IM EVANGELIUM der heutigen Messe hören wir Jesus eine tröstliche Einladung an seine Jünger richten: Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken (Mt 11,28). Der Meister sieht, dass die Seinen erschöpft und von den Strapazen der ersten apostolischen Aussendung ermattet sind. Auch in unserem Leben können sich Momente der Müdigkeit oder auch der Entmutigung einstellen, sei es infolge des natürlichen Verschleißes im Alltag, der Reibungen im Miteinander oder unserer eigenen Fehler. Was wir anfangs mit Begeisterung getan haben, kostet dann plötzlich Anstrengung; oder es wird uns auf einmal bewusst, dass unsere Kräfte begrenzt sind.
Unter solchen Umständen versteht sich von selbst, dass wir dem Beispiel Jesu folgen, der im Moment der Müdigkeit seine Freunde in Betanien besuchte oder zu seinen Jüngern sagte: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus! (Mk 6,31). Es ist ein Dienst an Gott und an den Seelen, wenn wir darauf achten, die Anspannung und Erschöpfung zu vermeiden, zu der moderne Lebensrhythmus uns führen kann, oder ihnen vorzubeugen. Das bedeutet ausreichend Schlaf, regelmäßige körperliche Betätigung und die Pflege anderer Formen der Erholung, regelmäßige längere Spaziergänge, ...
Zusätzlich will der Herr selbst unsere Erholung sein und lädt uns mit offenen Armen ein: Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken (Mt 11,28). Der heilige Paul VI. brachte in einer Predigt einmal zum Ausdruck, was Jesus für uns sein möchte: „Jesu Haltung uns gegenüber ist Einladung, Kenntnis und Mitgefühl; oder besser Angebot, Verheißung, Freundschaft, Güte, Heilmittel für unser Elend, Stärkung; und noch besser Nahrung, Brot, Energie- und Lebensquelle.“1 Auch in Gebet und Anbetung können wir neue Kraft für unsere Seele finden.
IN SEINER PREDIGT enthüllt uns Jesus als nächstes das Geheimnis des inneren Friedens, der sich auch inmitten der Herausforderungen des Lebens wahren lässt: Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele (Mt 11,29). Um uns vor Belastungen zu bewahren, die nicht von Gott kommen, lädt uns der Herr ein, ihm in zwei Aspekten ähnlich zu werden: in seiner Demut und in seiner Sanftmut.
Papst Benedikt XVI. erklärte: „Demut ist nicht ein beliebiges Wort, eine gewisse Bescheidenheit …, es ist ein christologisches Wort. Den Gott nachzuahmen, der zu mir herabsteigt, der die Größe hat, dass er mein Freund wird, für mich leidet, für mich gestorben ist – das ist die Demut, die wir lernen müssen, die Demut Gottes.“2 Um dieser Demut näher zu kommen, gibt uns der heilige Paulus einen praktischen Rat: Einer schätze den andern höher ein als sich selbst (Phil 2,3).
Daneben möchte Jesus, dass wir ihm auch in seiner Sanftmut nacheifern. Diese Tugend hatte er bereits in der zweiten Seligpreisung empfohlen: Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben (Mt 5,5). Papst Franziskus gibt uns zu bedenken: „Wenn wir hochmütig und stolz vor den anderen leben, sind wir am Ende müde und erschöpft. Wenn wir aber ihre Grenzen und Fehler mit Milde und Sanftmut sehen, ohne uns für besser zu halten, dann können wir ihnen zur Hand gehen und vermeiden, unsere Energie in nutzlosen Klagen zu verschwenden.“3
Bitten wir also den Herrn, er möge uns in dieser Zeit des Advents die Gnade schenken, ihn in seiner Demut und Sanftmut nachzuahmen. Dann können wir den Ort, an dem wir uns bewegen: unser Zuhause und unseren Arbeitsplatz, mit heiterer Gelassenheit und Ruhe erfüllen. Und wir werden für unsere Mitmenschen eine Quelle der Erholung sein, so wie er es für uns ist.
DER HERR beendet seine Predigt mit einer scheinbar paradoxen Aufforderung: Nehmt mein Joch auf euch (Mt 11,29). Jesus spricht über Erholung und Erleichterung – und empfiehlt im gleichen Atemzug, ein Joch zu schultern. „Was ist dieses ,Joch‘, das statt zu drücken leichter macht, das statt zu erdrücken entlastet?“, fragte Benedikt XVI. und antwortete: „Das Joch Christi ist das Gesetz der Liebe, sein Gebot, das er seinen Jüngern hinterlassen hat (vgl. Joh 13,34; 15,12). Das wahre Heilmittel für die Wunden der Menschheit (...) ist eine Lebensregel, die in der brüderlichen Liebe gründet, die ihre Quelle in der Liebe Gottes hat. Daher müssen wir Abstand nehmen von einem Leben der Arroganz und der Gewalt, die benutzt wird, um sich immer höhere Machtpositionen zu verschaffen und um jeden Preis Erfolg zu haben.“4
Jesus schlägt uns einen Tausch vor: Das, was uns bedrückt, in seinen Händen zu lassen – und seine Last auf uns zu nehmen. Das Joch Christi zu tragen, ihm von der Krippe bis zu Kreuz und Auferstehung nachzufolgen, ist weder ein unmöglicher noch ein trauriger Weg. Der heilige Josefmaria hatte dies erkannt: „Die vorbehaltlose Annahme des Willens Gottes bringt unweigerlich Frieden und Freude: das Glück des Kreuzes. Und man wird feststellen, dass das Joch Christi sanft ist und seine Bürde leicht.“5
Die Adventzeit erinnert uns daran, dass Gott bei der Wahl Marias als seiner Mutter auf ihre Demut blickte. Sie ist das beste Beispiel für die Nachahmung Gottes in seiner Demut und Sanftmut. Der heilige Josefmaria kann daher schreiben: „Maria lobpreist die Macht des Herrn, der die Mächtigen vom Thron stürzt und die Niedrigen erhöht. Sie besingt, dass in ihr dieser göttliche Ratschluss von Neuem sichtbar geworden ist: Denn er hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut. Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter. In ihrem reinen Herzen zeigt sich Maria durch die Herablassung Gottes gleichsam heilig verwandelt.“6
1 Hl. Paul VI., Homilie, 12.6.1977.
2 Benedikt XVI., Ansprache, 4.3.2011.
3 Franziskus, Apost. Schreiben Gaudete et exsultate, Nr. 72.
4 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 3.7.2011.
5 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 758.
6 Ders., Freunde Gottes, Nr. 96.