Betrachtungstext: 5. Woche der Fastenzeit – Montag

Jesus ist das Licht der Welt – Ein leuchtender Blick – Der Herr ist mein Hirte

ICH BIN das Licht der Welt, verkündete Jesus den Pharisäern, als er im Tempel lehrte, wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben (Joh 8,12). In der Dunkelheit der Nacht erleben wir, wie sich die Gestalt der Dinge rings um uns auflöst, und verlieren die Orientierung. Doch sobald ein Licht aufgeht, hat alles wieder seine Form und seinen Sinn.

In den Worten, in welchen sich der Herr als unser Licht erklärt, finden wir in dunklen Momenten, wenn uns Niedergeschlagenheit oder Traurigkeit erfasst, unsere Zuflucht. „Wer an Jesus glaubt“, schreibt Papst Benedikt, „hat sicherlich nicht immer Sonnenschein im Leben, so als ob ihm Leiden und Schwierigkeiten erspart bleiben könnten, aber es gibt da immer einen hellen Schein, der ihm einen Weg zeigt, den Weg, der zum Leben in Fülle führt (vgl. Joh 10,10). Wer an Christus glaubt, dessen Augen sehen auch in der dunkelsten Nacht ein Licht und sehen schon das Leuchten eines neuen Tages.“1

Bleibe bei uns; denn es wird Abend, der Tag hat sich schon geneigt! (Lk 24,29), lädt einer der beiden Emmaus‒Jünger Christus zum Verweilen ein. Auch wir können mehrmals am Tag das Bedürfnis spüren, den Herrn zu bitten, nicht von unserer Seite zu weichen. Wegen unserer Zweifel, Verletzungen und Fragen haben wir es nötig, vom Licht seines Wortes erhellt zu werden. Und wie bei jenen betrübt heimwärts wandernden Jüngern wird Christus auch bei uns einkehren und die Finsternis vertreiben. „In den Schatten des zu Ende gehenden Tages und in der Dunkelheit, die ihr Herz einzuhüllen drohte“, schildert Johannes Pauls II. die Emmaus-Szene, „war jener Wanderer ein Lichtstrahl, der Hoffnung zu wecken vermochte und ihren Geist für den Wunsch nach der Fülle des Lichts öffnete.2


DAS LICHT Christi hilft uns, die Schönheit zu entdecken, die in den verschiedenen Ereignissen und Menschen verborgen ist, die unser Leben ausmachen. Gelegentlich sind wir frustriert, wenn sich die Dinge nicht wie geplant entwickeln, wir machen uns Sorgen wegen einer schief gelaufenen Begegnung mit einer uns nahestehenden Person, oder haben den Eindruck, dass unsere Gesellschaft von Problemen schier erdrückt wird. Auch unsere eigenen Grenzen können uns gelegentlich sehr bewusst werden. Wenn wir uns aber vom Licht Christi erfüllen lassen, werden wir nicht nur den Trost finden, mit all dem fertig zu werden, sondern werden so weit kommen, dass wir, mit Worten des Prälaten des Opus Dei, auf die Welt blicken und „nicht bloß aus natürlicher Veranlagung heraus die positive, manchmal auch lustige Seite der Dinge und Situationen3 entdecken.

In der Regel ist es schwierig, die definitive Augenfarbe eines Neugeborenen zu bestimmen, denn seine Augen werden erst mit der Zeit ihren wahren Farbton erlangen. Etwas Ähnliches geschieht bei unserem Gebet. Sooft wir uns an den Herrn wenden, kann sich unser manchmal grauer Blick in ein leuchtendes, dankbares Schauen auf alles, was uns umgibt, verwandeln. Papst Franziskus rät: „Wir wollen uns einige Momente sammeln, jeden Tag ein wenig, wir heften den inneren Blick auf sein Antlitz und lassen es zu, dass sein Licht uns durchdringt und in unser Leben ausstrahlt.4

Jesus unterstrich einmal die Bedeutung der Augen für das innere Leben: Die Leuchte des Leibes ist das Auge. Wenn dein Auge gesund ist, dann wird dein ganzer Leib hell sein (Mt 6,22-23). Wir wollen nicht nur das Licht unseres Herrn, sondern in diesem Licht Christi auch unsere Mitmenschen sehen. Deshalb lehrte uns der heilige Josefmaria, oft folgendermaßen zu bitten: „Möge ich mit deinen Augen sehen, mein Christus, Jesus meiner Seele.5


DER HERR ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen, betet der Psalmist, er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser (Ps 22,3). Wenn Christus unser Hirte ist, welche Dunkelheit kann uns dann noch erschrecken? Papst Benedikt lehrt: „Wer mit dem Herrn wandert, der fühlt sich sicher, auch in der finsteren Schlucht des Leidens, der Ungewissheit und aller menschlichen Probleme. Du bist bei mir: Das ist die Gewissheit, die uns stützt.“6

Diese Realität fließt ein in die Art und Weise, wie wir uns dem täglichen Geschehen stellen. Jesus schenkt sein Licht für die besten wie für die schlechtesten Momente des Tages. Der heilige Josefmaria legt uns nahe, uns daran zu orientieren: „Dies ist das mächtige Licht, das unser Leben erhellt und uns ermutigt, in allen Schwierigkeiten und persönlichen Schwächen weiterzugehen.7 Deshalb spiegelt jede christliche Familie – über die kleinen oder großen Widerwärtigkeiten, die sie zu bewältigen hat, hinaus – eine tiefe Gelassenheit wider, die Frucht ihres Gottvertrauens ist. Es ist dieselbe Ruhe, die ein Kind empfindet, das sich im Dunkeln nicht fürchtet, weil es weiß, dass sein Vater in der Nähe ist.

Wenn unsere Seele voll Glauben ist“, lehrte der heilige Josefmaria, „werden wir allem, was hier auf Erden geschieht, nur eine relative Bedeutung beimessen. So hielten es die Heiligen ... Der Herr und seine Mutter verlassen uns nicht. Und immer, wenn es nötig ist, werden sie uns zur Seite stehen, um die Herzen der Ihren mit Frieden und Sicherheit zu erfüllen.8 Wenn wir spüren, dass diese Dunkelheit spürbarer wird, wenden wir uns als gute Kinder an unsere Mutter und rufen ihr in der Gewissheit, dass sie uns hört, zu: „Mutter! Mutter! Verlass mich nicht.“9


1 Benedikt XVI., Ansprache, 24.9.2011.

2 Hl. Johannes Paul II., Mane nobiscum Domine.

3 Fernando Ocáriz, Pastoralbrief, 9.1.2018, Nr. 6.

4 Franziskus, Angelus-Gebet, 17.3.2019.

5 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen von einer Betrachtung, 19.3.1975.

6 Benedikt XVI., Audienz, 5.10.2011.

7 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 22.

8 Hl. Josefmaria, Kreuzweg, IV. Station, Nr. 5.

9 Ebd., Nr. 3.