkeit in der Lehre des heiligen Josefmaria, Köln 2015, S. 315f).

14 Antiphon ad Magnificat, II. Vesper des Hochfestes des Leibes und Blutes Christi.

15 Papst Franziskus, Homilie vom 19.6.2014 (Vgl. Num 11, 4-6).

16 J. Echevarría, Memoria del Beato Josemaría Escrivá , Madrid 2000, S. 240.