Betrachtungstext: 12. Mai – Seliger Alvaro del Portillo

Vertrauen in die Gnade Gottes – Eine demütige und lächelnde Loyalität im Dienst an den anderen – Der selige Alvaro war ein guter Hirte

WIR FEIERN HEUTE das liturgische Gedenken an den seligen Alvaro del Portillo, das auf den Jahrestag seiner Erstkommunion fällt, die er zusammen mit mehr als hundert Mitschülern empfing. Jahre später erinnerte sich Don Alvaro daran, dass er, um sich darauf vorzubereiten, zur Beichte gegangen war und danach „den Beichtstuhl mit großem Frieden und großer Freude verließ“1. Von da an suchte er das Sakrament der Vergebung regelmäßig auf. Ebenso ging er nach seinem ersten Empfang des Herrn in der Kommunion mehrmals die Woche in die Heilige Messe, die in der Schule vom Pilar gefeiert wurde.

Die schlichte Frömmigkeit dieses Kindes fiel in der damaligen Zeit nicht auf, umso beeindruckender ist festzustellen, dass der selige Alvaro sich eine lebendige, dankbare und wachsende Liebe zu den Sakramenten der Beichte und der Eucharistie im Herzen bewahrte. So vertraute er sich 1983 einer kleinen Runde an: „Seit zwei- oder dreiundsechzig Jahren empfange ich täglich die Heilige Kommunion, und es ist wie eine Liebkosung Gottes.“2 Und im September 1993 antwortete er bei einem Familientreffen auf die Frage nach seinen bis dahin größten Freuden: „Meine größte Freude, mein Sohn, ist es, die Gnade Gottes zu empfangen: jedes Mal, wenn der Herr mir in der Beichte vergibt, jedes Mal, wenn er in der Kommunion zu mir kommt.“3

Obwohl er über herausragende menschliche Qualitäten verfügte, wusste der selige Alvaro, „dass die Gnade Gottes in seinem Leben viel mehr ausrichtete, als er sich selbst vorstellen konnte“4. Wie sehr er auf Gottes Allmacht vertraute, zeigt eine Wendung, die er gerne wiederholte: Danke, verzeih mir, hilf mir mehr. „Es sind Worte“, erklärte Don Fernando Ocáriz bei einer Gedenkmesse zu seinen Ehren, „die Dankbarkeit ausdrücken für das, was wir nicht verdient haben, Anerkennung unserer persönlichen Schwäche und Bitte um die nötige Kraft, um das große Glück zu erlangen, das in der Vereinigung mit Gott besteht. Es sind Worte, die zu den ersten gehören, die Mütter ihren Kindern beibringen. Bitten wir Gott um das Herz von Kindern, die wissen, dass sie ohne die Hilfe ihres Vaters gänzlich hilflos sind.“5


DER 7. JULI 1935 war entscheidend im Leben von Don Alvaro. An diesem Tag beschloss er nach ein paar Stunden der geistlichen Einkehr, sich Gott im Opus Dei hinzugeben. So begann sein Weg der Treue, die ihm die Kirche offiziell attestierte: „Unerschütterliche Treue vor allem zu Gott in der prompten und großzügigen Erfüllung seines Willens, Treue zur Kirche und zum Papst, Treue zum Priestertum, Treue zur christlichen Berufung in jedem Augenblick und Umstand des Lebens.“6 Anfangs belohnte der Herr seine unverzügliche Antwort auf seine Berufung, indem er ihm eine überströmende innere Freude und Begeisterung eingab. Mit dem geistlichen Wachstum wurde diese Freude bald besonnener und tiefer: Die spürbare Begeisterung wich einer Reife und festen Sicherheit, die auf dem Vertrauen in Gott gründeten. Binnen weniger Jahre erwarb er die entsprechende innere Verfassung, um eine unentbehrliche Stütze des Gründers des Werkes und später sein erster Nachfolger zu sein.

„Wenn ihr mich fragt“, sagte der heilige Josefmaria einmal über den seligen Alvaro, „ob er einmal heldenhaft gewesen ist, dann sage ich euch: Ja, er ist oft heldenhaft gewesen, oft, und dabei lebte er sein Heldentum, als ob es das Gewöhnlichste der Welt wäre. Ich würde mir wünschen, dass ihr ihn in vielen Dingen nachahmt, aber vor allem in seiner Loyalität. In den langen Jahren seiner Berufung gab es viele Situationen, um, menschlich gesprochen, ärgerlich oder wütend zu werden oder um illoyal zu sein; doch er lächelte immer nur und war unvergleichlich treu.“7

Der Herr erwartet von jedem von uns, dass wir dem Evangelium treu sind, Frauen und Männer des Glaubens, die in alle Bereiche des menschlichen Lebens eine übernatürliche Perspektive hineintragen: in die Familie, in die Freundschaft, in den Arbeitsplatz oder die Zusammenarbeit mit anderen, um eine apostolische Initiative voranzubringen. Wir sind gerufen, eine lächelnde Treue zu entfalten, die die Frucht einer Demut, Einfachheit, Heiterkeit und eines Friedens ist, wie sie das Herz des seligen Alvaro erfüllten und mit denen er ganz ungewollt seine Umgebung ansteckte.

