Betrachtungstext: 33. Woche im Jahreskreis – Samstag

Gott wird uns im ewigen Leben mit seiner Liebe und Barmherzigkeit überraschen – Der Herr hat einen Bund mit uns geschlossen – Das zukünftige Leben erhellt unser irdisches Leben

WIR GLAUBEN AN und erwarten „die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt“, wie es in den Glaubenssymbola1, den Kompendien der christlichen Lehre, verankert ist. Anlässlich des bevorstehenden Hochfestes Christkönig lädt uns die Kirche am Vorabend dieses bedeutenden Tages ein, über die Auferstehung des Fleisches nachzudenken. Diese Glaubenswahrheit war von Anfang an ein zentraler Bestandteil der Botschaft, die die Apostel verkündeten.

Unter den Juden herrschte Uneinigkeit über die Möglichkeit eines ewigen Lebens. Die Sadduzäer verneinten die Auferstehung des Fleisches und behaupteten, wie Origines bezeugt, „dass die Seele mit dem Leib stirbt“2. Die Pharisäer hingegen hielten an einem Leben nach dem Tod fest, das sowohl in der Heiligen Schrift (vgl. Dtn 12,2-3) als auch in der mündlichen Überlieferung (vgl. Apg 23,8) bezeugt wurde. Bei einer bestimmten Gelegenheit konfrontierten einige Sadduzäer Jesus mit dem Thema, in der Absicht, den Glauben an die Auferstehung lächerlich zu machen. Sie hatten dazu einen imaginären verworrenen Fall konstruiert: Eine Frau hatte sieben Ehemänner, allesamt Brüder aus derselben Familie, die nacheinander starben, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Aus dieser Situation leiteten sie folgende Frage ab: Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? (Lk 20,33).

Jesus antwortete geduldig und klärte gleichzeitig darüber auf, dass das Leben nach dem Tod nicht nach dem gleichen Muster verläuft wie das Leben auf Erden. Das ewige Leben ist ein „anderes“ Leben. Die Auferstandenen, so erklärte Jesus, werden den Engeln gleich sein (Lk 20,36), sie werden in einem anderen Zustand leben, den wir nicht kennen und nicht voraussehen können. Papst Franziskus kommentiert dazu: „In Jesus schenkt uns Gott das ewige Leben, er schenkt es allen, und alle haben durch ihn die Hoffnung auf ein noch wahreres Leben als dieses. Das Leben, das Gott für uns vorbereitet, ist keine einfache Verbesserung dieses aktuellen Lebens: es übersteigt unsere Vorstellungskraft, weil Gott uns fortwährend mit seiner Liebe und mit seinem Erbarmen in Erstaunen versetzt.“3


IN SEINER einfachen, doch zugleich originellen Antwort an die Sadduzäer weist Jesus darauf hin, dass Gott kein Gott von Toten, sondern von Lebenden ist; denn für ihn leben sie alle (Lk 20,38). Er erinnert an die Episode von Mose vor dem brennenden Dornbusch, in der Gott sich als der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs offenbarte (vgl. Lk 20,37). Ein Kirchenvater erläutert dies: „Er, der zu Mose aus dem Dornbusch sprach und sich als Gott der Väter bezeichnete, ist der Gott der Lebenden.“4

Gott wollte seinen Namen mit den Namen jener verbunden wissen, mit denen er einen Bund geschlossen hatte, eine Abmachung, die stärker ist als der Tod. „Der Herr freut sich nicht so sehr, wenn er der Gott des Himmels und der Erde genannt wird, wie wenn er der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs genannt wird“5, erklärt der heilige Johannes Chrysostomus. Und diesen Bund hat er auch mit uns besiegelt, so dass wir mit absoluter Gewissheit sagen können: Er ist unser Gott! Unser Herr trägt unseren Namen verbunden mit dem seinen: Ich gehöre Gott, und Gott gehört mir. Der heilige Josefmaria notierte: „Es drängt mich, dir anzuvertrauen, dass ich mich im Innersten getroffen fühle, wenn ich die Worte des Propheten Jesaja lese: Ego vocavi te nomine tuo, meus es tu! – Ich habe dich gerufen, ich habe dich zu meiner Kirche gebracht, du bist mein! Dass Gott mir sagt, dass ich sein bin! Müsste man nicht vor Liebe verrückt werden?“6

