WÄHREND seines irdischen Lebens begegnet Jesus Christus vielen einfachen und gutherzigen Menschen, die von seinen Worten und Taten tief berührt sind. Sie suchen ihn auf, weil er in ihnen Hoffnung auf ein erfüllteres, anspruchsvolleres und zugleich menschlicheres Leben weckt, das im Einklang mit Gottes Willen steht. Viele lassen sich von dieser neuen Perspektive, die ihr Leben erhellt, verwandeln. Doch es gibt auch solche, die Zweifel hegen und mit der Absicht kommen, ihn auf die Probe zu stellen: Ist es uns erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht? (Lk 20,22). Ist es einem Mann erlaubt, seine Frau aus der Ehe zu entlassen? (Mt 10,2).
Bis zu einem gewissen Grad ist es sinnvoll, dass man eine neue Lehre mit dem Verhalten desjenigen vergleicht, der sie verkündet. Dies ist etwas, das auch Kinder bei ihren Eltern und Erziehern tun. Doch hinter diesem Wunsch nach kritischer Prüfung kann sich manchmal eine böse Absicht verbergen. So sagt das Buch der Weisheit in der heutigen Lesung: Lasst uns dem Gerechten auflauern! Wir wollen sehen, ob seine Worte wahr sind, und prüfen, wie es mit ihm ausgeht (Weish 2,12.17).
Auch wir, die wir Christus nachfolgen wollen, werden durch Situationen und Menschen auf die Probe gestellt: sei es durch besonders belastende Arbeitszeiten, unerwartete finanzielle Schwierigkeiten oder Konflikte mit einem nahestehenden Verwandten oder Kollegen. In solchen Momenten ist es umso wichtiger, unseren Blick auf Gott zu richten, der uns hilft, diese Herausforderungen hoffnungsvoll anzunehmen, da wir wissen, dass es Prüfungen sind, durch die der Herr unseren Glauben stärkt. Der heilige Josefmaria schrieb: „Mag es uns auch einmal so scheinen, als stürze alles ein… nichts stürzt ein, denn Du, Herr, bist meine Stärke (Ps 42,2). Wenn Gott in unserer Seele wohnt, ist alles andere – so bedeutend es auch scheinen mag – nebensächlich, vorübergehend: Wir aber sind, in Gott, das Bleibende.“1
EIN REIFER GLAUBE verleiht dem Menschen, der ihn lebt, eine innere Festigkeit. Er befähigt ihn, fundierte Entscheidungen zu treffen, indem er aufmerksam auf den Heiligen Geist hört, und hilft ihm, diese Entscheidungen auch über lange Zeit hinweg aufrechtzuerhalten, ohne dass Widrigkeiten oder Rückschläge sie erschüttern könnten. Dieser Glaube schenkt dem Leben eine Einheit, die nicht nur den Prüfungen standhält – wie ein Fels dem Wind –, sondern die Herausforderungen sogar nutzt, ähnlich wie Vögel den Wind nutzen, um noch höher zu fliegen.
Während äußere Einflüsse wie Wasser oder Sonne lebloses oder künstliches Material zersetzen, tragen dieselben Einflüsse dazu bei, dass Lebendiges sich entfaltet. Was leblos ist, verfällt und korrodiert, doch das Lebensprinzip, das in einem Samenkorn ruht, zersetzt sich nicht. Stattdessen entwickelt es sich, wenn es begraben wird, und wächst, wenn es im Verborgenen liegt. Angesichts von Widrigkeiten können wir daher mit dem Psalmisten beten: Auch wenn fremde Menschen gegen mich aufstanden, der Herr ist unter denen, die mein Leben stützen (Ps 54,5.6). So bauen wir ein Leben auf, das in der Lage ist, Herausforderungen positiv zu nutzen, weil Jesus Christus unsere Sünden auf sich genommen hat und uns zu einer neuen, von Gott geschenkten Existenz befähigt.
