Betrachtungstext: 7. Dezember – 8. Tag der Novene zur Unbefleckten Empfängnis

Maria, Königin des Friedens – Sich mit dem Bruder versöhnen – Der Friede der Kinder Gottes

JESUS ist in den Himmel aufgefahren. Obwohl die Apostel seine Auferstehung miterlebt haben, verspüren sie immer noch Angst vor den jüdischen Obrigkeiten. Zurzeit sehen wir sie einmütig im Gebet verharren (Apg 1,14). Sie müssen sich gegenseitig stützen. Und bei diesen Treffen nimmt Maria, die Unbefleckte, einen besonderen Platz ein. Sie haben sie wie ihre Mutter aufgenommen, und sie behandelt sie wie ihre Kinder. Inmitten eines feindseligen Klimas haben sie in ihrer Gegenwart die gleiche Sicherheit gefunden wie ein Kind in den Armen seiner Mutter. Dieser Friede wird mit der Aussendung des Heiligen Geistes noch ein volleres Maß erreichen, denn er wird ihnen erlauben, sich an Gott als ihren Vater zu wenden. Damals schrieb Paulus: Gott hat den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der uns ruft: Abba, Vater. So bist du nicht mehr ein Knecht, sondern ein Sohn (Gal 4,6-7). Mit der Aussendung des Parakleten werden die Apostel der Gewalt und Feindseligkeit mit jenem Frieden begegnen können, den sie in Maria, der Fülle der Gnade, sehen. Wie auf Maria können diese Worte Jesu auf die Jünger angewandt werden: Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden (Mt 5,9).

Der Heilige Geist bezeugt in unseren Seelen, dass wir durch die Gnade Gottes Kinder in Christus sind. Und „das ist unsere Stärke und unsere Sicherheit“, sagt der Prälat des Opus Dei, „zu wissen, dass wir geliebt werden von einem Vater, der alles weiß und alles kann.“1 Mit der Verkündigung und Menschwerdung Jesu zog die Dreifaltigkeit in die Seele Marias ein. Sie wurde zur Tochter Gottes des Vaters, zur Mutter Gottes des Sohnes und zur Braut Gottes des Heiligen Geistes. Diese Beziehung zu den göttlichen Personen ermöglichte es ihr, die Schwierigkeiten des Lebens mit Gelassenheit anzunehmen, vor allem diejenigen, die sie als Mutter Jesu Christi zu erleiden hatte und die sich von denen ihres Sohnes nicht unterschieden. Die Apostel flüchten zu ihr hin, weil Maria den Frieden vermittelt, der aus ihrer innigen Gemeinschaft mit Gott kommt. An diesem achten Tag der Novene zur Unbefleckten Empfängnis wenden wir uns an sie wie die Jünger und rufen sie als Königin des Friedens an. Der heilige Josefmaria schrieb: „Ist deine Seele aufgewühlt, droht Kummer in Familie oder Beruf, kündigt sich Unheil an in der Gesellschaft oder unter den Völkern, dann bete zu ihr: Regina pacis, ora pro nobis! – Königin des Friedens, bitte für uns! Hast du das – zumindest in Zeiten innerer Unruhe – schon versucht? Du wirst staunend ihre sofortige Hilfe erfahren.“2


JESUS hat mit seinem Leben Frieden gestiftet. Durch sein Blut hat er zwei Realitäten miteinander versöhnt, die sich seit dem Sündenfall Adams gegenüberstanden. Er verband Himmel und Erde, Gott und den Menschen. Kurz gesagt, er hat uns die Pforten des ewigen Lebens geöffnet, indem er sich selbst hingab. Deshalb ist der Friedensstifter nicht einfach jemand, der versucht, zwei Parteien zu einer Einigung zu führen: Er selbst schafft Frieden durch sein Leben, wo immer er sich befindet.

Die Apostel hatten vermutlich Differenzen untereinander. In den Evangelien sehen wir, dass jeder seine eigene Art und seinen eigenen Begriff von der Wirklichkeit hatte. Und das führte zweifellos, wie in jeder Familie, zu Spannungen. Mit der Zeit und mit der Gnade Gottes verwandelten sich ihre Herzen, bis sie zu jenen Heiligen wurden, die wir heute verehren. Auf dieser Zeitreise haben die Treffen rund um die Jungfrau Maria sicherlich diese heilige Gemeinschaft der Herzen gefördert. Von der Vereinigung Marias mit Jesus haben sie gelernt, wie wichtig es ist, den Frieden mit Gott und den Brüdern und Schwestern zu wahren, selbst mit jenen, mit denen sie verfeindet zu sein scheinen. Im unmittelbaren familiären Umfeld werden sie sich an das erinnert haben, was sie aus dem Munde des Meisters gehört hatten: Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe! (Mt 5,23-24). Für Jesus war der Frieden mit einem Bruder wichtiger als jeder Ritus im Tempel, und mochte er noch so feierlich sein. Aus diesen Worten wird uns klar, dass Jesus nicht will, dass wir in unseren Beziehungen in einer Art Waffenstillstand leben, mit unverheilten Brüchen, mit denen wir uns friedlich arrangieren. Er sehnt sich danach, dass wir den wahren Frieden finden, den Frieden, der unsere persönlichen Meinungen oder Anschauungen beiseite lässt, um ein wertvolleres Gut zu erreichen: die Gemeinschaft, die zu der Erkenntnis führt, dass wir Kinder Gottes sind. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden (Mt 5,9).

