Betrachtungstext: 2. Woche im Jahreskreis – Montag

Jesus ist der gute Weg – Der Gehorsam liegt im Hören auf Gott – Das Gebetsleben ist kreativ

WER DEN RECHTEN WEG beachtet, den lasse ich das Heil Gottes schauen (Ps 50,23). Dieser Vers aus dem Psalm 50 nennt in komprimierter Form das Ziel, dem wir entgegenstreben, und das Mittel, es zu erreichen. Wir Menschen wünschen uns von ganzem Herzen, das Heil eines Gottes zu erfahren, der uns liebt und weder das Böse noch den Tod für uns will. Wir sind daher überzeugt, dass sich sowohl die täglichen Freuden als auch die schwierigen Momente zu dem neuen Leben hin öffnen können, das er uns schenken möchte. In jedem Moment schenkt uns Gott das Heil.

Jesus sagt: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6). Der gute Weg, den uns der Psalmist aufzeigt, besteht nicht darin, unseren Tag mit Regeln zu füllen und erst recht nicht darin, in der Angst zu leben, dass wir das Ideal, zu dem Gott uns ruft, nicht erreichen könnten. Ein wesentlicher Teil der Reife und Vitalität unseres inneren Lebens hängt davon ab, dass wir in all seiner Tiefe entdecken, was es für unser Dasein bedeutet, unseren Weg mit einer Person zusammen zu gehen: mit Jesus Christus. So werden wir nicht von der Sorge belastet, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder nicht. Stattdessen werden wir ständig für sein Wort offen sein, um zu wissen, wohin er uns führen will. Unser Leben verwandelt sich in ein göttliches Abenteuer.

Der heilige Josefmaria schrieb: „Jetzt fließt das Gebet, das kindlich naiv begann, wie ein breiter, stiller und sicherer Strom; es folgt den Spuren der Freundschaft mit dem, der sagte: Ich bin der Weg (Joh 14,6).“1 Wir können uns Jesus Christus nur im persönlichen Gespräch mit ihm öffnen. Wir wollen, dass unser ganzes Leben an den Pupillen seiner Augen vorbeizieht, um unseren eigenen Blick zu verändern. Wir sind uns bewusst, dass ein Lächeln oder eine Aufmerksamkeit von uns oft aus der Gewissheit entstehen, dass wir von Jesus begleitet werden, und dass unser Leben nicht dasselbe wäre, wenn er abwesend wäre. Auf diese Weise erhält alles, was wir tun, eine viel tiefere Dimension: Unser Leben wird zu einer Äußerung der Liebe Gottes.


AN EINER STELLE der Heiligen Schrift kommt der Prophet Samuel mit einer wichtigen und überraschenden Botschaft zum König von Israel. Saul war überzeugt, dass er den Befehlen Gottes gefolgt war, indem er das feindliche Volk besiegte. Doch sein Gehorsam war unvollständig, da er beschlossen hatte, die Beute für sich zu behalten. Diesen kleinen Akt der Rebellion gegen die Worte des Herrn hatte er ;unter einem Deckmantel übernatürlicher Gründe versteckt: Er rechtfertigte sich damit, dass er dachte, die Tiere des feindlichen Volkes könnten als Opfer für Gott verwendet werden. Samuel führt ihm seine Selbsttäuschung vor Augen: Hat der Herr an Brandopfern und Schlachtopfern das gleiche Gefallen wie am Gehorsam gegenüber der Stimme des Herrn? Wahrhaftig, Gehorsam ist besser als Opfer, Hinhören besser als das Fett von Widdern (1 Sam 15,22).

Eine der bedeutenden Herausforderungen unseres Lebens besteht darin, unser tägliches Tun mit der Stimme Gottes im Gebet in Einklang zu bringen. Wir streben danach, dass alles, was wir tun ‒ vom Aufwachen bis zur letzten Sekunde vor dem Einschlafen ‒ eine freie und liebevolle Antwort auf Gottes Eingebungen ist. Gehorsam ist keine Tugend, die darauf abzielt, unsere Freiheit einer befehlenden Autorität zu unterwerfen. Christlicher Gehorsam besteht vielmehr darin, uns zu bemühen, die ständigen Aufforderungen Jesu, Gutes zu tun, von seinen Lippen abzulesen.

