Betrachtungstext: 29. April – hl. Katharina von Siena

Im Dienst der Nächstenliebe und der Bekehrung der Sünder – Wahre Weisheit heißt im Einklang stehen mit dem Herzen Gottes – Unseren Glauben mit anderen teilen

Katharina von Siena, Thomas Morus, Pius X, Pfarrer von Ars, Nikolaus von Bari

AM HEUTIGEN FEST legt uns die Liturgie der Kirche folgendes Gebet in den Mund: „Allmächtiger, ewiger Gott, du hast der heiligen Katharina von Siena das Leiden Christi und die Wunden seiner Kirche vor Augen gestellt. Im Dienst an der Kirche wurde ihre Liebe zu einem lodernden Feuer. Mache auch uns, die wir zu Christus gehören, bereit, die Leiden seiner Kirche mitzutragen, damit einst seine Herrlichkeit an uns offenbar wird.“1 Diese Worte fassen das Leben der Heiligen, die wir heute feiern, zusammen: eine glühende Liebe zu Jesus Christus, die sie dazu führte, sich in der Arbeit für andere und für die Kirche ganz zu verschenken.

Caterina Benincasa wurde 1347 in Siena in eine große Familie hinein geboren. Von Kindesbeinen an pflegte sie eine tiefe Frömmigkeit, die sie drängte, ihr Leben dem Herrn zu widmen, obwohl sie in ihrer Familie wenig Verständnis dafür fand. Mit achtzehn Jahren wurde sie unter die dominikanischen Tertiarinnen der Stadt aufgenommen. Sie lebte weiterhin zu Hause bei ihren Eltern und führte, inmitten des typischen Trubels einer kinderreichen Familie, ein intensives Gebetsleben. Im Alter von 21 Jahren hatte Katharina ein Erlebnis, das ihr Leben radikal verändern sollte: Sie begriff, dass Gott sie dazu berief, sich mit all ihrer Kraft den Werken der Nächstenliebe zu widmen und sich für die Bekehrung der Sünder einzusetzen. Den heiligen Josefmaria zog  besonders an, dass diese Heilige „auf den Straßen unterwegs war, in ihrer Seele zugleich aber eine innere Zelle eingerichtet hatte, die sie, wo immer sie war, nie verließ“2. Von diesem Moment an suchte die junge Frau viele Jahre lang überall in der Stadt die Kranken auf, um sie zu pflegen und die Herzen vieler Menschen für die Liebe zu Gott und zum Nächsten zu entflammen.

Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus (Mt 5,14-15). Katharina war vom liebenswerten Antlitz Jesu erleuchtet worden und hatte begriffen, dass sein Licht nicht in den Mauern ihres Hauses eingeschlossen bleiben konnte. So löste sie um sich herum eine Revolution aus, die in Gebet und Werken des Dienstes bestand.


SOWOHL BEI der Lektüre ihrer Korrespondenz als auch ihres bekannten Werkes „Der Dialog“ fällt auf, wie harmonisch die heilige Katharina Lehre und mystische Erfahrung miteinander verband, vor allem wenn man bedenkt, dass sie keinerlei kulturelle Bildung genossen hatte. Von klein auf war sie jedoch zu den Predigten der Dominikanerpatres in ihrer Stadt gelaufen, um dort aufmerksam den Erklärungen der Heiligen Schrift, den Beispielen aus dem Leben der Heiligen und der Katechese über den Glauben zu lauschen. Mit der Zeit würde sie ihr inneres Leben auch unter der Führung eines geistlichen Leiters nähren.

In der heiligen Katharina erfüllen sich die Worte, die Jesus einmal voll Freude aussprach: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast (Mt 11,25). „Die wahre Weisheit kommt auch aus dem Herzen”, sagte dazu Papst Franziskus, „sie besteht nicht nur darin, Gedanken zu verstehen (...). Und wenn du viele Dinge weißt, aber dein Herz verschlossen ist, dann bist du nicht weise. Jesus sagt, dass die Geheimnisse seines Vaters den ,Unmündigen‘ offenbart werden, denen, die sich vertrauensvoll gegenüber seinem Wort des Heils öffnen, die spüren, dass sie seiner bedürfen und alles von ihm erwarten.“3 Katharina nahm das Licht, das der Herr ihr schenkte, entgegen und erlangte so eine tiefe Kenntnis des Geheimnisses Gottes. „O Abgrund, o ewige Gottheit, o tiefes Meer“, schrieb sie. „Was konntest du mir Größeres schenken als Dich selbst? Du bist das Feuer, das stetsfort brennt und sich nie verzehrt; Du bist das Feuer, das in seiner Glut jede Eigensucht der Seele versengt und jede Kälte hinwegnimmt; Du erleuchtest. Mit Deinem Licht hast Du mir die Wahrheit zu erkennen gegeben, Du Licht über allem Licht.“4