An seinem Festtag bitten wir Gott, unseren Herzen auf die Fürsprache von Don Alvaro einzugeben, so gesinnt [zu sein], wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht (Phil 2,5). Auf diese Weise wird sich unsere Treue in einer stets einladenden und verständnisvollen Haltung sowie im Dienst am Mitmenschen widerspiegeln. Dieser führt uns unter anderem dazu, die Gaben, die wir vom Herrn erhalten haben, mit vielen Menschen zu teilen.


AM 15. SEPTEMBER 1975 wurde Don Alvaro zum Nachfolger des heiligen Josefmaria ernannt. Am 28. November 1982 errichtete Papst Johannes Paul II. das Opus Dei als Personalprälatur und ernannte ihn zum Prälaten. Im Jahr 1991 weihte er ihn zum Bischof. In den fast zwanzig Jahren, die er an der Spitze des Werkes stand, war der selige Alvaro ein treuer und kluger Verwalter (Lk 12,42), der sich ganz der Sendung widmete, die Gott ihm anvertraut hatte, und die Tugenden des guten Hirten lebte. „Er hat sich stets bemüht“, sagte Don Javier Echevarría in einer Predigt zu seinen Ehren, „die Seelen zum ewigen Leben zu führen, indem er den Weg zur Heiligkeit aufzeigte, auch durch sein eigenes geistliches und menschliches Ringen, dem Meister ganz nahe zu folgen; er dachte nicht nur an die Gläubigen der Prälatur, sondern auch an die vielen Menschen, die ihn um Rat oder Worte der Ermutigung für ihr geistliches Leben oder für die Gemeinschaft, der sie angehörten, baten. Allen bot Don Alvaro sein Gebet und seine menschliche und geistliche Weisheit an, stets das Wohl der Seelen und der Kirche vor Augen habend (...). Wie viel betete er und bat er unseren Herrn um Licht, um zu wissen, wie er seine eigene Herde und die Menschen, die zu ihm kamen, führen sollte.“8

Papst Franziskus schrieb in seiner Botschaft anlässlich der Seligsprechung von Don Alvaro unter anderem: „Besonders ragte seine Liebe zur Kirche hervor. Ihr diente er als der Braut Christi, mit ganzem Herzen, unabhängig von jedem Vorteil für sich selbst. Jede Zwietracht mied er, nahm alle herzlich auf und suchte immer das Gute und Positive bei den anderen, das, was verbindet, das, was aufbaut. Aus seinem Munde kamen keine Klagen oder kritischen Bemerkungen, auch nicht in besonders schwierigen Augenblicken. Er reagierte stets mit Gebet, Vergebung, Verständnis und aufrichtiger Liebe, so wie er es vom heiligen Josefmaria gelernt hatte.“9

Bitten wir unsere himmlische Mutter, der Herr möge uns eine immer stärkere Liebe zu den Seelen, zur Kirche und zum Papst eingeben. Der Wunsch, in dieser Liebe stets zu wachsen, war tief im Herzen des seligen Alvaro verwurzelt. So wandte er sich bei einer Wallfahrt nach Fatima schlicht und andächtig an seine Mutter: „Ich weiß, dass du uns immer hörst, und dennoch sind wir aus Rom gekommen, um dir zu sagen, was du schon weißt: dass wir dich lieben, doch wir wollen dich noch mehr lieben. Hilf uns, der Kirche so zu dienen, wie sie möchte, dass ihr gedient wird: aus ganzem Herzen, mit uneingeschränkter Hingabe, in Loyalität und Treue.“10


1 Javier Medina Bayo, Alvaro del Portillo. Un hombre fiel, Rialp, Madrid, 2012, S. 45. Vgl. auch Thomas Mertz, Ingenieur ‒ Priester ‒ Vater. Bischof Alvaro del Portillo, eine biographische Skizze, Fassbaender, Wien 2014, S. 16.

2 Javier Medina Bayo, Alvaro del Portillo. Un hombre fiel, Rialp, Madrid, 2012, S. 46.

3 Sel. Alvaro, Aufzeichnungen aus einem Familientreffen, 15.9.1993.

4 Prälat Fernando Ocáriz, Predigt, 11.5.2019.

5 Ebd.

6 Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse, Dekret über die heroischen Tugenden des Dieners Gottes Alvaro del Portillo, 28.6.2012.

7 Hl. Josefmaria, Aufzeichnungen aus einem Familientreffen, 11.3.1973.

8 Javier Echevarría, Predigt, 13.5.2016.

9 Franziskus, Brief an den Prälaten des Opus Dei anlässlich der Seligsprechung von Alvaro del Portillo, 16.6.2014.

10 Sel. Alvaro, Gebet vor Unserer Lieben Frau von Fatima, 25.1.1989.

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