Betrachtungstext: Osteroktav – Samstag

Jesus ruft alle dazu auf, Apostel zu sein – Gott rechnet mit unseren Stärken und unseren Schwächen – Im auferstandenen Christus Kraft finden

ALS ERSTES erschien der auferstandene Christus Maria Magdalena, wie uns der Evangelist Markus berichtet. Danach begleitete Jesus die beiden Jünger von Emmaus und erschien schließlich den elf Aposteln (vgl. Mk 16,9-15). Bei all diesen Erscheinungen wollte Jesus ihnen wieder den Frieden bringen, ihren Glauben erwecken und die apostolische Sendung, zu der sie berufen waren, neu bekräftigen. Es ist wahr, dass seine Jünger Feiglinge waren, als der Meister sie am meisten brauchte. Selbst nach der Auferstehung waren sie noch verwirrt und voller Zweifel. Als Christus vor die Elf trat, tadelte er ihren Unglauben und ihre Verstocktheit, weil sie denen nicht glaubten, die ihn nach seiner Auferstehung gesehen hatten (Mk 16,14).

Und doch zögerte Jesus nicht, sie in ihrer Berufung zu bestätigen: Sie waren auserwählt worden, seine Zeugen zu sein, er wollte sie nicht durch andere ersetzen. Der Besuch endete mit dem göttlichen Auftrag: Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung! (Mk 16,15). Die Gabe, zur apostolischen Sendung berufen zu sein, wurde ihnen erteilt, auch wenn sie nicht besonders stark oder besonders gut vorbereitet waren. Das erklärt die Aufregung, die Petrus und Johannes auslösten, als sie Wochen später einen Gelähmten heilten und die Leute zu ihrer Verwunderung merkten, dass es ungebildete und einfache Leute waren (Apg 4,13).

Die Apostel werden, mit ihren Gaben und Fehlern, „Menschenfischer“ sein, entsandt auf alle Meere der Erde. So werden alle erkennen, dass die Erlösung Gottes Werk ist. „Jeder Mann und jede Frau ist eine Mission“, predigte Papst Franziskus, „und das ist der Grund weshalb der Mensch auf Erden ist. (...) Die Tatsache, dass wir nicht aus eigenem Entschluss hier auf Erden sind, lässt uns erahnen, dass es eine uns zuvorkommende Initiative gibt, die uns leben lässt. Jeder von uns ist aufgerufen, darüber nachzudenken: ,Ich bin eine Mission auf dieser Erde, und ihretwegen bin ich auf dieser Welt (Evangelii Gaudium, 273).1


DER HEILIGE Paulus verstand gut, was es bedeutete, Apostel Jesu Christi zu sein, und drückte es mit folgenden Worten aus: Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt. Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark (2 Kor 12,9-10). Die eigene Schwäche kann für den Jünger eine Stärke sein, denn wenn wir sehen, dass wir ohne eigene Mittel dastehen, entdecken wir, dass wir die größte Gabe besitzen, die immer bleibt: Gott, der sich uns als Ganzes schenkt. Deshalb rühmt sich der Völkerapostel seiner Schwächen, wie Papst Benedikt schreibt: „Er rühmt sich also nicht seiner Taten, sondern des Handelns Christi, das gerade in seiner Schwachheit wirkt.“2

Bei der Verkündigung der Botschaft Christi braucht uns die Erfahrung unserer eigenen Verwundbarkeit nicht zu erschüttern, solange wir eine demütige Haltung einnehmen und volles Vertrauen in Gottes Handeln haben. Die Evangelisierung, für die sich die Kirche einsetzt, ist die seinige und nicht die unsrige. Wie der heilige Paulus fühlen wir uns als zerbrechliches Gefäß (2 Kor 4,7), das Gott mit dem Schatz seiner Gnade füllt und so unverdientermaßen unschätzbare Juwelen in sich aufnimmt.

Das Reich Gottes wird nicht bloß durch eine gute menschliche Strategie verwirklicht, und stützt sich auch nicht allein auf unsere Fähigkeit, neuen Herausforderungen zu begegnen. All das mag sicherlich Teil unserer Mitwirkung sein, doch die Kraft und das Wissen für unseren Auftrag finden wir bei Gott. Der Herr nimmt uns in sein Reich auf, da er mit uns für dessen Ausweitung rechnen will: Das erstaunt. Papst Benedikt erklärt: „In dem Maße also, in dem unsere Vereinigung mit dem Herrn wächst und unser Gebet tiefer wird, nähern auch wir uns dem Wesentlichen und verstehen, dass nicht die Kraft unserer Mittel, unserer Tugenden, unserer Fähigkeiten das Reich Gottes verwirklicht, sondern dass Gott gerade durch unsere Schwachheit, unsere Unzulänglichkeit bei dem, was uns aufgetragen ist, Wunder wirkt.“3


GEHT HINAUS in die ganze Welt und verkündet das Evangelium (Mk 16,15). Dies ist der gebieterische Befehl des Meisters. Die Apostel waren im selben Haus versammelt, vielleicht am selben Tisch, wo Jesus ihnen sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken gegeben hatte. Sie rechtfertigten sich nicht für ihren Mangel an Treue oder Standhaftigkeit. Sie entschuldigten sich auch nicht beim Auferstandenen. Doch sicherlich dachten sie, dass diese Sendung ihre Kräfte überstieg. Wie mögen sie sich gefühlt haben, als sie Jesu Worte hörten? Sicher war ihnen schwindelig angesichts einer so ehrgeizigen Botschaft: „Werden wir es schaffen, in die ganze Welt zu gelangen“, mögen sie sich gefragt haben, „wenn wir nicht einmal den Menschen in unserer eigenen Stadt entgegentreten können?“

Solange sie nur auf sich selbst schauten, konnten sie leicht davon überzeugt sein, dass diese Mission utopisch war. Doch als sie auf den Auferstandenen blickten, änderte sich alles: Sie sahen seine Handflächen, auch seine Seite und in seine Augen; wenn Jesus wollte, dass sie die ganze Welt bereisten, würden sie es in seinem Namen tun. Der heilige Josefmaria schlug für diese Sendung folgende Route vor: „Jesus Christus kennenlernen, dazu beitragen, dass andere ihn kennenlernen, ihn überallhin tragen.“4 Diese Sendung, die alle Getauften betrifft, wird vor allem dadurch erfüllt, dass wir uns von ihm anziehen lassen, wozu Papst Benedikt einlud: „Lasst euch von ihm lieben, und ihr werdet die Zeugen sein, die die Welt braucht.“5 So wie es Petrus erging, ist unsere eigene Erfahrung der Liebe des Herrn der Ausgangspunkt, um andere für diese Liebe zu gewinnen: Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben (Apg 4,20).

Der Glaube wächst durch das persönliche Zeugnis, und er wird in der Sendung gestärkt. Auf diese Weise sind wir sicher, dass die Verkündigung Christi das Wertvollste ist, das wir schenken können. Maria ermutigt uns wie eine gute Mutter, damit wir mit Gottes Gnade das Beste von uns selbst zu geben verstehen.


1 Franziskus, Botschaft, 20.5.2018.

2 Benedikt XVI., Audienz, 13.62012.

3 Ebd.

4 Hl. Josefmaria, zitiert in: Pedro Casciaro, Nicht einmal im Traum, Adamas, Köln 2002, S. 41.

5 Benedikt XVI., Botschaft zum Weltjugendtag, 18.10.2012.