Betrachtungstext: 2. Dezember – 3. Tag der Novene zur Unbefleckten Empfängnis

Die Heiligen Drei Könige entdecken die Sanftmut – Der Zorn des Herodes – Das Land der Sanftmütigen

SELIG DIE Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben (Mt 5,5). Die Heiligen Drei Könige erlebten diese Tugend vollendet in Bethlehem, viele Jahre bevor Christus sie verkündete. Bei ihrer Ankunft am Eingang des Tierstalls waren sie wohl überrascht von der Atmosphäre, die denjenigen umgab, den sie anbeten wollten. Vielleicht hatten sie erwartet, auf andere große Monarchen ihrer Zeit zu treffen, die ungeduldig darauf gewartet hatten, den lang ersehnten Retter zu sehen. Stattdessen fanden sie ein Kind, das umgeben von seinen Eltern in einer Krippe lag. Ein paar Hirten hatten sich ebenfalls eingefunden und brachten das Wenige dar, das sie anzubieten hatten. Das war der königliche Hofstaat, der dem Messias Gesellschaft leistete.

Die Heiligen Drei Könige hatten, zumindest für eine gewisse Zeit, Vieles hinter sich gelassen, um den Weg zu Christus zu finden: Annehmlichkeiten, irdische Güter, persönliche Projekte ... Nun wird ihnen klar, dass sie sich, um das Königskind zu entdecken, noch von etwas viel Grundlegenderem lösen müssen: ihrer Vorstellung von Macht und Königtum. Sie hatten einen mächtigen Mann gesucht und fanden ein kleines, wehrloses Kind. Sie erkannten, dass dieser König sich nicht durch Gewalt behauptete, sondern durch Sanftmut. Er herrscht nicht, sondern nimmt die Hinfälligkeit der menschlichen Natur an, um uns näher an sich zu ziehen.

Papst Benedikt betonte einmal: „Nicht die Gewalttätigen erben das Land, sondern die Sanftmütigen: Sie haben die große Verheißung, und ebenso müssen wir uns der Verheißung Gottes sicher sein, dass Sanftmut stärker ist als Gewalt.“1 Diese Begegnung mit dem Herrn im Stall dürfte das Leben der Heiligen Drei Könige verändert haben. Möglicherweise übten sie ihr Königtum aufgrund dieses Erlebnisses fortan anders aus. Vielleicht waren sie auch erstaunt von der Haltung der Mutter. „Wenn jemand sich wichtig machen darf, dann sie“, mögen sie gedacht haben. Stattdessen sahen sie Mutter und Sohn in inniger Vertrautheit. Dank ihrer Sanftmut hatte Maria die göttliche Verheißung im Glauben angenommen. Wir wollen sie an diesem dritten Tag der Novene zu ihrer Unbefleckten Empfängnis bitten, dass sie uns von Gott eine ebensolche sanfte und demütige Haltung erlangen möge.


ALS HERODES hörte, dass die Fremden nach einem König der Juden suchten, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem (Mt 2,3). Die Vorstellung, dass dieser von den drei mysteriösen Gestalten gesuchte König zu einer Bedrohung für seine eigene Macht und die Zukunft seiner Nachkommen werden könnte, erfüllte ihn mit Furcht. Die Gefahr für sein Reich schien beträchtlich, was ihn zu dem Entschluss brachte, dass dieses Kind nicht am Leben bleiben durfte. Unter dem Vorwand, den neuen König verehren zu wollen, bat er die Magier, ihm den Aufenthaltsort mitzuteilen, sobald sie ihn gefunden hätten. Doch als er erfuhr, dass sie auf einem anderen Weg zurückgekehrt waren, wurde er sehr zornig und er sandte aus und ließ in Betlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten (Mt 2,16).

