Betrachtungstext: 21. September – Hl. Matthäus

Die Begegnung des Matthäus mit Jesus – Eine Liebe, die in Schwierigkeiten Orientierung schenkt – Sich als Sünder erkennen

ANHAND DER Geschichte von Matthäus‘ Berufung zeigt der heilige Beda die grundlegenden Elemente jeder Berufung auf: „Jesus sieht den Zöllner, und weil er ihn liebte, wählte er ihn aus.“1 Stets geht die Initiative von Gott aus, der von Ewigkeit her an uns denkt und uns auf jedem Schritt unseres Lebens begleitet. Im Fall des Matthäus kommt Jesus an dem Lokal vorbei, in dem dieser Steuern eintrieb, lässt seinen Blick auf ihn fallen und beschließt, ihn ohne weitere Umschweife zu berufen. Hierin liegt das Geheimnis jeder Berufung. Matthäus hätte sich viele Fragen stellen können wie: Warum ich? Warum jetzt? Bringe ich die nötigen Voraussetzungen mit? Wohin wird mich diese Entscheidung führen? Schließlich war Matthäus Steuereintreiber und galt in der damaligen Gesellschaft als öffentlicher Sünder. Doch seine Geschichte zeigt, dass diese Fragen nicht entscheidend sind. Was wirklich zählt, bei Matthäus und bei jeder Berufung, ist die persönliche Begegnung mit Christus und die Einladung, an seinem Heilsplan mitzuwirken.

Das Wort, das Jesus an Matthäus richtet, lautet: „Folge mir nach.“ Mit dieser Aufforderung ruft Jesus Matthäus nicht nur dazu auf, physisch mit ihm zu gehen, sondern vor allem, sein Leben nach ihm auszurichten. „Folgen meint“, wie der heilige Beda ebenfalls erklärt, „nachahmen. Folgen nicht mit den Füßen, sondern mit der Tat des Lebens. Denn wer sagt, dass er in Christus bleibt, muss auch leben, wie er gelebt hat.“2 Und so kam es, dass das Leben des Matthäus seine vollkommene Erfüllung fand. Er wird sein Leben mit neuen Augen gesehen haben, in einem neuen Licht, das ihm wohltat und ihn zugleich anspornte, eine großzügige Antwort zu geben. Der heilige Josefmaria schildert den Prozess: „Wenn ihr mich fragt, wie man den göttlichen Ruf merkt, wie man draufkommt, so möchte ich euch sagen, dass es sich um eine neue Sicht des Lebens handelt. Es ist, als würde sich in uns ein Licht entzünden; es ist ein geheimnisvoller Impuls, der den Menschen antreibt, seine edelsten Energien einer Tätigkeit zu widmen, die ihn, je mehr er sie ausübt, ganz einnimmt. Diese vitale Kraft, die wie eine Lawine wirkt, die alles mit sich reißt, ist das, was andere Berufung nennen.“3


MATTHÄUS reagierte unverzüglich auf den Anruf. Im Evangelium heißt es schlicht und einfach, dass er aufstand und ihm nachfolgte (Mt 9,9). Viele Einzelheiten erfahren wir nicht. Wir wissen etwa nicht, ob der Mann den Meister vorher schon einmal predigen gehört hatte oder in Kafarnaum, wo er lebte und arbeitete, schon einmal mit ihm gesprochen hatte. Was die knappe Darstellung aber betont, ist die Schnelligkeit und Entschlossenheit, mit der er dem Herrn folgte, als er den Ruf erhielt, sein Leben zu verschenken. Diese Bereitschaft, sofort zu handeln, finden wir auch bei anderen Apostel wie Andreas und Petrus, Philippus und Nathanael oder Jakobus und Johannes (vgl. Joh1,40-50; Mt 4,18-22).

