Betrachtungstext: 2. Adventwoche – Freitag

Fügsamkeit gegenüber den Eingebungen Gottes – Die Wirklichkeit aus der Perspektive Gottes betrachten – Uns vorbereiten, um dem Herrn entgegen zu gehen.

JESUS verwendete in seiner Verkündigung immer wieder Beispiele aus dem Alltag, um seinem Publikum das Verständnis seiner Botschaft zu erleichtern. Zu den Fischern sprach er von Booten und Netzen; zu den Bauern von Samen und Ernten; zu den Hausfrauen von ihren täglichen Haushaltsangelegenheiten. Auch im heutigen Evangelium verwendet Jesus ein anschauliches Bild. Nachdem die Bergpredigt und die apostolische Rede bei den religiösen Führern wenig Anklang gefunden haben, ruft er voller Schmerz aus: Mit wem soll ich diese Generation vergleichen? Sie gleicht Kindern, die auf den Marktplätzen sitzen und anderen zurufen: Wir haben für euch auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt; wir haben die Totenklage angestimmt und ihr habt euch nicht an die Brust geschlagen (Mt 11,16-17).

Der Meister bedient sich dieses Kinderliedes, um seiner Enttäuschung über die Reaktion auf seine Worte Ausdruck zu verleihen. Die Vertreter der jüdischen Religion zur damaligen Zeit hatten das einzigartige Privileg, die Frohe Botschaft aus dem Mund des Sohnes Gottes zu hören, entschieden sich aber, an ihrem Weltbild festzuhalten, als wäre nichts geschehen. Im Gegensatz dazu nahmen viele einfache und bescheidene Menschen die Botschaft gläubig an. In diesem Kontext wird Jesus später im Gebet zu seinem Vater sagen: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du das vor den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hast (Mt 11,25).

In der Adventzeit lädt uns der Herr ein, uns gründlich auf die Feier der Geburt Jesu vorzubereiten. Diese Zeit bietet uns eine Gelegenheit, unser Leben sorgfältig zu prüfen, insbesondere unsere Haltung gegenüber den Gaben Gottes. Nehmen wir sie an wie die Unmündigen und Einfachen, die das Wort Gottes hörten und danach handelten? Oder verhalten wir uns eher wie jene Führer, die von ihrer vermeintlichen Weisheit überzeugt die Einladung Jesu Christi ablehnten? Bitten wir Gott, uns die nötige Fügsamkeit zu schenken, um seine Gaben anzunehmen. Der heilige Josefmaria schrieb einst: „Mit seinen Eingebungen verleiht der Heilige Geist unseren Gedanken, Werken und Wünschen eine übernatürliche Note. Er stößt uns an, die Lehre Christi zu bejahen und sie uns bis in die Tiefe zu eigen zu machen, er erleuchtet uns, damit wir uns unserer persönlichen Berufung bewusst werden, und stärkt uns, damit wir tun, was immer Gott von uns erwartet. Wenn wir dem Heiligen Geist gegenüber fügsam sind, wird das Bild Christi in uns immer deutlicher Gestalt annehmen und wir werden so Gott unserem Vater jeden Tag näher kommen, wie der heilige Paulus sagte: Alle, die sich vom Geiste Gottes leiten lassen, die sind Söhne Gottes (Röm 8,14).“1


DENN JOHANNES ist gekommen, er isst nicht und trinkt nicht und sie sagen: Er hat einen Dämon. Der Menschensohn ist gekommen, er isst und trinkt und sie sagen: Siehe, ein Fresser und Säufer, ein Freund der Zöllner und Sünder! (Mt 11,18-19). Jesus macht seinen Zuhörern deutlich, dass viele, die gekommen waren, weder der Aufforderung zur Buße durch Johannes den Täufer noch seiner Botschaft der Freude gefolgt sind. Sie sind wie die Kinder aus dem Lied, die weder zu den Hochzeitsliedern tanzten noch bei den Begräbnissen weinten.

