Betrachtungstext: 4. Adventsonntag (A)

Maria wusste, wie sie sich dem Handeln Gottes öffnen konnte. - Gott nähert sich dem Menschen in unvorstellbarer Weise. - Eine Antwort auf unseren Wunsch nach Erlösung.

DIE JUNGFRAU MARIA hatte voller Überraschung die Worte des Engels gehört: "Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben" (Lk 1,31). Doch anstatt wie gelähmt vor dem göttlichen Plan zu verharren, der ihre Gegenwart und ihre Zukunft verändern sollte, rief sie mit heiterer Überzeugung aus: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast" (Lk 1,38). Es erfüllt uns mit Staunen, dass diese einfachen Worte das Tor bilden, durch das Gott unsere Welt betreten will, und sie sind auch das Tor, durch das wir diese Weihnachtswoche betreten. "»Hier bin ich« ist das Schlüsselwort des Lebens. Es markiert den Übergang von einem horizontalen Leben, das auf sich selbst und seine Bedürfnisse ausgerichtet ist, zu einem vertikalen Leben, das auf Gott hin entworfen ist. »Hier bin ich« heißt, dem Herrn zur Verfügung zu stehen, es ist das Mittel gegen Selbstsucht, es ist das Gegenmittel gegen ein unbefriedigtes Leben, dem immer etwas fehlt".1

"Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: Siehe, die Jungfrau hat empfangen, sie gebiert einen Sohn und wird ihm den Namen Immanuel geben" (Jes 7,14), sagte der Prophet Jesaja. Eine demütige Frau wird zur Mutter Gottes; ein fast unbekanntes Volk wird zur Wiege des Messias. So handelt Gott. Auch bei uns kann eine scheinbar kleine, vom Glauben erfüllte Reaktion unser tägliches Leben in ein großes göttliches Werk verwandeln. In den einfachsten Momenten unseres täglichen Lebens können wir Ja sagen zu Gott, der kommt: in einer zufälligen Begegnung mit einem Freund, im manchmal eintönigen Verlauf der Arbeitszeit oder in einem angenehmen Familienabend.

Vielleicht haben wir in diesen letzten Adventstagen fleißig an unseren Krippen gebastelt. Wir haben ein Schaf umgesetzt, das sich verirrt hatte und vom Kind abgewandt war, oder wir haben versucht, das verdorrte Moos auf der Wiese neben dem Stall einladender zu gestalten. Es sind kleine Gesten, die ein Abbild des Glaubens sein sollen, mit dem wir auf die ständigen und zarten Rufe Gottes antworten wollen. Komm, Herr, zögere nicht! Wir brauchen dich, und wir wollen uns mit Liebe auf dein Kommen vorbereiten.

"WER DARF hinaufziehen zum Berg des HERRN, wer darf stehen an seiner heiligen Stätte? (Ps 24,3). Diese Worte voller Erwartung drücken eine der tiefsten Sehnsüchte des Psalmisten aus: im Haus Gottes zu wohnen und sein Angesicht zu schauen. Das Volk Israel wusste jedoch, dass dieser Wunsch unmöglich zu erfüllen war. Sie glaubten sogar, dass diejenigen, die Gott sahen, sofort sterben würden, weil der Mensch nicht in der Lage wäre, die Betrachtung einer solchen Größe zu ertragen. Deshalb sind wir so überrascht, dass Gott, der Allmächtige, sein Gesicht in der zarten Gestalt eines Kindes zeigen wollte. Wir möchten uns Bethlehem in diesen Tagen mit zwei Gefühlen nähern, die sich gegenseitig ergänzen: Ehrfurcht vor dem Geheimnis und die Zuneigung, die ihn in der Wärme eines Hauses aufnimmt.