Was mag diese einfachen Fischer und den Zöllner Matthäus dazu bewegt haben, Christus ohne Zögern zu folgen? Es ist nicht so einfach, darauf eine Antwort zu geben. Denn wir wissen wenig darüber, wer sie waren, wie sie dachten, worauf sie ihre Hoffnungen und Erwartungen setzten. Doch die Evangelien zeigen, dass Jesus ihre Herzen berührt hat. Er ließ sie die Liebe, die er in die Welt gebracht hatte, lebendig erfahren. Und diese Entdeckung erfüllte sie mit einer unwiderstehlichen Freude. Papst Franziskus erklärt, dass „jede wahre Berufung mit einer Begegnung mit Jesus beginnt und uns Freude und neue Hoffnung schenkt; und sie führt uns – auch durch Prüfungen und Schwierigkeiten – zu einer immer tieferen Begegnung mit ihm.“4

Matthäus ließ zu, dass Jesus sein Herz eroberte. Er erkannte, dass die Zeit mit Jesus ein Glück bedeutete, das die Welt nicht geben kann. Vielleicht war ihm auch bald klar, dass es Schwierigkeiten geben würde, da nicht jeder den Meister offenherzig empfing. Vielleicht nahm er auch seine eigenen Grenzen und Unzulänglichkeiten wahr, im Kontrast zu der Sendung, in der Jesus unterwegs war. Doch Matthäus stand zu seiner Hoffnung und gab dem Pessimismus keinen Raum; er vertraute darauf, dass er seine Liebe zu Jesus bewahren würde und sie vielleicht auch immer wieder reinigen und erneuern könnte. Papst Franziskus macht in diesem Sinne Mut: „Verliebt in Jesus. Gewiss, es gibt Prüfungen im Leben, es gibt Augenblicke, in denen man vorangehen muss trotz Kälte und Gegenwind, trotz großer Bitterkeit. Aber die Christen kennen den Weg, der zu jenem heiligen Feuer führt, das sie ein für alle Mal entzündet hat. (...) Hegen wir gesunde Utopien: Gott möchte, dass wir in der Lage sind, wie er und mit ihm zu träumen, während wir zugleich unterwegs sind und unsere Augen nicht vor der Wirklichkeit verschließen.“5


NACH SEINER Begegnung mit Jesus an der Zollstätte beschloss Matthäus, ein Fest in seinem eigenen Haus zu veranstalten. Er wollte die Neuorientierung seines Lebens feiern und lud seine Freunde ein, Jesus kennenzulernen. Viele von ihnen, wie Matthäus selbst, galten wegen ihrer Zusammenarbeit mit dem Römischen Reich als Sünder. Als die Pharisäer das sahen, begannen sie zu seinen Jüngern zu sagen: Warum isst euer Lehrer mit Zöllnern und Sündern? Jesus hörte von dem Gerede und nützte die Gelegenheit, um den Grund für sein Kommen in die Welt klarzustellen: Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Geht und lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer! Denn ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder (Mt 9,12-13).

Die Botschaft ist klar: Wer sich selbst für gerecht hält, verschließt sich vor der Barmherzigkeit Gottes. Derjenige hingegen, der sich als Sünder erkennt, lässt Christus zu sich kommen und öffnet sich für die Heilung durch den Gottessohn. Jesus fordert von uns kein makelloses und fehlerfreies Leben, sondern ein zerknirschtes und demütiges Herz: Das ist das beste Opfer, das wir ihm bringen können (vgl. Ps 51,19). Der Prälat des Werkes hielt in diesem Sinne fest: „Wir sind armes Tongeschirr: zerbrechlich, gebrechlich. Doch Gott hat uns geschaffen, um uns mit seinem Glück zu erfüllen, für immer. Schon jetzt schenkt er uns hier auf Erden seine Freude, damit wir sie allen weitergeben können.“6 Bitten wir unsere himmlische Mutter, uns zu helfen, in unserem Leben die heilende Kraft der Barmherzigkeit Gottes zu erfahren. Besonders in der Beichte und in der Eucharistie empfangen wir die Gnade, die uns dazu drängt, Zeugen der Liebe zu sein, die Gott zu uns hegt.


1 Hl. Beda der Ehrwürdige, Predigt 21.

2 Ebd.

3 Hl. Josefmaria, Brief 3, Nr. 9.

4 Franziskus, Audienz, 30.8.2017.

5 Ebd.

6 Msgr. Fernando Ocáriz, Im Licht des Evangeliums, S. 210-211.