Herodes ist nicht nur von Angst um seine Macht getrieben, sondern auch von blinder Wut. In dem Glauben, durch Gewalt seine Herrschaft sichern zu können, verliert er jedoch in Wirklichkeit etwas viel Wertvolleres: den Frieden und die Zuversicht, die sein Volk hätte haben können. Wie Papst Franziskus sagte, kann ein Moment der Wut vieles zerstören: „Der Mensch verliert die Kontrolle und vergisst, was wirklich wichtig ist. Auf diese Weise kann er die Beziehung zu einem Bruder nachhaltig schädigen, oft für immer. (...) Zorn ist das Gegenteil von Sanftmut. Sanftmut verbindet, Zorn trennt.“2

Sanftmut ermöglicht es, Schwierigkeiten in ihrem wahren Kontext zu sehen, sie hilft uns, nicht zu erwarten, dass Menschen oder Umstände immer unseren Erwartungen entsprechen. Ihr Ziel ist nicht die Beherrschung anderer, sondern die Erleichterung des Weges des eigenen Herzens zu Gott. Selbst wenn etwas an einer anderen Person zu einem bestimmten Zeitpunkt störend erscheinen mag, befähigt uns diese Tugend, der guten Beziehung den Vorrang zu geben, im Wissen, dass die Einheit höher steht als die Unterschiede. Das bedeutet nicht, dass Sanftmut zur Gleichgültigkeit führt oder zu einem Leben, das sich von den Ereignissen um uns herum abwendet. Manchmal zeichnet sich Sanftmut sogar durch eine Art von Rebellion aus, wie der heilige Josefmaria es formulierte: „Ich will nicht protestieren, ohne eine positive Lösung zu finden, ich will mein Leben nicht mit Unordnung füllen. Dagegen rebelliere ich! Ich möchte ein Kind Gottes sein, mit Gott Umgang pflegen, mich wie ein Mensch verhalten, der weiß, dass er eine ewige Bestimmung hat, und im Leben so viel Gutes tun, wie ich kann: verstehen, vergeben, verzeihen, zusammen leben ... Das ist meine Rebellion!“3


ALS JOSEF durch den Engel erfuhr, dass Jesus getötet werden sollte, floh er in der Nacht mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten (Mt 2,14). Die Situation scheint im Widerspruch zu der Seligpreisung zu stehen, mit der der Herr später die Erben des Landes ankündigen wird. Diesmal waren die Sanftmütigen gezwungen, ihren Platz zu verlassen, da sich der Zorn des Herodes über das ganze Gebiet ausbreitete. Auf den ersten Blick scheint der Stärkere gewonnen zu haben, derjenige, der sich gewaltsam durchsetzen will.

Aber in der Seligpreisung geht es nicht so sehr um einen physischen Ort, sondern um etwas viel Wertvolleres, wie Papst Franziskus erklärt: „Der Sanftmütige ist derjenige, der das erhabenste aller Gebiete erbt. Er ist kein Feigling, kein Faulpelz, der eine bequeme moralische Begründung findet, um sich aus Schwierigkeiten herauszuhalten – nichts dergleichen! Er ist ein Mensch, der ein Erbe erhalten hat und es nicht verschleudern will. Der Sanftmütige ist kein selbstgefälliger Mensch, sondern ein Jünger Christi, der gelernt hat, ein ganz anderes ,Land‘ zu verteidigen: Er verteidigt seinen Frieden, er verteidigt seine Beziehung zu Gott, er verteidigt seine Gaben.“4 Wie der Psalmist sagt: Der Herr ist mein Erbteil, er reicht mir den Becher, du bist es, der mein Los hält. Die Messschnur fiel mir auf liebliches Land. Ja, mein Erbe gefällt mir (Ps 16,5-6). Das ist das Gebiet, das die Sanftmütigen letztendlich in Besitz nehmen werden: Gott selbst.

Die Jungfrau Maria verstand es, diesen Moment der Gefahr mit Sanftmut durchzustehen, weil sie auf den Herrn vertraute. Logischerweise würde sie Müdigkeit und Ungewissheit erleben, doch sie nahm diese Schwierigkeiten gelassen hin, ohne ihren Frieden zu verlieren: Sie wusste, dass nichts dem Plan Gottes entging. Sicherlich konnte Jesus diese Sanftmut seiner Mutter in vielen gewöhnlichen Situationen erleben. Wenn er also später sagt: Ich bin gütig und von Herzen demütig, können wir davon ausgehen, dass er dies zum Teil von Maria gelernt hat. Das war es, was „den Blick der Allerheiligsten Dreifaltigkeit auf seine und unsere Mutter,“5 zog.


1 Benedikt XVI., Zusammentreffen mit Priestern, 23.2.2012.

2 Franziskus, Audienz, 19.2.2020.

3 Hl. Josefmaria, Treffen mit Jugendlichen in Peru, 13.7.1974.

4 Franziskus, Audienz, 19.2.2020.

5 Hl. Josefmaria, Die Spur des Sämanns, Nr. 726.