Betrachtungstext: 3. Osterwoche – Samstag

Das Wort Gottes mit Leben erfüllen – Uns mit Hilfe der Heiligen Schrift in Jesus sehen – Christus im Evangelium suchen, finden und lieben

JESUS ist im Begriff, seine Rede in der Synagoge von Kafarnaum zu beenden. Minuten zuvor hatten einige seiner Zuhörer mit Empörung auf die Ankündigung reagiert, dass er ihnen seinen eigenen Leib zu essen geben würde. Der Herr fragt sie: Daran nehmt ihr Anstoß? Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn aufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war? (Joh 6, 61-62) Hatte er zuvor von seinem Fleisch und Blut als Quelle des ewigen Lebens gesprochen, so betont er nun die Bedeutung seiner Worte: Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben (Joh 6,63). Deshalb sagt man, dass die Heilige Messe an zwei Tischen gefeiert wird: am Tisch des Wortes und am Tisch des Brotes. An jedem wird uns die Nahrung des Vaters gereicht: seine Lehre und die Gemeinschaft mit seinem Leib und Blut.

Um das Wort Gottes in seinem ganzen Reichtum besser aufnehmen zu können, sollten wir aufmerksam darauf hören, wenn es in der Messe verlesen wird, es aber auch häufig im Gebet betrachten, uns hineinvertiefen und versuchen, es mit Leben zu erfüllen. „Das vernommene und – vor allem in der Eucharistie – gefeierte Wort Gottes“, schreibt Papst Franziskus, „nährt und kräftigt die Christen innerlich und befähigt sie zu einem echten Zeugnis des Evangeliums im Alltag.“1

Der heilige Josefmaria riet: „Wenn du das Evangelium aufschlägst, mach dir klar, dass du die Berichte über die Taten und Worte Christi nicht nur kennen, sondern auch wirklich ,leben‘ sollst. Jede Szene enthält sehr viele Einzelheiten, die du auf die konkreten Umstände deines Lebens übertragen kannst. Der Herr hat uns Katholiken dazu berufen, ihm aus der Nähe zu folgen. Im heiligen Text des Evangeliums findest du das Leben Jesu – aber auch dein eigenes Leben sollst du dort finden. Auch du wirst lernen, wie der Apostel, die Frage der Liebe an ihn zu richten: ,Herr, was willst du, dass ich tue?‘ Den Willen Gottes!, hörst du dann in deinem Innern auf unzweideutige Weise. Greife also jeden Tag zum Evangelium, lies es, nimm es zum konkreten Kompass deines Daseins. So haben es die Heiligen getan.“2


DIE WORTE, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben (Joh 6,63). Jesus ist gekommen, um uns das Leben in Fülle zu schenken, und er hat uns die Heilige Schrift hinterlassen, damit wir uns in ihren Reichtum vertiefen, ihn immer besser kennenlernen und ihn so über alles lieben können. „Diese Liebe Christi ist es, um deren Verwirklichung jeder von uns in seinem persönlichen Leben ringen muss“, schrieb der heilige Josefmaria. „Aber um ipse Christus zu sein, müssen wir uns in ihm sehen. Es genügt nicht, ein allgemeines Bild vom Geist Christi zu haben, wir sollen vielmehr Reaktionen und Haltungen von ihm lernen. Und vor allem sollen wir seinen Erdenwandel betrachten und seinen Spuren nachgehen, um Kraft, Licht, Gelassenheit und Frieden daraus zu schöpfen.“3

Wir können unseren Herrn um die Gnade bitten, „uns in ihm zu sehen“ wie in einem Spiegel. Dazu vertiefte sich der heilige Josefmaria in die Szenen des Evangeliums und empfahl dies als wirksames Mittel, um in der Freundschaft mit Jesus zu wachsen, das Leben mit seinen Augen zu sehen und so zu reagieren, wie Jesus es tun würde. Die Früchte aus dieser Betrachtung des Lebens des Herrn werden in unserem Gespräch und in unserem Leben dann spontan auftauchen; dieser Widerschein wird in unseren Freunden den Wunsch wecken, über den Erdenwandel Jesu mehr zu erfahren: „Es ist fundamental, dass das geoffenbarte Wort die Katechese und alle Bemühungen zur Weitergabe des Glaubens tiefgreifend befruchtet. Die Evangelisierung braucht die Vertrautheit mit dem Wort Gottes. Dies bedarf“, so schrieb Papst Franziskus, „(...) eines ernsten und beharrlichen Studiums der Bibel sowie die Förderung ihrer (...) Lektüre im Gebet.4