Dieser Friede bedeutet nicht, dass wir die mehr oder weniger schwerwiegenden Fehler oder Beleidigungen der anderen einfach hinnehmen, als wären sie unvermeidlich. Wer für den Frieden arbeitet, ist im Einsatz dafür der erste Nutznießer dieses Wunsches. Nicht nur, weil er die wiederhergestellte Gemeinschaft genießt, wenn sie erreicht ist, sondern weil er einen Blick und ein Herz entwickelt, das als Frucht des Heiligen Geistes dort, wo er sich befindet, ein mehr an Frieden und Verständnis schafft. Selbst das, was vorher vielleicht ein kleiner Krieg mit einem Bruder war, erkennt er jetzt als einen Weg der Vereinigung, der Läuterung, der Offenheit für die Gnade. Papst Franziskus erklärt: „Diejenigen, die die Kunst des Friedens gelernt haben und praktizieren, heißen Kinder Gottes und wissen, dass es ohne die Hingabe des eigenen Lebens keine Versöhnung gibt und dass der Frieden trotz allem immer gesucht werden muss.“3 Niemand eignet sich besser für die Versöhnung zweier Brüder als eine Mutter. Wie die Apostel finden wir in unserer Unbefleckten Mutter die Kraft, um unsere Beziehungen zu unseren Brüdern und Schwestern zu heilen und mit dem Frieden Gottes zu erfüllen.


DER FRIEDE, von dem in der Seligpreisung die Rede ist, ist auch nicht nur eine Frage der Harmonie, des inneren Gleichgewichts, der Abwesenheit von Schwierigkeiten, wie Papst Franziskus erklärt: „Diese Bedeutung des Wortes ,Frieden‘ ist unvollständig und sollte nicht verabsolutiert werden, denn im Leben kann die Unruhe ein wichtiges Wachstumsmoment sein. Oft ist es der Herr selbst, der Unruhe in uns sät, damit wir uns auf die Suche nach ihm machen, um ihn zu finden.“4 In der Tat wird Jesus selbst als Zeichen des Widerspruchs (Lk 2,34) dargestellt, damit uns nicht unsere eigene Sicherheiten den Frieden sichern, sondern der Friede, den er selbst uns gibt und der sich von dem der Welt unterscheidet (vgl. Joh 14,27).

Ein Leben ohne Komplikationen ist schwer vorstellbar. Wir alle erleben oft Situationen, die uns aufwühlen. Nicht einmal die heilige Maria blieb von Schmerz, Müdigkeit und Unsicherheit verschont. Deshalb verspricht uns Jesus keine einfache menschliche Gelassenheit, denn er ist sich unserer Hinfälligkeit bewusst. Der Friede, den er uns anbietet, ist geprägt vom Vertrauen, das die Kinder Gottes in ihren Vater haben. Der heilige Josefmaria schrieb: „Mag auch noch so vieles einstürzen und scheitern, mag noch so großes Ungemach unsere Pläne auf den Kopf stellen – nichts wird durch Aufregung besser. Erinnere dich vielmehr an das vertrauensvolle Gebet des Propheten: Der Herr ist unser Richter, der Herr gibt uns Gesetze, der Herr ist unser König, Er wird uns retten. Bete es täglich mit Andacht, um dein Verhalten stets nach den Plänen der göttlichen Vorsehung zu richten, die uns zu unserem Wohle leitet.“5

Der heilige Lukas übermittelt uns, wie Maria sich verhielt, wenn etwas in ihrem Leben geschah, das sie beunruhigte, weil sie es nicht verstand: Sie bewahrte all die Worte in ihrem Herzen (Lk 2,51). Auch wir wollen unsere Sorgen, wie die Apostel in den Anfängen der Kirche, in die Hände der Unbefleckten Empfängnis legen. Sie wird wie eine gute Mutter Fürsprache für uns einlegen und uns den Frieden der Kinder Gottes erlangen.


1 Msgr. Fernando Ocáriz, Betrachtung, 8.10.2022.

2 Hl. Josefmaría, Die Spur des Sämanns, Nr. 874.

3 Franziskus, Audienz, 15.4.2020.

4 Ebd.

5 Hl. Josefmaría, Die Spur des Sämanns, Nr. 855.