JESUS predigte besonders gerne in Kafarnaum, nicht nur weil es der Heimatort einiger seiner Apostel war, sondern auch weil er dort auf eine große Offenheit für seine Lehre stieß. Kafarnaum war ein bedeutendes Fischerdorf am Ufer des Sees Gennesaret, das von Kaufleuten und römischen Soldaten belebt war und eine wichtige Synagoge besaß. Es war ein Ort, an dem Juden und Heiden, Einheimische und Reisende zusammenkamen, sodass verschiedene Mentalitäten und Kulturen einander begegneten.
Lukas berichtet, wie beeindruckt die Menschen auf Jesu Reden reagierten, denn er redete mit Vollmacht (Lk 4,32), wie sie es noch nie erlebt hatten. Wir können uns die Vielfalt des Publikums vorstellen: Einige hörten ihm voller Hoffnung zu, andere aus Interesse, andere aus Neugier. Sie achteten auf jedes einzelne Worte und auf jede einzelne Geste und sahen genau, wie er auf die Menschen zuging oder sich zu den Ereignissen des Dorflebens stellte. Die Faszination, die Jesus – anders als manche Pharisäer – bei seinen Zuhörern auslöste, ging von seiner einzigartigen Autorität aus. Er sprach nicht nur über große Wahrheiten, sondern bestätigte die Wahrheit seiner Worte auch durch Taten.
Auch wir können, wenn wir das Evangelium lesen und darüber meditieren, von der Gestalt Jesu fasziniert sein, wie es seine Zeitgenossen waren. Der heilige Josefmaria empfahl: „Versetze dich in deinem Gebet in die Szenen des Evangeliums, als wärest du ein Teilnehmer.“ Er schlug vor, sich die Szene lebhaft vorzustellen, um sich zu sammeln. Danach sollten wir einen bestimmten Aspekt des Lebens Jesu betrachten – sein mitfühlendes Herz, seine Demut, seine Reinheit, seine Erfüllung des Willens des Vaters. Schließlich sollten wir ihm von unseren eigenen Erfahrungen erzählen und aufmerksam bleiben, da er uns vielleicht etwas offenbaren möchte: „Und so werden innere Regungen aufsteigen, machst du Entdeckungen, vernimmst du Einwände.“1
WÄHREND eines dieser Aufenthalte des Herrn in Kafarnaum befand sich ein Mann in der Synagoge, der den Geist eines unreinen Dämons hatte, und er schrie mit lauter Stimme: „Lass uns in Ruhe! Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes!“ Doch Jesus gebot ihm streng: „Schweig! Und verlass ihn!“ Daraufhin warf der Dämon den Mann zu Boden und verließ ihn, ohne ihm zu schaden. Die Anwesenden waren zutiefst erschrocken und fragten einander: Was ist das für ein Wort? Mit Vollmacht und Kraft befiehlt er den unreinen Geistern und sie fliehen (Lk 4,33-36).
Die Szene zeigt die Macht Jesu über die unreinen Geister. Der Teufel hatte zwar versucht, Stärke zu zeigen und Jesus zu provozieren. Indem er ihn unverschämt den Heiligen Gottes nannte, wollte er einerseits sein Wissen um Jesu Sendung und andererseits seine Rebellion gegenüber dem Werk der Erlösung zur Schau stellen. Doch trotz dieser Aufsässigkeit gehorchte er dem Befehl Jesu unverzüglich. Ähnliche Situationen wiederholen sich im Evangelium: Menschen, die viele Jahre lang oder sogar von Geburt an vom Teufel oder von Krankheiten geplagt waren, erlangen durch die Begegnung mit dem Herrn ihre psychische oder körperliche Gesundheit wieder. Außerdem öffnet der Herr ihnen eine neue Lebensperspektive: Sie können sich an der Gesellschaft von Familie und Freunden wieder erfreuen und ihre Gottesbeziehung auf einen erneuerten Glauben stützen.
Papst Franziskus erklärte einmal: „Das Evangelium ist das Wort des Lebens: Es unterdrückt die Menschen nicht, im Gegenteil, es befreit alle, die Sklaven der vielen bösen Geister dieser Welt sind: der Eitelkeit, der Geldgier, des Stolzes, der Sinnlichkeit … Das Evangelium verändert das Herz, es verändert das Leben und verwandelt Neigungen zum Bösen in Vorsätze zum Guten. Das Evangelium vermag die Menschen zu ändern! Daher ist es Aufgabe der Christen, dessen erlösende Kraft überall zu verbreiten und Missionare und Boten des Wortes Gottes zu werden.“2
ZUSÄTZLICH zum Evangelium und zur Kirche erreichen uns Jesu Botschaften über verschiedene Mittler, die der Herr nutzt, um uns seinen Willen mitzuteilen. Der Prälat des Opus Dei erinnert uns daran: „Gott kann uns seinen Willen auch durch unsere Mitmenschen erkennen lassen, die je nach Situation und Kontext mit mehr oder weniger Autorität ausgestattet sind. Das Bewusstsein, dass Gott durch andere Menschen oder auch durch mehr oder weniger gewöhnliche Ereignisse zu uns spricht, die Überzeugung, dass wir ihn darin hören können, lässt in uns eine Haltung der Fügsamkeit entstehen. Denn seine Pläne können auch in den Worten derer verborgen sein, die mit uns auf dem Weg sind.“3
Von „hören, horchen“ leitet sich das Wort „gehorchen“ ab, ähnlich wie vom lateinischen „audire“ das Wort „ob-audire“ kommt. Um Christus nahe folgen zu können, sollten wir unsere Vorstellungen und Pläne mithilfe jener Menschen, die uns gut kennen, hin und wieder überprüfen. Denn wir sind nicht immer sicher, was für uns richtig ist. Gottes Wille offenbart sich oft nicht klar und deutlich. „Zuhören“ bedeutet, offen für die Perspektiven anderer zu sein. Das kann schwerfallen, besonders wenn die Entscheidung, über die wir nachdenken, uns sehr gefällt oder auch eine Herausforderung darstellt. Es ist deshalb wichtig, bereitwillig auf die Ratschläge derer einzugehen, die uns lieben und die Gnade Gottes haben, uns zu führen. Diese Ratschläge sollten wir als Hilfen des Herrn schätzen, um seinen Willen zu erkennen.
„Herr, was willst du von mir?“ Aus dieser Fragestellung heraus wird die Tugend des Gehorsams verständlich. Der Gehorsam macht uns nicht klein, sondern groß, da wir bereit sind, das zu tun, was Gott von uns möchte, und wir uns nicht selbst täuschen wollen, wenn es darum geht, seinen Willen in die Tat umzusetzen. Die Jungfrau Maria war groß, weil sie auf das hörte, was Gott von ihr wollte, und seinen Willen erfüllte. Der heilige Josefmaria schrieb: „In Maria gibt es nichts von der Haltung der törichten Jungfrauen, die zwar gehorchen, aber ohne zu denken. Unsere Liebe Frau hört aufmerksam auf das, was Gott will, überlegt, was sie nicht versteht, fragt, was sie nicht weiß. Dann widmet sie sich ganz der Erfüllung des göttlichen Willens: Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort (Lk 1,38).“4
1 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 253.
2 Franziskus, Angelusgebet, 1.2.2015.
3 Msgr. Fernando Ocáriz, Pastoralbrief, 10.2.2024, Nr. 6.
4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 173.