Betrachtungstext: Heiligstes Herz Jesu (C)

Wir sind das Blut Christi wert. - Ein Herz, das nie aufhört, uns zu suchen. - Sich zurück auf den Weg begeben.

DER RATSCHLUSS des Herrn bleibt ewig bestehen, die Pläne seines Herzens überdauern die Zeiten. Er will uns dem Tod entreißen und in der Hungersnot unser Leben erhalten1. Die Kirche bietet uns diese Worte des Psalmisten an, um in das Geheimnis des Heiligsten Herzens Jesu und seiner Liebe zu uns einzutreten. Sie erinnern uns daran, dass das Herz Gottes Projekte birgt, die die persönliche Geschichte eines jeden Menschen umfassen; dass es Projekte der Freiheit und des Lebens sind. Wir sind nicht das zufällige und sinnlose Produkt der Evolution. Jeder von uns ist Frucht eines Gedankens Gottes. Jeder ist gewollt, jeder ist geliebt, jeder ist gebraucht2.

Wir können Jesus am Kreuz betrachten, der sich das Herz durchbohren ließ, um uns einen weiteren Beweis dafür zu liefern, dass er uns bedingungslos liebt. Der heilige Ambrosius weist darauf hin, dass wie Eva aus der Seite des schlafenden Adam geformt wurde, so ist die Kirche aus dem durchbohrten Herzen des am Kreuz gestorbenen Christus geboren3. Wir können in gewissem Sinne sagen, dass unser Ursprung in dem durchbohrten Herzen Jesu liegt. Unser Leben als Christen entspringt aus dieser Seite, die wie eine Quelle ist, zu der wir immer wieder zurückkehren können, um Kraft für unseren Weg zu schöpfen.

Jesus am Kreuz, sein Herz durchbohrt aus Liebe zu den Menschen: das ist die deutliche Antwort ‒ Worte sind hier überflüssig auf die Frage nach dem Wert der Dinge und der Menschen. Soviel sind die Menschen, ihr Leben und ihr Glück wert, daß der Sohn Gottes sich selbst hingibt, um sie zu erlösen, sie zu läutern, sie aufzurichten4. Wenn wir das Heiligste Herz des Herrn feiern, erkennen wir, dass es jenseits von Leiden und Niederlagen jemanden gibt, für den wir unersetzlich sind. Deshalb können wir im Gebet, im Dialog von Herz zu Herz mit Christus, immer wieder Freude und Zuversicht zurückgewinnen.

GELEGENTLICH KANN unser Friede bedroht sein, wenn wir die Gegenwart der Sünde in unserem Leben entdecken; vielleicht geschieht es in Zeiten, in denen wir in Versuchung geraten und uns in unsere eigenen Laster verstricken. Eigentlich hassen wir die Sünde, die uns von Gott wegführt, die uns und anderen schadet, aber wir scheinen nicht aus ihr herauszufinden. In solchen Zeiten scheint unser Wille zu ruhen, und vielleicht haben wir den Eindruck, dass wir im geistlichen Leben gelähmt sind. Wenn wir das Gefühl haben, dass unser Herz irgendwie nicht reagiert, können wir uns daran erinnern, dass das Herz Jesu immer aufmerksam wacht. Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern (Lk 15,4-5). Christus ist der gute Hirte, der uns immer wieder sucht, der sich auf den Weg macht, um uns zu finden und um uns wieder auf seine Schultern zu nehmen. Zu wissen, dass sein Herz nicht schläft, auch wenn es scheint, dass das unsere weit weg ist, erfüllt uns mit Zuversicht, um unsere täglichen Kämpfe neu zu beginnen.

