Betrachtungstext: 33. Woche im Jahreskreis – Freitag

Reinigung des Tempels für das Gebet – Die Kirche ist Tempel für jedermann – Gemeinsam mit Christus sind wir lebendige Steine der Kirche

WÄHREND SEINER AUFENTHALTE in Jerusalem lehrte Jesus täglich im Tempel. Dieser war der Ort der Begegnung mit Gott in Gebet und Opfer, er war Symbol für den Schutz Jahwes, seine Gegenwart und stete Bereitschaft, auf sein Volk zu hören und jenen zu helfen, die in ihren Nöten Hilfe suchten. Gott wollte unter den Menschen wohnen, damit die Menschen auf diese Weise Gott finden.

Begleitet von seinen Aposteln begab sich der Herr dorthin mit der Freude eines Sohnes, der kommt, um im Haus seines Vaters zu beten. Doch die Atmosphäre im Tempel war dazu nicht immer geeignet. Die durch die gesetzlich vorgeschriebenen Opfer entstandene Dynamik verlieh dem Tempel und insbesondere seinem riesigen Vorplatz eher den Charakter eines Marktplatzes. Man kann sich das laute Treiben von Menschen und Tieren leicht vorstellen.

Bei einem seiner Besuche beschloss Jesus, die Händler hinauszutreiben. Er sagte zu ihnen: Es steht geschrieben: Mein Haus soll ein Haus des Gebetes sein (Lk 19,45). Die Szene war zweifellos eindrucksvoll. Und mit diesem Bild vor Augen sollten wir uns daran erinnern, dass auch wir, wie Papst Franziskus sagte, „Tempel des Heiligen Geistes sind: Ich bin ein Tempel, der Geist Gottes ist in mir. (...) Auch wir müssen uns ständig reinigen, weil wir Sünder sind, und wir reinigen uns durch das Gebet, durch die Buße, durch das Sakrament der Versöhnung, durch die Eucharistie.“1


GOTT wohnt nicht bloß in jenem Tempel, den wir mit unseren Händen errichtet haben. Letztlich ist sein Tempel der Leib Christi, also die Kirche selbst. Die ganze Kirche wird zum Ort, an dem die Gegenwart Gottes erfahrbar wird. Der Heilige Vater erklärte: „Was im alten Tempel Vorzeichen war, wird durch die Macht des Heiligen Geistes in der Kirche Wirklichkeit: Die Kirche ist das ,Haus Gottes‘. (…) Wenn wir uns fragen: Wo können wir Gott begegnen? Wo können wir durch Christus mit ihm in Gemeinschaft treten? Wo können wir das Licht des Heiligen Geistes finden, das unser Leben erleuchtet? Dann lautet die Antwort: im Volk Gottes, unter uns, die wir Kirche sind.“2

Gewiss können wir Menschen „das reine Antlitz der Kirche entstellen“3, denn obwohl sie ein von Christus geheiligtes Volk ist, besteht sie aus fehlbaren Geschöpfen. Der heilige Josefmaria stellte fest, dass „dieser scheinbare Widerspruch einen besonderen Aspekt des Geheimnisses der Kirche darstellt. Die Kirche ist göttlich, zugleich aber auch menschlich, denn sie besteht aus Menschen, und wir Menschen haben Fehler (...). Unser Herr Jesus Christus, der die heilige Kirche begründet hat, erwartet von den Mitgliedern dieses Volkes, dass sie sich ständig bemühen, die Heiligkeit zu erreichen (...). Und an der Braut Christi erkennt man einerseits das Wunderbare des Heilswegs und andererseits die Unvollkommenheiten derer, die diesen Weg beschreiten.“4 Die Kirche ist im Leben eines jeden Christen ein Tempel für jedermann. Deshalb wollen wir Gott, der in uns gegenwärtig sein will, mit seiner Hilfe so transparent wie möglich offenbaren.


DIE KIRCHE CHRISTI wird aus lebendigen Steinen (1 Petr 2,5) auferbaut. Der erste unter diesen lebendigen Steinen ist Jesu, von den Menschen verworfen, aber vor Gott auserwählt und geehrt (1 Petr 2,4). Gleichzeitig wird jeder Getaufte ein lebendiger Stein, um uns zu einem geistigen Haus aufbauen zu lassen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen (1 Petr 2,5). Es bedarf keiner langwierigen Rituale und Tieropfer mehr. Die wichtigste Opfergabe, die Gott erwartet, ist die tägliche Hingabe unseres Lebens in Vereinigung mit der Hingabe Christi, die „reine, heilige und makellose Opfergabe5, wie es im Messkanon heißt, die Hostie, die Gott wohlgefällt.

Der Herr wünscht sich, dass der Tempel unseres Herzens, wie der heilige Ambrosius sagt, nicht ein „Haus der Kaufleute, sondern der Heiligkeit6 sei. Durch die Reinigung des Tempels lädt Jesus uns ein, unsere Absichten zu reinigen, damit unsere Suche nach Gott authentisch sein kann. Um das Herz zu einem Haus des Gebets zu machen, müssen wir den Lärm und den Trubel ausschalten und Momente der inneren Stille finden, um auf Jesus zu blicken. In dieser Stille ereignen sich auf unmerkliche Weise große Dinge, die großen Veränderungen, die auf unser Leben und unser Umfeld wirken.

Ein Hymnus des heutigen Stundengebets vermittelt dies treffend: „Wo immer ein Christ hingeht, gibt es keine Einsamkeit, sondern Liebe, denn er trägt die ganze Kirche in seinem Herzen, und sagt immer ,wir‘, auch wenn er ,ich‘ sagt.“ Und im Zentrum dieses „Wir“ steht Maria, Tempel des Heiligen Geistes und Mutter der Kirche: Sie tritt für uns ein, damit unser Leben jeden Tag heiliger und glücklicher wird: Wir werden zu starken lebendigen Steinen des Tempels, der ihr Sohn ist.


1 Franziskus, Tagesmeditation, 22.11.2013.

2 Franziskus, Audienz, 26.6.2013.

3 Hl. Josefmaria, Loyal zur Kirche, Nr. 19.

4 Ebd., Nr. 23.

5 Canon Romanus oder Eucharistisches Hochgebet I.

6 Hl. Ambrosius, Kommentar zu dieser Stelle in Catena aurea.