Der heilige Josefmaria erzählte, dass er einmal auf der Straße ging und dabei in einem kleinen, mit Stoff überzogenen Buch das Evangelium las. Als er an einigen Arbeitern vorbeikam, hörte er, wie sie sich fragten, was der Priester da wohl las. Und einer der Männer sagte, auch gut hörbar: „Das Leben Jesu Christi.“ Die übernatürliche Schlussfolgerung des Gründers des Opus Dei fand später auch im zweiten Punkt von Der Weg seinen Niederschlag: „Ich dachte und denke, dass meine Haltung und mein Gespräch hoffentlich so sind, dass jeder, der mich sieht oder reden hört, sagen könnte: Dieser Mann liest das Leben Jesu Christi.5


„DAS HEILIGE EVANGELIUM ist das Buch“, so notierte der heilige Josefmaria, „das Jesu Stimme für uns festgehalten hat. Und es ist die Quelle, aus der unser Gebet am besten das Wasser der Gnade trinkt und in der unser Verlangen nach Wahrheit durch das himmlische Licht, das sich an den Worten des Meisters entzündet, vollkommen gestillt wird.“6 Wir bereiten uns oft auf die Heilige Messe vor, indem wir ihre Texte betrachten, und täglich können wir einen Abschnitt aus dem Neuen Testament hören, der uns erfahren lässt, dass die Worte Jesu Geist und Leben sind (Joh 6,63). Um von ihm zu lernen, „ist es nötig“, riet der heilige Josefmaria, „sein Leben zu kennen, das Evangelium zu lesen, sich in das Geschehen des Neuen Testaments hineinzuversetzen, um den göttlichen Sinn des Erdenwandels Jesu zu erfassen.Das Leben Jesu muss sich in unserem eigenen Leben wiederholen, indem wir Christus kennenlernen: durch Lesen und immer wieder Lesen, durch Meditieren und immer wieder Meditieren der Heiligen Schrift, durch Beten ...“7

Wenn wir diesen Weg gehen, werden wir auch lernen, den Herrn nach dem Vorbild der Gestalten des Evangeliums zu behandeln: ihn mit Glauben zu bitten wie der Vater des kranken Sohnes; ihm andächtig zuzuhören wie Maria in Betanien; ihn behutsam zu berühren wie die blutflüssige Frau; ihm vor allem zu folgen wie die Jünger. Vor allem aber werden wir von Maria und Josef, die ihn am besten kannten, lernen, immer und in allem den Willen Gottes zu tun. Aus diesem Grund empfahl der Gründer des Opus Dei einen übernatürlichen Weg, der auf der Lektüre des Heiligen Evangeliums beruht: „Christus suchen. Christus finden. Christus lieben.“8

Bitten wir die heilige Jungfrau und den heiligen Josef, dass der Herr uns die Gnade schenke, seinen Sohn in der Heiligen Schrift zu finden, ihn zu erkennen und ihm zu folgen. Der heilige Josefmaria empfahl: „Liebt die heiligste Menschheit Jesu Christi (...). Und von der Menschheit Christi gelangen wir zum Vater mit seiner Allmacht und Vorsehung und zur Frucht des Kreuzes, die der Heilige Geist ist. Und wir werden das Bedürfnis verspüren, uns in dieser Liebe zu verlieren, um das wahre Leben zu finden.“9


1 Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 174.

2 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 754.

3 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 107.

4 Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 175.

5 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen, Nr. 521.

6 Hl. Josefmaria, Mitschrift aus einer Betrachtung, 30.5.1937.

7 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 14.

8 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 382.

9 Hl. Josefmaria, Mitschrift aus einem Familientreffen, 18.8.1968.