Getragen von ihrer intensiven Beschaulichkeit steckte die Heilige von Siena die Menschen um sich herum mit der Liebe Gottes an. Sie fing an mit jenen, die sich um sie scharten, um ihr zuzuhören und in ihrem geistlichen Leben ermutigt zu werden. Doch dabei ließ es ihr überfließendes inneres Leben nicht bewenden: In späteren Jahre schrieb sie Briefe an zahlreiche Menschen, darunter viele Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Nicht selten waren ihre Briefe von Appellen begleitet, im Einklang mit dem Evangelium zu leben und den Willen Gottes zu suchen. Aus ihrer innigen Beziehung zu Jesus schöpfte sie die Kraft, klar und gewinnend zugleich von Gott zu sprechen.


UNTER DEN VIELEN Christen, die sich vom Leben der heiligen Katharina inspirieren ließen, finden wir den heiligen Josefmaria. Von Jugend an hatte er für sie eine besondere Verehrung; so nannte er die Aufzeichnungen aus seinem inneren Leben ihr zu Ehren „Catalinas“, deutsch: Katharinen. „Mir gefällt die Stärke einer heiligen Katharina“, bekannte der Gründer des Opus Dei, „die mit brennender Liebe und ungetrübter Klarheit den bedeutendsten Personen gegenüber die Wahrheit ausspricht.“5 Im Jahr 1964 beschloss er, sie zur Fürsprecherin für ein Apostolat zu ernennen, das ihm besonders am Herzen lag: die Durchdringung des weiten Feldes der öffentlichen Meinung mit der Liebe Christi.

Jesus ist die Wahrheit, die jeden Menschen erleuchtet und ihn aus der Finsternis befreit. Dieses Licht an andere weiterzugeben, nachdem wir dafür gesorgt haben, es im eigenen Leben zum Brennen zu bringen, ist ein Werk der Barmherzigkeit. Und unseren Glauben den anderen zu bringen, heißt, wie Papst Franziskus erklärte, „die Offenbarung sichtbar zu machen, damit der Heilige Geist in den Menschen wirken kann durch das Zeugnis: als Zeuge, durch den Dienst. Dienen ist eine Lebensform (...). Wenn ich sage, dass ich Christ bin und als Christ lebe, das zieht an. Das ist ein Zeugnis (...). Der Glaube muss weitergegeben werden: nicht um zu überzeugen, sondern um einen Schatz anzubieten.“6

Bevor die heilige Katharina Menschen dazu ermunterte, sich dem Glauben zu nähern, hatte sie viel Zeit damit verbracht, sich um die Kranken ihrer Stadt zu kümmern. Dieselbe Nächstenliebe, die sie dazu geführt hatte, sich den Bedürftigsten zu widmen, bewegte sie später dazu, Briefe zu schreiben, in denen sie ihre Adressaten einlud, treue Kinder der Kirche zu sein. Die Glaubwürdigkeit ihrer Botschaft beruhte auf einem Leben, in dem die Liebe zu Gott und zum Nächsten aufleuchtete. Wir bitten sie und unsere Mutter, bei Gott Fürsprache einzulegen, damit er uns eine Nächstenliebe schenke, die sich aus dem Gebet nährt, sich in Taten der Liebe äußert und die Wahrheit verkündet, die zum Leben führt. „Die tiefste Lehre, die zu vermitteln wir berufen sind“, so sagt Papst Franziskus, „und die sicherste Gewissheit, um aus dem Zweifel herauszukommen, ist die Liebe Gottes, mit der wir geliebt worden sind (vgl. 1 Joh 4,10). Eine große, unentgeltliche und für immer geschenkte Liebe: Gott zieht seine Liebe nie zurück.“7


1 Römisches Messbuch, Tagesgebet zum Gedenken an die heilige Katharina von Siena.

2 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einem Familientreffen, 21.4.1973.

3 Papst Franziskus, Angelusgebet, 5.7.2020.

4 Hl. Katharina von Siena, Der Dialog, Nr. 167.

5 Hl. Josefmaria, Briefe 35, Nr. 3.

6 Papst Franziskus, Predigt, 25.4.2020.

7 Papst Franziskus, Generalaudienz, 23.9.2016.