Betrachtungstext: 16. Woche im Jahreskreis – Sonntag (B)

Das Wichtige vom Dringenden unterscheiden – Die Not der anderen erkennen – Den Hunger nach Glück stillen

DIE APOSTEL sind von ihrer Mission zurückgekehrt. Sie sind zu zweit durch die Nachbardörfer gezogen, haben zur Bekehrung aufgerufen, Dämonen ausgetrieben und Krankheiten geheilt. Sie staunen über das Erlebte und wollen Jesus alles, was sie getan und gelehrt hatten (Mk 6,30), erzählen. Der Herr hört zu und lädt sie ein: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus! (Mk 6,31). Bei all ihrer Aufregung und Freude merkt Jesus die Müdigkeit der Jünger. Papst Franziskus erklärt die Einladung zur Erholung so: „Warum tut er das? Weil er sie vor einer Gefahr warnen will, die immer auch auf uns lauert: die Gefahr, dass wir uns vom Rausch des Handeln-Wollens mitreißen lassen, dass wir in die Falle des Aktivismus tappen, wo das Wichtigste die Ergebnisse sind, die wir erzielen, und das Gefühl, dass wir die absoluten Protagonisten sind.“1

Auch heute ist das Leben eines Apostels dicht: Familie, Arbeit, Freunde und soziale Verpflichtungen halten uns auf Trab. Manchmal wünschen wir, der Tag hätte mehr als vierundzwanzig Stunden. Jesu Aufforderung, uns auszuruhen, erscheint uns anziehend, aber unmöglich, weil unser Zeitplan zu voll ist.

Der heilige Josefmaria riet, das Wichtige vom Dringenden zu unterscheiden.2 Manchmal widmen wir viel Zeit und Energie dem Dringenden: Wir wollen alles schnell und gut erledigen. Vielleicht ist dies gelegentlich notwendig, doch oft merken wir, dass sich diese Dringlichkeit auch anders programmieren ließe. In jedem Fall wissen wir, dass das Wichtige das ist, was unseren täglichen Aktivitäten Sinn verleiht sowie das Wissen, dass Gott Vater gütig und wohlwollend auf uns schaut – unabhängig von den Ruhepausen. Momente der Ruhe, wie Jesu Einladung an die Apostel, ermöglichen es uns, diese Realität wiederzuentdecken. Schon ein kurzer Rückzug hilft uns, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren: unsere Vertrautheit mit Christus zu stärken und uns daran zu erinnern, dass er uns bei all unserem Tun begleitet. Die Jünger vollbringen die Wunder nicht aufgrund eigener Fähigkeiten, sondern weil sie die Kraft von Jesus erhalten. Daher ist die Pflege ihrer Beziehung zu ihm das Wichtigste. So schrieb der heilige Josefmaria: „Du musst unbedingt ein ,Mensch Gottes‘ sein, ein Mensch des inneren Lebens, ein Mensch des Gebetes und des Opfers. – Dein Apostolat muss ein Überfließen deines Lebens ,aus der Tiefe‘ sein.“3


DIE ANWESENHEIT Jesu und der Apostel blieb nicht unbemerkt. Obwohl sie mit dem Boot in eine einsame Gegend gefahren waren, um allein zu sein (Mk 6,32), wurden sie entdeckt und strömten die Bewohner aus den angrenzenden Städten zusammen. Als Christus beim Aussteigen die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben (Mk 6,34). „Jesus verweigert niemandem sein Wort“, kommentierte der heilige Josefmaria, „und es ist ein Wort, das heilt, tröstet, erleuchtet. – Damit du und ich uns dies immer vor Augen halten, auch wenn wir uns erschöpft fühlen von der Last der Arbeit oder der Mühe.“4

Der Aktivismus macht es schwierig, zu erkennen, wo die Bedürfnisse der anderen liegen. Was man tun zu müssen meint, besitzt oberste Priorität. Auch wenn diese Aufgaben an sich gut sein mögen, hindern sie uns gelegentlich daran, darauf zu achten, was unsere Mitmenschen wollen. Ein Elternteil kann zum Beispiel viel Zeit in der Arbeit verbringen, um den Kindern ein komfortables Leben zu ermöglichen. Doch was die Kinder wirklich brauchen, ist die Anwesenheit und Gesellschaft ihrer Eltern.

