Betrachtungstext: Montag nach Pfingsten – Heilige Maria, Mutter der Kirche

Die mütterliche Gegenwart Marias in der Kirche – Maria, deine und meine Mutter – Wie Maria bringt uns die Kirche Christus

Maria, Mutter der Kirche. Mosaik am Peterplatz, Rom

NACH DER HIMMELFAHRT des Herrn kamen die Jünger im Abendmahlssaal zusammen, die wie Apostelgeschichte berichtet. Sie blieben alle einmütig im Gebet, zusammen mit einigen der Frauen und Maria, der Mutter Jesu (Apg 1,14). Die Tradition hat in dieser Szene ein Zeugnis dafür gesehen, dass die Gottesgebärerin ihre Mutterschaft über die ganze Kirche ausübt. In ihr vereinen sich zwei Schlüsselmomente der Heilsgeschichte: die Menschwerdung des Wortes und die Geburt der Kirche. So wird die Frau, „die im Geheimnis Christi als Mutter gegenwärtig ist“, wie der heilige Johannes Paul II. schrieb, „auch gegenwärtig im Geheimnis der Kirche. Auch in der Kirche bleibt sie mütterlich zugegen.1 

Eine Mutter tut vom Mutterleib an ihr Bestes für ihr Kind. Ihr ist anvertraut, diese ihr von Gott gegebene Gabe voranzubringen. Nachdem das Kind geboren ist, schützt und umsorgt sie es weiterhin, und wenn es heranwächst, hilft sie ihm, sich im Leben zurechtzufinden. Das Evangelium überliefert uns einige Momente der Fürsorge der Gottesmutter für Jesus. Und die Apostelgeschichte bezeugt dieselbe Haltung der Jungfrau gegenüber der entstehenden Kirche: ein Wachen über die Apostel und die ersten Christen. Es war wie eine Schwangerschaft inmitten von Verfolgungen und Schwierigkeiten, in der ihre Hilfe besonders nötig war. Papst Benedikt bezeichnet sie als „die demütige und diskrete Hauptperson der ersten Schritte der christlichen Gemeinde: Maria ist deren geistliches Herz, da ihre Gegenwart inmitten der Jünger lebendiges Gedächtnis Jesu, des Herrn, und Unterpfand der Gabe seines Geistes ist.“2

Auch heute tut Maria ihr Bestes für jedes ihrer Kinder, das die Kirche auferbaut. Uns als Teil eines Volkes zu fühlen, das ein und dieselbe Mutter hat, wird uns helfen, uns mit allen der Kirche zugehörigen Gläubigen eins zu wissen, so wie es die ersten Christen taten. „Bitte Gott darum, dass in der heiligen Kirche, unserer Mutter, die Herzen aller – wie zur Zeit der Urchristen – als ein einziges Herz schlagen“, rät uns der heilige Josefmaria, „damit das Wort der Schrift sich bis zum Ende der Zeiten wirklich erfülle: Multitudinis autem credentium erat cor unum et anima una – die Gläubigen waren ein Herz und eine Seele.“3


ALS DER HERR Johannes von der Höhe des Kreuzes aus ansprach, schenkte er ihm etwas, das er sich bis zuletzt bewahren wollte: die Liebe seiner Mutter. In den schwersten Momenten seines Lebens wollte Jesus nicht auf ihre Hilfe verzichten. Er war Gott, aber er benötigte ihre Unterstützung und Nähe, um uns zu retten. Und als es vollbracht war, gab er uns das Einzige, was er noch hatte, indem er sagte: Frau, siehe, dein Sohn! (...) Siehe, deine Mutter! (Joh 19,26-27).

Die Gottesmutter hilft uns, durchzuhalten, wenn der Weg mühsamer wird. Das Hell-Dunkel des Glaubens blieb auch unserer Mutter nicht erspart. In schwierigeren Momenten kann uns niemand so begleiten wie sie, damit sie eine Zeit des Wachstums und der Reife werden. Wir wollen uns mit Papst Franziskus fragen: „Lassen wir uns erleuchten vom Glauben Marias, die unsere Mutter ist? Oder meinen wir, sie sei uns fern und ganz anders als wir? Blicken wir in Augenblicken der Schwierigkeiten, der Prüfung, der Dunkelheit auf sie als Vorbild des Vertrauens auf Gott, der immer nur unser Wohl will?“4 

Mit den Worten: Siehe, deine Mutter! (Joh 19,27), lädt Jesus alle Christen ein, Maria in ihr Leben aufzunehmen. Er möchte, dass wir uns ihr vertrauensvoll nähern. „Mächtig vor Gott, erlangt sie für uns das, was wir erbitten“, ermuntert uns der heilige Josefmaria zu höchster Zuversicht, „denn als Mutter will sie es uns gewähren. Und als Mutter begreift und versteht sie auch unsere Schwäche; sie ermutigt uns, sie entschuldigt uns, sie bereitet uns den Weg, sie kommt uns immer zu Hilfe, auch da, wo Hilfe unmöglich erscheint.5


ALS MARIA HÖRTE, dass ihre Cousine schwanger war, ging sie eilends in das Bergland, in eine Stadt Judas, und trat in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth (Lk 1,39). Abgesehen von der materiellen Hilfe, die Maria ihrer Verwandten in jenen Tagen leisten konnte, brachte sie ihr vor allem Jesus und mit ihm die vollkommenste Freude. Sowohl Elisabeth als auch Zacharias werden sich über die Schwangerschaft, die unmöglich geschienen hatte, sicher gefreut haben. Aber es ist Maria, die ihnen durch die Begegnung mit Jesus und dem Heiligen Geist die vollkommene Freude bringt.

„Die Gottesmutter will auch uns, uns allen, das große Geschenk bringen, das Jesus ist“, sagte Papst Franziskus: „Und mit ihm bringt sie uns seine Liebe, seinen Frieden, seine Freude. So ist die Kirche wie Maria: (...) die Kirche ist gesandt, allen Menschen Christus und sein Evangelium zu bringen.“6 Darin besteht der Kern des Lebens der Kirche und jedes Christen: die Liebe Jesu zu allen Seelen zu bringen, wie es die Gottesmutter mit Elisabeth getan hat. Die Kirche erinnert uns daran, dass das wahre Glück nicht von Erfolg, Reichtum oder Vergnügen abhängt, sondern davon, dass man Christus ins eigene Leben aufnimmt: Nur er kann allertiefste Freude schenken.

Wenn wir uns Maria zum Vorbild nehmen, kann Jesus durch die Gnade in den Seelen unserer Mitmenschen geboren werden. „Die Ausrichtung an Maria“, führt der Gründer des Opus Dei aus, „lässt uns irgendwie an ihrer geistigen Mutterschaft Anteil haben; und dies geschieht, wie bei unserer Herrin, im Stillen, unbemerkt, ohne viele Worte, durch das Zeugnis eines ganzheitlichen und kohärenten christlichen Verhaltens und die großzügige unaufhörliche Wiederholung des fiat, es geschehe!, das unsere Verbundenheit mit Gott laufend erneuert.“7


1 Hl. Johannes Paul II., Redemptoris Mater, Nr. 24.

2 Benedikt XVI., Regina Coeli-Gebet, 9.5.2010.

3 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 632.

4 Franziskus, Audienz, 23.10.2013.

5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 292.

6 Franziskus, Audienz, 23.10.2013.

7 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 281.