Im Grunde erkannten jene Menschen weder in Johannes dem Täufer Elija noch in Jesus Christus den Messias. Vielleicht waren sie zu verbohrt in ihre eigenen Ansichten und Vorurteile und merkten nicht, wer zu ihnen sprach. Papst Franziskus hat dies treffend als das Drama der Heilsgeschichte beschrieben: „Wir wollen das Heil, aber auf unsere Art und Weise, nicht so, wie der Herr es will. (...) wir wollen nicht mit unserer Freiheit gerettet werden, sondern mit unserer Autonomie: Die Regeln schaffen wir uns selbst.“ Deshalb tut es uns gut, uns zu fragen: „Auf welche Art und Weise will ich gerettet werden? Auf meine Weise?“2

Bitten wir den Herrn, dass er uns die Gabe schenkt, seine Eingebungen zu verstehen, damit wir eine übernatürliche Sicht auf die Dinge haben und uns von Gott überraschen lassen, der in unseren Mitmenschen und im Geschehen rings um uns lebendig ist. Damit wir aber nicht in die traurige Haltung der Zeitgenossen Jesu verfallen, von denen das heutige Evangelium spricht, müssen wir einen häufigen Umgang mit Gott pflegen, was uns zu einem beschaulichen Leben führt. Gleichzeitig sollten wir offen sein für Gottes Kreativität und nicht starr auf unseren Vorstellungen bezüglich seines Handelns bestehen. Nur so werden wir die Erfüllung der Verheißungen des Propheten Jesaja erleben: Dein Heil wäre wie ein Strom und deine Gerechtigkeit wie die Wogen des Meeres. Deine Nachkommen wären wie der Sand und die Sprösslinge deines Leibes wie seine Körner. Ihr Name wäre in meinen Augen nicht getilgt und gelöscht (Jes 48,18-19).


DIE GEBETE der heutigen Messe nehmen Bezug auf das Gleichnis von den klugen Jungfrauen und laden uns ein, ihrem Beispiel in der Vorbereitung auf das Kommen des Bräutigams zu folgen. Sie rufen uns gleichsam zu: „Der Herr wird kommen, eilt ihm entgegen; er ist es, der Friedensfürst.3

Die Parabel von den zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen erzählt Jesus einmal zur Beschreibung des Himmelreichs. Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl, die klugen aber nahmen mit ihren Lampen noch Öl in Krügen mit (Mt 25,1-4). Das Gleichnis ist eine Aufforderung, immer vorbereitet zu sein, damit wir, wenn der entscheidende Augenblick der Begegnung mit dem Bräutigam kommt – von dem niemand weder den Tag noch die Stunde kennt –, voller Liebe zu Gott und unseren Mitmenschen sind. Es fordert uns auf, den Blick auf die höchsten Güter gerichtet zu haben, zu erkennen, was uns glücklich macht, und bereit zu sein, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um diese Güter zu erlangen. Dieses „Öl“ ermöglicht es uns, dem Bräutigam der Kirche entgegen zu gehen, der in Bethlehem geboren wird.

Eine der beiden Adventpräfationen enthält ebenfalls eine Anspielung auf die klugen Jungfrauen. Hier heißt es, dass unser Herr selbst „uns in diesen Tagen die Freude schenkt, uns für das Fest seiner Geburt zu bereiten, damit wir ihn wachend und betend erwarten und bei seinem Kommen mit Liedern des Lobes empfangen.“4 Wir wollen den klugen Jungfrauen in ihrer Voraussicht nicht nachstehen: Der Herr möge auch uns wachend und betend vorfinden. Der heilige Josefmaria riet uns dazu, über unser Leben eine Art „Kontakt-mit-Gott-Bogen“ zu spannen: „Einige Minuten des stillen Gebets, die heilige Messe – wenn möglich täglich – und die häufige Kommunion, der regelmäßige Empfang des heiligen Sakraments der Versöhnung, auch wenn du dir keiner schweren Schuld bewusst bist, der Besuch beim Herrn, der im Tabernakel gegenwärtig ist, das Beten und Betrachten der Rosenkranzgeheimnisse und viele andere gute Übungen, die du schon kennst oder die du lernen kannst.5

Bitten wir um die Fürsprache unserer Mutter, der Jungfrau Maria, damit sie uns hilft, unser Gebetsleben auf das Kommen ihres Sohnes hin neu zu entfachen, damit wir im Sinne des heutigen Tagesgebets die Ankunft des Sohnes „mit großer Wachsamkeit erwarten und unserem Erlöser und Heiland Jesus Christus mit brennenden Lampen entgegengehen6.


1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 135.

2 Franziskus, Predigt, 3.10.2014.

3 Ruf vor dem Evangelium, Freitag der 2. Adventswoche.

4 Präfation vom Advent II.

5 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 149.

6 Tagesgebet, Freitag der 2. Adventswoche.