ICH BIN kein Prophet und kein Prophetenschüler (Am 7,14), ist ein sprichwörtlich gewordener Satz, den Amos äußerte, als der Priester von Bethel ihn vom Predigen abbringen wollte. Amos erklärte weiter, er sei ein normaler Mensch, ein Hirte und Platanenbauer, und wenn er prophezeie, dann deshalb, weil Gott in sein Leben eingebrochen sei und ihm diese Aufgabe anvertraut habe – und nicht, weil er sich für weise oder beredt halte oder innerhalb des auserwählten Volkes einer besonderen Klasse angehöre.
So wie Amos auf göttlichen Wunsch ein Prophet war, sind wir Christen durch die Gnade der Taufe berufen, an der prophetischen Sendung Christi teilzuhaben. Wir wissen uns von Gott gesandt, seine Liebe zu unseren Mitmenschen zu bringen. Der Heilige Geist drängt uns, in jedem Moment gemäß dieser Sendung zu handeln, die unserem Leben Inhalt und Sinn verleiht. Das Apostolat beansprucht nicht bestimmte Zeiten oder Aspekte unseres Daseins, sondern ist, wie der heilige Josefmaria sagte, „wie das Atmen des Christen. Ein Kind Gottes kann ohne diesen übernatürlichen Pulsschlag nicht leben.“1 Der Prälat des Opus Dei betont: „Wir machen nicht Apostolat, wir sind Apostel!“2 Und dies, weil Gott jedem Getauften diese Aufgabe als eine wesentliche Dimension seines Lebens anvertraut hat. Der heilige Josefmaria erinnerte die Gläubigen des Werkes daran: „Vergesst nicht, meine Kinder, dass wir keine Seelen sind, die sich mit anderen Seelen zusammentun, um eine gute Sache zu verwirklichen. Das ist viel ... aber es ist wenig. Wir sind Apostel, die einen gebieterischen Auftrag Christi erfüllen.“3
In der zweiten Lesung hören wir den Hymnus, den Paulus an den Anfang seines Briefes an die Epheser gesetzt hat. Es handelt sich um ein an Gott Vater gerichtetes Segensgebet, in dem die Berufung des Christen zur Heiligkeit und Gottes Heilsplan betrachtet werden. Dieser wird in der Fülle der Zeiten in der Zusammenfassung des Alls, was im Himmel und auf Erden ist (Eph 1,10), in Christus als Haupt seinen Höhepunkt erreichen. Mit der Gabe der Gotteskindschaft erhielten wir zugleich die Einladung, an diesem Heilsplan für die ganze Menschheit mitzuwirken. Der heilige Josefmaria schrieb: „Unsere Berufung als Kinder Gottes inmitten der Welt fordert von uns, dass wir nicht nur unsere persönliche Heiligkeit suchen, sondern dass wir die Wege der Erde in Pfade verwandeln, auf denen die Menschen durch alle Hindernisse hindurch zu Gott gelangen; dass wir als normale Bürger am zeitlichen Geschehen teilnehmen, um Sauerteig zu sein, der den ganzen Teig durchsäuert.“4
ER RIEF die Zwölf zu sich und sandte sie aus (Mk 6,7). Bis dahin hatten die Apostel zusammen mit anderen Jüngern Jesus begleitet, als er durch die Dörfer zog. Jetzt will der Herr ihre Mitwirkung: Sie sollen in seinem Namen predigen, Dämonen austreiben und Kranke heilen. Ein anderes Mal hatte er ihnen geraten, vor allem um Gottes Hilfe zu bitten: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden! (Lk 10,2). Diesmal betont er die Loslösung, die das Leben des Apostels kennzeichnen sollte.
Er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen (Mk 6,8-9). Die Jünger sollen begreifen, dass sie bei der Verkündigung des Evangeliums Werkzeuge Gottes sind. Die Frucht hängt nicht vor allem von den menschlichen Mitteln ab, die ihnen zur Verfügung stehen, von den Eigenschaften, die sie besitzen, oder von den Strategien, die sie entwickeln, so brillant sie sein mögen. All dies kann nützlich sein, wenn es in den Dienst der Mission gestellt wird, es kann aber auch zum Hindernis werden, das den göttlichen Plan verlangsamt oder ihm sogar schadet. Es tut uns immer gut, unsere Kleinheit und Gottes Größe zu bedenken, damit der unendliche Wert der Gaben, mit denen er uns beschenkt hat, zum Vorschein kommt – und die relative Bedeutung von Aspekten klar wird, die die menschliche Denkweise gerne in den Vordergrund stellt: materielle Güter, Herrschaft, Prestige, das Schmeicheln der Sinne ...