Das Herz des Guten Hirten sagt uns, dass seine Liebe keine Grenzen kennt, dass es nicht müde wird und niemals aufgibt. (...) Das Herz des Guten Hirten streckt sich uns entgegen, es ist auf den „gepolt“, der am weitesten entfernt ist; hartnäckig zeigt die Nadel seines Kompasses dorthin, dort offenbart es eine besondere Schwäche der Liebe, denn es möchte alle erreichen und niemanden verlieren5. Unsere Sünden sind kein Grund mehr, uns in unserer Sehnsucht, bei Gott zu sein, zu entmutigen. Der Herr erlaubt uns, Schwäche zu erfahren, und das eröffnet uns die Möglichkeit der Demut; er rechnet mit unseren Anstrengungen, damit wir uns, angetrieben von seiner Gnade, erheben können. Manchmal erfüllt sich die die Heilsgeschichte »gegen alle Hoffnung […] voll Hoffnung« (Röm 4,18) durch unsere Schwachheit hindurch. Allzu oft denken wir, dass Gott sich nur auf unsere guten und starken Seiten verlässt, während sich in Wirklichkeit die meisten seiner Pläne durch und trotz unserer Schwachheit realisieren6.

AM KREUZ LÄSST Jesus die Lanze seine Seite durchbohren. Das Herz des Erlösers steht offen für alle, damit sie freudig schöpfen aus den Quellen des Heils7. Die Betrachtung Christi auf diese Weise wird uns helfen, unseren Mut zu wecken und den Weg zurück zur Freundschaft mit Gott zu finden.Birg dich in den Wunden seiner Hände, seiner Füße, seiner Seite, rät der heilige Josefmaria. Dein Wille, neu zu beginnen, wird erstarken. Du wirst dich von neuem auf den Weg machen, mit mehr Entschlossenheit, mit mehr Wirksamkeit8. Wenn wir aus der Falle der Entmutigung herauskommen wollen, ist das beste Mittel, weniger an unsere Grenzen zu denken und ruhig auf das Herz zu schauen, das sich von den Sünden aller hat durchbohren lassen.

Unzulänglichkeiten und Fehltritte begleiten dich ständig,sagte der Gründer des Opus Dei, und sie tun weh! Gleichzeitig aber gehst du deinen Weg weiter, und dein Herz möchte vor Freude zerspringen… Weil deine Niederlagen Grund sind für den Schmerz aus Liebe, können sie dir nicht mehr den Frieden rauben9. Gott will nicht, dass unsere Sünden uns mit Traurigkeit erfüllen oder eine Last sind, die wir in unserem Herzen mit uns herumtragen. Deshalb hat er uns die Beichte hinterlassen, damit wir die Freude wiederfinden können, so oft wir sie brauchen. Es ist kein Gefühl, das eine gewisse Entmutigung darüber verbirgt, dass wir nicht das erreicht haben, was andere ‒ oder wir selbst ‒ erwartet haben: Es ist ein Schmerz, der die Frucht der Liebe zu einem Gott ist, der alles für uns tut, was notwendig ist.

Im Herzen Christi werden wir immer einen Platz haben, an den wir zurückkehren können. Es genügt, sich klein zu machen und durch Demut dorthin zu gelangen. Und wenn es uns einmal schwer fällt, zurück auf den Weg zu gehen, können wir auf die Hilfe Mariens zählen: Sie zeigt uns mit ihrem mütterlichen Blick den Weg, um in die offene Seite ihres Sohnes einzutreten.


1 Römisches Messbuch, Hochfest vom Heiligsten Herzen Jesu, Eröffnungsvers (vgl. Ps 32, 11.19).

2 Benedikt XVI., Predigt, 24-IV-2005.

3 Vgl. hl. Ambrosius, Lukaskommentar, 2, 85-89, zitiert im Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 766.

4 Hl Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 165.

5 Papst Franziskus, Predigt, 3-VI-2016.

6 Papst Franziskus, Patris Corde, n. 2.

7 Römisches Messbuch, Hochfest vom Heiligsten Herzen Jesu, Präfation.

8 Hl. Josefmaria, Der Kreuzweg, XII. Station, Nr. 2.

9 Hl. Josefmaria, Spur, Nr. 861.