Gott ist weitaus großzügiger gewesen, als es sich das menschliche Herz vorstellen konnte. Er wollte nicht nur liebevoll vom Himmel auf uns herabschauen und uns eine Zeit lang besuchen: Gott ist mit uns eins geworden und hat sich so sehr in seinen Weinberg eingemischt, dass er so weit ging, zu uns zu sagen: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht" (Joh 15,5). Alles kann durch den Saft genährt werden, den Christus uns in seinen Sakramenten, im Gebet, in seiner ständigen Begleitung schenkt. Er wollte ein menschliches Leben führen, damit unser menschliches Leben eine göttliche Dimension erhält.

"Jesus wurde in einem Stall geboren, weil - so berichtet die Heilige Schrift ‒ ‘in der Herberge kein Platz für sie war’. Es ist keine weit hergeholte Auslegung dieser Textstelle, wenn ich dir sage: Jesus sucht immer noch eine Herberge ‒ in deinem Herzen!"2 Jeden Tag haben wir die Möglichkeit, dieser Anregung des heiligen Josefmaria zu folgen und unser Herz für Jesus zu öffnen. Der Glaube lässt sich nicht auf eine Reihe von Wahrheiten reduzieren, noch ist er eine Reihe abstrakter Regeln, die zu befolgen sind. An Gott zu glauben bedeutet vor allem, seinen Sohn in uns aufzunehmen und unser ganzes Leben mit ihm zu teilen. Kurzum, unsere Seele wird zu Bethlehem. Wenn er sich dank der Zuneigung von Maria und Josef und der Wärme von ein paar Schafen in der Armut jenes Stalls wohlfühlen konnte, warum sollte er sich nicht auch in unseren Herzen wohlfühlen, wenn wir versuchen, ihm die Freuden und Sorgen jedes unserer Tage zu schenken?

"TAUT, IHR HIMMEL, von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf und bringe das Heil hervor" (Jes 45,8). Der Eröffnungsvers dieses vierten Adventssonntags bringt das Bedürfnis zum Ausdruck, dass wir einen Gott brauchen, der uns rettet. Bei vielen Gelegenheiten wird unser Gebet darin bestehen, dass wir aus der Tiefe unseres Herzens heraus unsere Sehnsucht nach Gott ausdrücken. Sowohl wenn wir unsere Begrenzungen und den Schmerz unserer Wunden spüren, als auch wenn wir uns an kleinen Dingen erfreuen, wollen wir, dass alles von Gottes Liebe durchdrungen ist. Wir erkennen, dass ein Leben mit ihm etwas völlig anderes ist als ein Leben in sich selbst.

Der Sohn wollte Mensch werden, um uns zu retten. Und diese Erlösung kann nur durch die große Liebe seines Vaters zu uns erklärt werden. "Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, dass jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe" (Joh 3,16). Wenn wir das Kind von Bethlehem betrachten, wie könnten wir uns da nicht der Liebe Gottes zu uns und seiner Fürsorge sicher sein? Bei allen Ereignissen, die zu unserer Existenz gehören, können wir sicher sein, dass Gott zu uns spricht und uns rettet.

Wir können uns vorstellen, wie schwer es für unsere Mutter gewesen sein muss, ihren geliebten Sohn in der Armut einer Krippe geboren zu sehen. Aber selbst in diesem Ereignis, das in den Augen der Menschen so dunkel war, muss sie das Licht Gottes gesehen haben. "Die wirklich großen Dinge geschehen oft unbemerkt, und die tiefe Stille erweist sich als fruchtbarer als die hektische Geschäftigkeit, die in unseren Städten herrscht".3 Wir können sie bitten, uns ihre Sensibilität und ihr vom Glauben erfülltes Herz zu schenken, damit auch wir Gott in allen Einzelheiten unseres Lebens wahrnehmen können. So wie Johannes der Täufer im Schoß seiner Mutter vor Freude über die Anwesenheit der schwangeren Jungfrau hüpfte, so werden auch wir von Freude erfüllt sein, wenn wir uns an die Geburt Jesu erinnern.


1 Papst Franziskus, Angelus, 8. Dezember 2018.

2 Hl. Josefmaria, Feuer, Nr. 274.

3 Benedikt XVI., Ansprache, 8. Dezember 2012.