DAS HEUTIGE Evangelium berichtet von der Vermehrung der Brote und Fische, wie sie im Johannesevangelium (Joh 6,1-15) beschrieben wird. Johannes betont als Einziger, dass Jesus selbst bemerkt, dass die Leute bald Hunger haben könnten. Wo sollen wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben? (Joh 6,5), fragt er Philippus, nachdem er die Menschenmenge betrachtet hat. Johannes kommentiert, dass er das nur sagte, um Philippus auf die Probe zu stellen; denn er selbst wusste, was er tun wollte (Joh 6,6).
Jesus erkennt die geistigen und materiellen Bedürfnisse der Menschen, die zu ihm kommen, „im Licht seiner göttlichen Weisheit“, wie der heilige Josefmaria sagte. „Und mit seiner Allmacht kann und möchte er alle unsere Wünsche noch übertreffen. Der Herr sieht weiter als wir mit unserer simplen Logik, … und er ist grenzenlos großzügig.“1 Dies erklärt zum Teil, warum unsere Bitten, mit denen wir uns an ihn wenden, manchmal unerfüllt bleiben: Gott weiß am besten, was für uns gut ist. Wenn unser Gebet wirkungslos scheint, kann dies deshalb sein, weil Gott möchte, dass wir weiter beten, um das Verlangen nach dem, worum wir bitten, zu erhöhen; oder es kann sein, dass der Herr ein noch größeres Gut für uns bereithält.
Jesus lädt uns ein, wie Philippus ein aufmerksames Auge für die Bedürfnisse der anderen zu entwickeln. Das heißt, uns der Probleme unserer Mitmenschen anzunehmen, als wären es unsere eigenen. Obwohl er wusste, was er tun wollte, will Jesus „jeden von uns an seinem Mitleid konkret teilhaben lassen“2, wie Papst Franziskus sagte. Ein solches Mitgefühl zeigt sich in Taten, sodass er die Brote und Fische vermehrte, damit die Leute essen konnten. Jesus weiß jedoch auch, dass die Menge nach mehr als nur nach physischer Nahrung sucht; sie hungert nach dem Wort Gottes, nach Liebe und Hoffnung, nach etwas, das nur er geben kann. Deshalb wird er später von einem Brot sprechen, das die Pforten des ewigen Lebens öffnen wird. Bitten wir den Herrn, betonte Papst Benedikt, „uns erneut die Wichtigkeit entdecken zu lassen, uns nicht allein von Brot zu nähren, sondern von Wahrheit, Liebe, von Christus, vom Leib Christi, indem wir treu und bewusst an der Eucharistie teilnehmen, um immer inniger mit ihm vereint zu sein.“3
AUF JESU Frage antwortet Philippus bodenständig: Brot für zweihundert Denare reicht nicht aus, wenn jeder von ihnen auch nur ein kleines Stück bekommen soll (Joh 6,7). Andreas erscheint und berichtet, was sie gefunden haben: Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; doch was ist das für so viele? (Joh 6,9). Die Worte erinnern an das, was der Diener des Propheten Elischa sagte, der in einer ähnlichen Situation nur zwanzig Brote hatte: Wie soll ich das hundert Männern vorsetzen? (2 Kön 4,43). Beide Geschichten enden ganz ähnlich: Alle wurden satt, und es blieb sogar noch Essen übrig. Johannes berichtet, dass die Jünger die Brotreste sammelten und zwölf Körbe mit den Brocken füllten, die von den fünf Gerstenbroten nach dem Essen übrig waren (Joh 6,13). Elischas Diener stellte fest, dass sie alle gegessen hatten und noch übrig ließen, wie der Herr gesagt hatte (2 Kön 4,44).
Oft erscheint uns die Realität wie eine unüberwindbare Mauer. Wir fühlen, dass unsere Kräfte nicht reichen, um ein Problem zu lösen, das wir für so komplex halten wie die Speisung einer großen Menschenmenge mit fünf Broten und zwei Fischen. Und wir möchten gleich aufgeben wie Philippus oder enttäuscht sein über das Wenige, das wir haben, wie Andreas. In solchen Momenten kann es hilfreich sein, die Geschichte des Christentums zu betrachten, die die Geschichte des Unmöglichen ist. Es ist erstaunlich, dass zwölf einfache Männer das Evangelium in die ganze Welt hinausgetragen haben. Noch wundersamer ist das tägliche Geschehen in der Heiligen Messe: Brot und Wein werden zu Fleisch und Blut Christi.