Nachdem Jesus mit seinen Jüngern im Boot geruht hat, öffnet er sich für die Sorgen der Menschen. Papst Franziskus predigte: „Nur das Herz, das sich nicht von der Eile mitreißen lässt, ist dazu imstande, sich rühren zu lassen. Das Mitleid entspringt aus der Kontemplation. Wenn wir lernen, wirklich auszuruhen, dann werden wir zu wahrem Mitleid fähig. Ein kontemplativer Blick ermöglicht es uns, unsere Tätigkeiten ohne die gierige Haltung dessen auszuführen, der alles besitzen und verbrauchen will. Wenn wir in Verbindung mit dem Herrn bleiben und unser Innerstes nicht betäuben, haben die Dinge, die es zu erledigen gilt, nicht die Macht, uns die Luft zu rauben und uns zu verschlingen.“5


CHRISTUS erkennt den Hunger der Leute nach Erfüllung. Später würde er auch ihren physischen Hunger stillen, indem er die Brote und Fische vermehrte, doch zuerst wollte er die Seelen der Anwesenden nähren. „Dies bedeutet“, erklärte Papst Benedikt, „dass Gott für uns das Leben will, er will uns auf gute Weiden führen, auf denen wir Nahrung und Ruhe finden können; er will nicht, dass wir uns verlieren und sterben, sondern dass wir zum Ziel unseres Weges gelangen, das eben die Fülle des Lebens ist. Das ist es, was jeder Vater und jede Mutter für ihre Kinder ersehnen: das Wohl, das Glück, die Erfüllung.“6

Viele Menschen in unserer Umgebung warten darauf, dass Jesus ihnen bekannt gemacht wird. Sie werden dies unterschiedlich wahrnehmen, meist in Form eines Dursts nach Glück, von dem wir aus eigener Erfahrung wissen, dass nur unser Herr ihn stillen kann. Deshalb definiert der heilige Josefmaria das christliche Apostolat als „eine große Katechese, in der durch den persönlichen Umgang, durch eine echte und aufrichtige Freundschaft in den Mitmenschen der Hunger nach Gott geweckt und ihnen geholfen wird, einen ungeahnten Horizont zu entdecken: mit Natürlichkeit, Einfachheit, wie ich schon sagte, mit dem Beispiel gelebten Glaubens, mit einem liebenswürdigen Wort, aber erfüllt mit der Kraft der göttlichen Wahrheit.“7

Eine der besten Speisen, die wir mit anderen teilen können, ist die Freude am Leben mit dem Herrn. Es gibt nichts Stärkeres als das eigene Zeugnis. „Wir sollen so leben“, erklärte der heilige Josefmaria, „dass die Menschen, denen wir begegnen, sagen können: Das ist ein Christ, denn er hat keinen Hass, er hat Verständnis, er ist nicht fanatisch, er hat sich in der Hand, er kann Opfer bringen, er sucht den Frieden, er liebt.“8 Wir bitten die Jungfrau Maria, uns zu helfen, einen Blick wie den ihres Sohnes zu haben, der immer darauf achtet, den Hunger und Durst der Menschen um uns herum nach Gott zu stillen.


1 Franziskus, Angelus-Gebet, 18.7.2021.

2 Vgl. Salvador Bernal, Msgr. Josemaria Escrivá de Balaguer. Aufzeichnungen über das Leben des Gründers des Opus Dei, Adamas Verlag, S. 223.

3 Hl. Josefmaria, Der Weg, Nr. 961.

4 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 254.

5 Franziskus, Angelus-Gebet, 18.7.2021.

6 Benedikt XVI., Angelus-Gebet, 22.7.2012.

7 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 149.

8 Ebd., Nr. 122.