Papst Benedikt äußerte einmal: „Wir müssen im Gebet fähig sein, unsere Mühsal vor Gott zu bringen, das Leiden gewisser Situationen, gewisser Tage, das tägliche Bemühen, ihm nachzufolgen, Christen zu sein, und auch die Last des Bösen, das wir in uns und um uns herum sehen, auf dass er uns Hoffnung gebe, uns seine Nähe spüren lasse, uns auf dem Weg des Lebens etwas Licht schenke.“2 Bitten wir den Herrn im Glauben darum, dass unser ganzes Leben wie ein großer Fluss sein möge, der in unseren Gebetszeiten fließt. Auf diese Weise werden im Erdreich um uns herum, in den alltäglichen Beschäftigungen, das vielleicht einmal ausgetrocknet war, Blumen sprießen, von denen wir nicht einmal wussten, dass sie ein wenig Wasser zum Blühen brauchen.


EINE DAUERHAFTE Liebesbeziehung zu Christus, genährt durch das Gebet, führt zu einem ständigen Verlangen nach Bekehrung. Wir wollen nicht, dass unser inneres Leben nur äußerliche Erfüllung ist, sondern sind begierig jederzeit zu wissen, was Gott in der Tiefe unserer Seele von uns erwartet. Das Gebetsleben wird so – mit Worten von Papst Franziskus – zu einem ständigen Aufruf, „die Kreativität der Liebe3 zu leben und uns aus einer missverstandenen Routine zu lösen. Vielleicht ist es an der Zeit, wieder bereit zu sein, auf Gottes Anregungen zu hören, sei es, um einen Arbeitsauftrag zu vollenden, einen Angehörigen anders zu behandeln oder sich für eine apostolische Initiative einzusetzen. Der Herr geht wie der Wind vorüber und wiederholt sich nie.

Im Evangelium der heutigen Messe ermutigt uns Jesus dazu, unbetretene Pfade zu betreten: Niemand näht ein Stück neuen Stoff auf ein altes Gewand; denn der neue Stoff reißt vom alten Gewand ab und es entsteht ein noch größerer Riss. Auch füllt niemand jungen Wein in alte Schläuche. Sonst zerreißt der Wein die Schläuche; der Wein ist verloren und die Schläuche sind unbrauchbar. Junger Wein gehört in neue Schläuche (Mk 2,21-22). In jeder Zeit des Gebets haben wir die Gelegenheit, uns zu fragen, ob wir den neuen Wein der Lehre Jesu wirklich in neuen Schläuchen aufnehmen – in einem Herzen, das dazu berufen ist, immer jung zu sein.

Der heilige Josefmaria betonte mehrfach, dass Maria ein Vorbild darin ist, wie wir der Gnade entsprechen können: „Wenn wir ihr Leben betrachten, wird uns der Herr Klarheit schenken, damit wir unser gewöhnliches Dasein vergöttlichen können. (...) Versuchen wir von ihr zu lernen, folgen wir ihrem Beispiel im Gehorsam gegenüber Gott, in dieser zarten Verbindung von Dienen und Herrschen. In Maria fehlt jede Spur von jener Haltung der törichten Jungfrauen, die zwar gehorchen, aber ohne zu überlegen. Unsere Liebe Frau hört aufmerksam auf das, was Gott will, überlegt, was sie nicht versteht, fragt, was sie nicht weiß. Dann gibt sie sich ganz dem göttlichen Willen hin: Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort (Lk 1,38). Seht ihr, wie wunderbar? Maria, die Lehrmeisterin unseres Lebens, zeigt uns hier, dass der Gehorsam gegenüber Gott nicht Unterwürfigkeit ist und das Gewissen nicht unterjocht, sondern uns dazu führt, die Freiheit der Kinder Gottes (vgl. Röm 8,21) zu entdecken.“4


1 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 306.

2 Benedikt XVI., Audienz, 1.2.2012.

3 Franziskus, Videobotschaft, 3.4.2020.

4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 173.