Es ist ganz normal, dass wir auf unserem Weg mit dem Herrn auf Hindernisse stoßen: Zeiten, in denen wir uns beim Gebet und dem Empfang der Sakramente kalt und distanziert fühlen, Menschen, die unseren Glauben nicht verstehen, oder die Schwierigkeit, bestimmte Aspekte der christlichen Lehre zu begreifen. All diese Umstände bieten uns die Gelegenheit, uns zu fragen, was wir wirklich wollen, und unseren Wunsch zu vertiefen, Gott nahe zu sein. Papst Franziskus ruft uns auf: „Denken wir darüber nach: Eine aufrichtige Sehnsucht vermag die tiefsten Saiten unseres Seins zu berühren. Sie erlischt nicht angesichts von Schwierigkeiten oder Hindernissen. So wie Durst nicht verschwindet, nur weil wir kein Wasser finden – im Gegenteil: Die Suche nach Wasser nimmt all unser Denken und Handeln in Anspruch, bis wir bereit sind, jedes Opfer zu bringen, um den Durst zu stillen. Hindernisse und Misserfolge ersticken die Sehnsucht nicht, nein – sie machen sie sogar noch lebendiger in uns.“2
DIE TAPERFKEIT ist, wie der Katechismus schreibt, jene sittliche Tugend, „die in Schwierigkeiten standhalten und im Erstreben des Guten durchhalten lässt. Sie festigt die Entschlossenheit, Versuchungen zu widerstehen und im sittlichen Leben Hindernisse zu überwinden.“3 Diese Schwierigkeiten können von außen kommen, sodass der Einzelne manchmal wenig daran ändern kann, oft aber sind es innere Feinde, die uns bedrängen und die, wie Papst Franziskus sagt, „unter dem Namen Sorge, Furcht, Angst, Schuld laufen: alles Kräfte, die in unserem Innern toben und uns in bestimmten Situationen lähmen.“ Die meisten Ängste, die in uns entstehen, so der Papst, „sind irreal und bewahrheiten sich überhaupt nicht.“ Daher ist es besser, den Heiligen Geist anzurufen und uns den Herausforderungen tapfer, Schritt für Schritt und geduldig zu stellen: „Aber nicht allein! Der Herr ist mit uns, wenn wir auf ihn vertrauen und aufrichtig das Gute suchen. Dann können wir in jeder Situation auf die Vorsehung Gottes zählen, der unser Schutz und Schild ist.“4
Manchmal erleben wir, wie uns die Angst vor dem, was geschehen könnte, lähmt: Ein mögliches Scheitern bei einer Prüfung, ein Projekt, das daneben gehen könnte, oder ein gesundheitliches Problem bei uns oder bei einem geliebten Menschen, das unser Leben radikal verändern könnte. In manchen Fällen hilft uns diese Anspannung, aktiv zu werden und eine mögliche Katastrophe zu verhindern. In anderen Fällen jedoch lähmt uns dieser Schmerz und hindert uns daran, uns auf die wirklichen Herausforderungen des Alltags zu konzentrieren. Stattdessen verstricken wir uns in hypothetischen Sorgen, von denen wir oft nicht wissen, ob sie sich je bewahrheiten werden.
Deshalb sollten wir den Herrn um Licht und Kraft bitten, um Klarheit und Stärke zu gewinnen. Wir müssen erkennen, ob unser Leid uns dabei hilft, die Gegenwart zu meistern, oder ob es uns sinnlos von den realen Aufgaben ablenkt. Der heilige Josefmaria schrieb: „Manche Menschen scheinen versessen darauf, sich Leiden zu erfinden und sich mit ihrer Fantasie selbst zu quälen. Wenn dann echte Leiden und Widerwärtigkeiten kommen, erweisen sie sich als unfähig, dem Beispiel der Gottesmutter zu folgen und wie sie zu Füßen des Kreuzes auszuharren – die Augen auf den Sohn gerichtet.“5 Beenden wir diese Gebetszeit mit der Bitte an die Gottesmutter, uns zu helfen, in der Gegenwart zu leben. Möge sie uns beistehen, die täglichen Herausforderungen anzunehmen und sie im Geiste der Vereinigung mit dem Opfer Jesu zu tragen.
1 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 92.
2 Franziskus, Audienz, 12.10.2022.
3 Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1808.
4 Franziskus, Audienz, 10.4.2024.
5 Hl. Josefmaria, Spur des Sämanns, Nr. 248.