Mit Hilfe des Herrn wird derjenige, der ein breites und tiefes Apostolat ausüben will, die Armut, Mäßigkeit, Nüchternheit und Einfachheit von ganzem Herzen lieben ... Die Präsenz dieser Tugenden in seinem Leben wird ihn authentisch und glaubwürdig machen. Auf diese Weise wird er in der Lage sein, vielen Seelen zu helfen, sich Gott zu nähern, denn er wird vor allem die Freude eines Menschen ausstrahlen, der versucht, Jesus in den Mittelpunkt seines Lebens zu stellen, wie Papst Franziskus betont: „Die Empfänger der Evangelisierung sind nicht nur die anderen – jene, die sich zu einem anderen Glauben oder zu keinem Glauben bekennen –, sondern auch wir selbst, die wir an Christus glauben und tätige Glieder des Gottesvolkes sind. Und wir müssen täglich umkehren, das Wort Gottes annehmen und unser Leben verändern: täglich. So findet die Evangelisierung des Herzens statt.“5
JESUS sandte die Apostel aus, jeweils zwei zusammen (Mk 6,7). Damit wollte er, wie unter anderem der heilige Gregor der Große bekräftigt, die Beziehung zwischen Apostolat und Nächstenliebe aufzeigen: „Die Gebote der Liebe sind zwei: die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten. Der Herr sendet seine Jünger zu zweit aus, um zu predigen, um uns unausgesprochen darauf hinzuweisen, dass derjenige, der keine Nächstenliebe hat, keinesfalls mit dem Predigtamt beginnen sollte.“6
Mit der gleichen Überzeugung lehrte der heilige Josefmaria, dass „das wichtigste Apostolat als Christen, das beste Glaubenszeugnis gegenüber der Welt, darin besteht, dass wir innerhalb der Kirche für eine Atmosphäre echter Liebe sorgen. Wenn wir uns nicht wirklich lieben und stattdessen Anfeindungen, Verleumdungen und Intrigen Raum geben, wie kann sich dann jemand von solchen angeblichen Verkündern der frohen Botschaft des Evangeliums angezogen fühlen?“7 Das Apostolat ist nichts anderes als das Überfließen der Liebe zu allen Menschen, denen wir in unserem Leben begegnen, angefangen bei denen, die uns am nächsten stehen. Deshalb beginnt das Apostolat für einen einfachen Christen in der Familie. Zum Beispiel mit der gegenseitigen Liebe voll Zärtlichkeit zwischen Mann und Frau: Ihr Zeugnis der Einheit und der gegenseitigen Hingabe ist das wichtigste Mittel, mit dem Gott rechnet, um den Glauben an die Kinder weiterzugeben. Die Aufmerksamkeit und der Dienst am Nächsten am Arbeitsplatz, in den sozialen Beziehungen, in den verschiedenen Gemeinschaften, beim Sport oder anderen Freizeitaktivitäten usw. sind ebenfalls Apostolat ...
Aus der Liebe, sowohl im eigenen Haus als auch in anderen Bereichen, werden Freundschaften mit vielen Menschen entstehen und natürlich wachsen. Auf diese Weise können wir jedem, der uns darum bittet, einen Grund für unsere Hoffnung nennen, immer mit Demut und Respekt (vgl. 1 Petr 3,15-16). Auf diese Weise werden wir, wie der heilige Josefmaria schrieb, als er von den weitreichenden Früchten dieses kapillaren Apostolats träumte, „dazu beitragen, Misstrauen und Rivalitäten unter den Katholiken, die zusammenarbeiten, zu beseitigen; wir werden die Welt der Industrie und des Handels mit christlichem Geist erfüllen; wir werden dazu beitragen, dem modernen Denken zur Verteidigung und zum Dienst an Jesus Christus und seiner Kirche Einheit zu verleihen; wir werden versuchen, den Katholiken begreiflich zu machen, dass kein Unterschied der Sitten, Rassen oder Sprachen diejenigen trennen kann, die in Christus Jesus eins sind; wir werden alle Seelen ohne Unterschied der Rasse oder des Glaubens – innerhalb der gebührenden Ordnung – mit feinfühliger Nächstenliebe behandeln und sie mit dem Licht und der Wärme unseres christlichen Lebens dem Herrn, unserem Gott, näher bringen; wir werden zusammenarbeiten, um in den internationalen Beziehungen eine Atmosphäre der Gelassenheit, der Sauberkeit und des Verständnisses zu schaffen, die das Wirken des Heiligen Geistes in den Köpfen und im Leben der Staatsmänner erleichtern und den Völkern Frieden und Wohlstand bringen wird.“8 Wir bitten die Jungfrau Maria, dass wir vielen Menschen das Licht und die Wärme des Glaubens vermitteln können.
1 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 122.
2 Msgr. Fernando Ocáriz, Hirtenbrief, 14.2.2017, Nr. 9.
3 Hl. Josefmaria, Instruktion 19.3.1934, Nr. 27.
4 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 120.
5 Franziskus, Audienz, 23.3.2023.
6 Hl. Gregor der Große, Predigten über das Evangelium, 17.
7 Hl. Josefmaria, Freunde Gottes, Nr. 226.
8 Hl. Josefmaria, Instruktion, Mai-1935/14.11.1950, 96, 1.