Betrachtungstext: 2. Oktober – Jahrestag der Gründung des Opus Dei (1928)

Das Opus Dei ist von Gott gewollt – Beschaulich mitten in der Welt – An einer göttlichen Initiative mitwirken

ZWISCHEN DEM 30. September und dem 6. Oktober 1928 hielten die Vinzentinerpatres in Madrid Besinnungstage für Diözesanpriester ab. Josefmaria Escrivá, ein junger Priester im Alter von sechsundzwanzig Jahren, nahm daran teil. Er hatte ein paar Tage dafür freihalten können. Gott allein wusste, dass dieser Priester während jener Veranstaltung am Dienstagmorgen, dem 2. Oktober, nach der Feier der heiligen Messe den göttlichen Auftrag erhalten würde, das Opus Dei in die Welt zu bringen. Während er einige Notizen aus den vergangenen Jahren durchsah, begriff er erstmals, dass er dazu berufen war, Vater vieler Söhne und Töchter des Werkes zu sein. Sie alle waren gesandt, das Evangelium in ihre jeweilige Arbeitswelt zu bringen. „Wir sind eine intravenöse Injektion in den Blutkreislauf der Gesellschaft“1, erklärte der heilige Josefmaria bald darauf anschaulich. Denn diejenigen, die aus dem Geist des Opus Dei leben, sind selbst das Blut, das durch die Welt fließt, und streben danach, dem großen Leib, den Männer und Frauen um sie herum bilden, das Leben Gottes zu geben.

„In meinen Gesprächen mit euch“, schrieb der heilige Josefmaria 1934 an die wenigen, die damals zum Opus Dei gehörten, „habe ich wiederholt dargelegt, dass unser Unternehmen kein menschliches Unternehmen ist, sondern ein großes übernatürliches Unternehmen, das begann, indem sich an ihm bis ins Kleinste erfüllte, was nötig ist, um es ohne Überheblichkeit Werk Gottes zu nennen.“2 Und an anderer Stelle fasst er dasselbe in wenigen Worten zusammen: „Das Werk Gottes hat nicht ein Mensch erdacht.“3 Es würde genügen, die Geschichte des Opus Dei und jedes Einzelnen darin zu betrachten, um zu bezeugen, dass diese Mobilisierung von Christen, dieser Aufschwung zum Guten und zur Heiligkeit, den diese Familie an sehr verschiedenen Orten quer über die ganze Welt fördert, nur in Begleitung des Herrn möglich ist. Gott war immer präsent. Die Kirche hat mehrfach offiziell anerkannt, dass das Werk „auf göttliche Eingebung“4 hin entstanden ist und „die Prälatur Opus Dei gemäß der Geistesgabe, die der heilige Josefmaria Escrivá de Balaguer empfangen hat, und unter der Leitung ihres Prälaten den Auftrag erfüllt, den Ruf zur Heiligkeit in der Welt zu verbreiten.“5


„SEIT 1928 sehe ich mit aller Klarheit: Gott möchte, dass wir Christen uns am gesamten Leben des Herrn ein Beispiel nehmen“, sagte der heilige Josefmaria fast vierzig Jahre nach der Gründung. „Ich begriff, dass vor allem auch sein verborgenes Leben, sein Leben der gewöhnlichen Arbeit mitten unter den Menschen gemeint war (...). Ich träume – und mein Traum wurde wahr – von Mengen von Kindern Gottes, die sich in ihrem Leben als gewöhnliche Bürger heiligen und die Mühen, Hoffnungen und Anstrengungen ihrer Mitmenschen teilen.“6 Das Opus Dei ist von Gott gewollt, um uns einen konkreten Weg der Heiligkeit inmitten der alltäglichen Beschäftigungen anzubieten: in der Arbeit und in der Freizeit, im Familien- und Freundeskreis, in Momenten der Freude und des Schmerzes. Der heilige Josefmaria betonte, dass es in uns keine innere Spaltung geben dürfe, sodass wir auf der einen Seite unser geistliches Leben leben und dafür bestimmte Zeitabschnitte reservieren und auf der anderen Seiten all den anderen Beschäftigungen nachgehen, als ob sie wenig mit Gott zu tun hätten. Den universalen Ruf zur Heiligkeit verkünden, bedeutet daher zugleich, die Einheit des Lebens zu propagieren. Und wenn wir uns in jedem Moment unseres Tages von Gott lieben lassen, ohne die anderen beiseite zu schieben, werden wir Apostel sein, die fähig sind, in all unserem Tun einen Sendungsauftrag zu erkennen.