Papst Benedikt sagte: „Das Wunder wird nicht aus dem Nichts hervorgebracht, sondern aus einem ersten bescheidenen gemeinsamen Teilen dessen, was ein einfacher kleiner Junge bei sich hatte. Jesus fordert uns nicht ab, was wir nicht haben, sondern lässt uns sehen, dass sich das Wunder – wenn jeder das Wenige anbietet, das er besitzt – immer neu ereignen kann: Gott vermag unsere kleine Geste der Liebe zu vermehren und uns an seiner Gabe Anteil haben zu lassen.“4 Mit der Vermehrung der Brote und Fische will Jesus seine Jünger lehren, dass die Wirksamkeit seiner Werke nicht so sehr von ihrem guten Willen oder ihrer Anstrengung abhängt, sondern davon, dass sie Gott mit seiner Gnade wirken lassen. Er möchte, dass wir ihm, wie der Junge, unsere fünf Brote und zwei Fische geben. Den Rest übernimmt er.
WAHRSCHEINLICH vergaßen die Apostel das Wunder der Vermehrung nie mehr. Wenn sie später mit großen Problemen zu kämpfen hatten – Verfolgungen, Todesgefahr, Verlassenheit ... – erinnerten sie sich vielleicht an diese Szene mit Jesus: die Sorge, weil sie nicht wussten, wie sie die Menge bewirten sollten, die Frustration, weil sie nur sehr wenig zu essen hatten, die Angst, dass die Menschen zusammenbrechen könnten ... Vor allem aber die Freude, als am Ende alle satt waren und sogar zwölf Körbe übrig blieben. Sie hätten nie gedacht, dass fünf Brote und zwei Fische für so viele reichen würden.
Papst Franziskus erinnert uns: „Unser Leben ist voller Wunder: Es ist voll von Gesten der Liebe, Zeichen der Güte Gottes. Doch unser Herz kann angesichts dieser Wunder gleichgültig bleiben und all dies kann zur Gewohnheit werden, zur Neugier, zur Unfähigkeit, zu staunen, sich ,beeindrucken‘ zu lassen. Ein verschlossenes Herz, ein gepanzertes Herz ist nicht in der Lage, zu staunen. Beeindruckt werden ist ein schönes Verb (…). Das ist die richtige Haltung gegenüber den Werken Gottes: seine Werke im Geist zu fotografieren, damit sie sich ins Herz einprägen, und sie im Leben durch viele gute Gesten zu entfalten.“5 Das ist es, was die Apostel taten. Sie hatten immer das Bild von diesem Wunder vor sich, wenn künftig Herausforderungen auftauchten: Sie lernten, alles Jesus zu Füßen zu legen, ohne sich vom Mangel an Mitteln entmutigen zu lassen. Sie wussten, dass Gott ihnen nahe war und dass sie taten, was in ihrer menschlichen Macht stand.
In dieser Weile des Gebets können wir uns mit dem Herrn an die Wunder erinnern, die er in unserem Leben gewirkt hat. Situationen, in denen wir, wie die Apostel, das Missverhältnis zwischen der Herausforderung und unseren eigenen Fähigkeiten gespürt haben, aber merkten, wie Gott uns half. Menschen, denen der Herr durch unsere Freundschaft seine Gnade geschenkt hat. Leiden, die wir mit Frieden und Gelassenheit ertragen konnten, weil wir wussten, dass Jesus mit uns war. Maria kann uns helfen, unsere Freude nicht zu verlieren, wenn wir uns überfordert fühlen, und über die Wunder zu staunen, die ihr Sohn in uns wirkt.
1 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 341.
2 Franziskus, Audienz, 17.8.2016.
3 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 29.7.2012.
4 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 29.7.2012.
5 Franziskus, Angelus-Gebet, 9.7.2023.