Gott liebt uns als die Seinigen und hat einen Bund mit uns geschlossen. Der lebendige Gott möchte uns durch seinen Sohn das Leben schenken. Jesus Christus lebt, er selbst ist der Bund, er ist das Leben und die Auferstehung. Durch seine ans Kreuz geheftete Liebe hat er den Tod und die Macht der Finsternis besiegt. Im Leben Jesu und in der Erfahrung seiner treuen Liebe zu uns können wir einen Vorgeschmack auf das auferstandene Leben erfahren.


IM ALTEN TESTAMENT wird Gott oft als der lebendige Gott bezeichnet. In einem Psalm heißt es zum Beispiel: Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und erscheinen vor Gottes Angesicht? (Ps 42,3). Auch der Prophet Jeremia nennt ihn in Wahrheit Gott, lebendiger Gott und ewiger König (Jer 10,10). Im Neuen Testament finden wir das Glaubensbekenntnis des Petrus: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! (Mt 16,16). Es bleibt kein Raum für Zweifel: In Gott gibt es nur Leben, und er wünscht dasselbe auch für uns.

Die Sadduzäer hingegen waren der Ansicht, dass das Leben des Menschen endgültig zum Tod führt. Diese Sichtweise teilten auch viele Denker im Laufe der Geschichte. Doch Jesus Christus kehrt diese Perspektive vollständig um. Im Gegensatz zu dem, was die Sadduzäer behaupteten, wurden wir tatsächlich geboren, um niemals zu sterben – wir sind für die ewige Glückseligkeit bestimmt. Man kann nicht einmal behaupten, dass dieses Leben das Leben nach dem Tod erhellt, vielmehr ist es umgekehrt, wie Papst Franziskus sagte: „Die Ewigkeit – jenes Leben – erleuchtet und schenkt dem irdischen Leben von uns allen Hoffnung!“7

Unser Weg, der zweifellos viele willkommene Momente wie auch gelegentlichen Verdruss enthält, ist eine Pilgerreise zur Ewigkeit. Dort wartet Gott auf uns. Wir gehen in diesem irdischen Leben auf die Fülle des Lebens zu. Rein irdisch betrachtet, könnten wir denken, dass unsere Reise mit dem Leben beginnt und mit dem Tod endet. Doch wenn wir versuchen, mit Gottes Augen zu sehen, erkennen wir, dass es genau umgekehrt ist: Wir bewegen uns auf das volle Leben zu, auf das ewige Leben, das unser tagtägliches Wandern erhellt. Hören wir erneut einige Worte von Papst Franziskus: „Somit liegt der Tod hinter uns, hinter unserem Rücken, nicht vor uns. Vor uns ist der Gott der Lebenden, der Gott des Bundes, der Gott, der meinen Namen trägt, unseren Namen.8 Maria, die auf geheimnisvolle Weise den Gott des Lebens geboren hat, möge uns helfen, unseren Blick auf das Leben zu richten, das niemals endet und in unseren Herzen bereits begonnen hat.


1 Das griechische Wort symbolon (lat. symbolum, Pl. symbola) bezeichnete eine Hälfte eines entzweigebrochenen Gegenstandes (z. B. eines Siegels), die als Erkennungszeichen diente. Die beiden Teile wurden aneinandergefügt, um die Identität des Trägers zu überprüfen. Das Glaubenssymbol ist also ein Erkennungs- und Gemeinschaftszeichen für die Gläubigen. (...) Im Glaubenssymbolon sind die Hauptwahrheiten des Glaubens zusammengefasst. Deshalb dient es als erster Anhaltspunkt, als Grundtext der Katechese (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 188).

2 Orígenes, Kommentar zu dieser Stelle in der Catena aurea.

3 Franziskus, Angelus-Gebet, 10.11.2013.

4 Hl. Irenäus von Lyon, Buch IV, 5,2-5,4.

5 Hl. Johannes Chrysostomus, Kommentar zu dieser Stelle in der Catena aurea.

6 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 12.

7 Franziskus, Angelus-Gebet, 10.11.2013.

8 Ebd.