„Immer und immer wieder, wie mit Hammerschlägen, habe ich euch wiederholt, dass die christliche Berufung darin besteht, aus der Prosa des Alltags epische Dichtung zu machen“, sagte der heilige Josefmaria am 8. Oktober 1967 in einer Predigt auf dem Campus der Universität von Navarra. „Himmel und Erde scheinen sich am Horizont zu vereinigen; aber nein, in euren Herzen ist es, wo sie eins werden, wenn ihr heiligmäßig euren Alltag lebt ...“7 Dass wir uns bei all unserem Tun von Gott begleiten lassen und überzeugt sind, dass der Himmel in uns ist, entwickelt sich sicherlich nicht von heute auf morgen. Dafür hat uns der heilige Josefmaria einen Weg aufgezeigt, der aus der reichen Tradition der katholischen Kirche schöpft. Er konkretisiert sich in einigen Frömmigkeitspraktiken, die sich an die individuellen Lebensumstände anpassen und mit der heiteren Gelassenheit und dem Vertrauen von Kindern Gottes gelebt werden. Ziel ist es, sich von Gott erfüllen zu lassen, bis wir – wie der Gründer des Opus Dei gerne sagte, um die Radikalität dieses Pfades zum Ausdruck zu bringen – „kanonisierbare Heilige“ oder „Heilige der Altäre“ geworden sind, die mitten in der Welt ein beschauliches Leben führen und ihre Umgebung mit dem Licht des Evangeliums erleuchten.


NACHDEM er einmal detailliert dargelegt hat, dass jenes Licht vom 2. Oktober 1928 ein Licht Gottes war, unterstreicht der heilige Josefmaria nachdrücklich, dass er möchte, dass sich die zum Opus Dei Berufenen drei Dinge „wie mit Feuer“ einprägen und sich stets vor Augen halten: erstens, dass „das Werk gekommen ist, um den Willen Gottes zu erfüllen. Seid daher fest davon überzeugt, dass dem Himmel daran gelegen ist, dass es sich verwirklicht.“8 Zweitens, dass „Gott, unser Herr, wenn er ein Werk zugunsten der Menschen entwirft, zunächst an die Personen denkt, die er dafür einsetzen kann …, und ihnen die nötigen Gnaden gibt.“9 Und drittens, dass „die übernatürliche Überzeugung, dass es sich um ein göttliches Unternehmen handelt, euch schließlich mit Begeisterung und einer so großen Liebe zum Werk erfüllen wird, dass ihr euch überglücklich fühlen werdet, euch dafür aufzuopfern, damit es Wirklichkeit wird.“10

Das heißt, Gott ist es, der das Werk vollbringt; wenn wir also den Geist, den er dem heiligen Josefmaria übergab, zum Leben erwecken wollen, wird uns seine Hilfe nicht fehlen, noch wird es in unseren Herzen – mit Worten von Papst Franziskus – an der „innigen und tröstlichen Freude der Verkündigung des Evangeliums“11 fehlen. Das Opus Dei ist, wie sein Name schon sagt, Gottes Werk, nicht unseres; und dies wird uns eine heitere Gelassenheit geben, da wir wissen: Obwohl unser Herr auf unsere Mitwirkung zählt, ist er es, der die Zügel dieser Familie in der Hand hält, ist er es, der weiß, was in jedem Augenblick der Geschichte das Richtige ist, ist er es, der das Feuer des göttlichen Rufes in wem immer er will entzündet. Beim Nachdenken darüber, auf welche Weise Gott uns einlädt, mit ihm an seinem Heilsplan teilzuhaben, stellte sich der heilige Josefmaria gerne die kräftigen Fischer vor, die zulassen, dass ein paar helfen wollende Kinder an den Netzen Hand anlegen, obwohl sie nicht die Kraft dazu haben.12 Aus dieser Überzeugung, uns in der Hand des Herrn zu wissen, erwächst das echte gaudium cum pace, die Freude und der innere Friede. Der heilige Josefmaria schrieb über den 2. Oktober 1928 in diesem Sinn einmal ganz klar, dass „der Herr an jenem Tag sein Werk gegründet hat“13.

Der Prälat des Opus Dei hat uns an folgende Worte des Gründers erinnert: „Wenn wir zahlreicher sein wollen, müssen wir besser sein!“14 Der heilige Josefmaria wollte, dass seine Kinder – gewöhnliche Christen, die sich dafür einsetzen, diese Welt zu einem besseren Zuhause zu machen – sich gegenüber ihren Mitmenschen nur durch den „bonus odor Christi“, durch den Wohlgeruch Christi, auszeichnen; diese göttliche Anziehungskraft, der Anfang allen Apostolats, wird die Menschen zu ihrem wahren Glück bewegen. Die heilige Maria, Regina Operis Dei, die dem Werk stets nahe war, tritt immer für uns ein, zusammen mit dem heiligen Josefmaria und vielen Heiligen, die diesen von Gott für die Welt gewollten Geist gelebt haben.


1 Hl. Josefmaria, Instruktion über den übernatürlichen Geist des Werkes, Nr. 42.

2 Ebd., Nr. 1.

3 Ebd., Nr. 6.

4 Ut sit, Einleitung.

5 Ad charisma tuendum, Einleitung.

6 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 20.

7 Hl. Josefmaria, Gespräche, Nr. 116.

8 Hl. Josefmaria, Instruktion über den übernatürlichen Geist des Werkes, Nr. 47.

9 Ebd., Nr. 48.

10 Ebd., Nr. 49.

11 Franziskus, Evangelii Gaudium, Nr. 10.

12 Vgl. hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 14.

13 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen, Nr. 306. Zitiert in: Der Gründer des Opus Dei, Band I, S. 289.

14 Msgr. Fernando Ocáriz, Pastoralbrief, 14.2.2017, Nr. 9.