Betrachtungstext: 1. Woche im Jahreskreis – Donnerstag

Gott weiß, was das Beste für uns ist – Auch in unseren Schwächen finden wir den Herrn – Die Liebe ist unentgeltlich, sie sucht nicht zu besitzen

DURCH DIE GANZE Heilige Schrift hindurch lehrt uns Gott, wie wir beten sollen, indem er uns sowohl Worte wie auch Haltungen nahelegt. Im heutigen Evangelium begegnen wir einem Aussätzigen, der sich Jesus nähert und ihn auf den Knien anfleht: Wenn du willst, kannst du mich rein machen (Mk 1,40). Diese Art und Weise, Gott um Hilfe zu bitten, ist sehr aussagekräftig. Der Gebetsakt allein bedeutet, dass wir darauf vertrauen, dass Gott uns helfen will; doch die Bitte explizit auszusprechen, bedeutet darüber hinaus anzuerkennen, dass nur er wirklich weiß, was für uns gut ist. Und an der prompten Antwort Jesu erkennen wir, dass diese vertrauensvolle Haltung des Aussätzigen ihn gewonnen hat: Ich will ‒ werde rein (Mk 1,41). Obwohl sie kaum vier Worte gewechselt haben, haben Jesus und der Aussätzige ein tiefes Verständnis füreinander gefunden, und Gott traf auf eine offene Tür in seinem Herzen.

Indem wir von Gott nicht Dinge fordern, als wären unsere Pläne weiser als seine, werden wir fähig, seine Liebe zu uns noch tiefer zu erfahren. Zugleich werden wir uns im Vertrauen auf seine Hände und seine Weisheit sicherer fühlen und unsere wahre Würde begreifen: dass wir von Gott geliebte und gewollte Wesen sind, nicht aufgrund unserer Taten, sondern aufgrund unserer Existenz, da wir aus seinen Händen hervorgegangen sind. Papst Franziskus äußerte sich zur Freiheit mit den Worten: „Die von der Liebe geleitete Freiheit ist die einzige, die die anderen und uns selbst frei macht; die es versteht zuzuhören, ohne etwas aufzuzwingen; die es versteht zu lieben, ohne zu zwingen; die aufbaut und nicht zerstört.“1 Niemand kennt uns so gut wie Jesus, und niemand weiß besser, was wir in jedem Augenblick brauchen. Daher lohnt es sich, ihn mit der demütigen und vertrauensvollen Haltung des Aussätzigen um Hilfe zu bitten.


DER HEILIGE Josefmaria kommentierte die Worte des Aussätzigen im Evangelium: „Herr, wenn du willst ‒ und du willst immer ‒, kannst du mich heilen. Du kennst meine Gebrechen; ich merke diese Symptome, ich leide an jenen Schwächen; und wir zeigen ihm einfach unsere Wunden und auch den Eiter, wenn es ihn gibt. Herr, du hast so viele Menschen geheilt: Lass mich dich als göttlichen Arzt erkennen, wenn ich dich im Herzen habe oder im Tabernakel anbete.“2 Und dann hören wir, dass der Herr möchte. Er reinigt uns und bekleidet uns mit seinem Gewand, er steckt uns seinen Ring an den Finger, er ruft die Musiker herbei und schlachtet das Mastkalb. Er erinnert uns an unsere Würde als Söhne: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an (Lk 15,22), sagt die Heilige Schrift.

Trotz allem kann es vorkommen, dass wir versucht sind, uns selbst zu heilen, uns schon für groß zu halten, für erwachsen, so dass wir niemanden brauchen, der uns reinigt. Wir träumen vielleicht sogar davon, uns nicht mehr zu beflecken, und ärgern uns, wenn es dennoch passiert. Auf diese Weise verkennen wir die wahre Natur unserer Entsprechung gegenüber der Liebe Gottes. Wir sind von Selbstgenügsamkeit erfüllt, unserem schlimmsten Feind. Papst Franziskus erinnert uns: „Die Liebe Christi hat uns befreit, und die Liebe befreit uns auch von der schlimmeren Knechtschaft, der Knechtschaft des eigenen Ich.3

Manchmal vergessen wir vielleicht, dass der Herr auf uns wartet, ganz gleich, was geschieht, nicht nur in unseren Siegen. Inmitten der Verwirrung durch die Entmutigung könnten wir dann diese einmaligen Gelegenheiten verpassen, auf die uns der heilige Josefmaria hinweist: „Habe ich dem Herrn den Schmerz, den ich fühle, weil ich ihn – so oft! – beleidigt habe, als Sühne aufzuopfern gewusst? Habe ich ihm die Schmach für meine innere Beschämung und Demütigungen aufgeopfert, wenn ich sehe, dass ich auf dem Weg der Tugenden nur so langsam vorankomme?“4 Für Gott ist alles von Bedeutung, was uns betrifft, selbst unsere Niederlagen. Er weiß, wie groß und aufrichtig unser Wunsch ist, ihn über alles zu lieben.


PAPST PAUL JOHANNES II. wandte sich einmal mit folgenden Worten an Leprakranke: „Die Worte des Aussätzigen: Wenn du willst, kannst du mich heilen, waren das Zeugnis einer Willensbereitschaft, alles anzunehmen, was Jesus mit ihm tun wollte. Und sein Glaube an Jesus wurde nicht enttäuscht! Brüder und Schwestern, möge euer Glaube an Jesus nicht weniger fest und beständig sein als der jener Gestalten, von denen die Evangelien berichten!5 Wir bitten Gott, uns einen solchen Glauben zu schenken, und wollen erkennen, dass alles, was wir haben, von ihm kommt.

Mein armes Herz sehnt sich nach Innigkeit“, vertraute der heilige Josefmaria seinem Tagebuch an. „Und diese Innigkeit, mit der du dich dem Menschen zugewandt hast: wie sehr wird sie gesättigt und überschwemmt, wenn der Mensch dich sucht, durch die Innigkeit (die dich in den Tod geführt hat) deines göttlichen Herzens!6 Wir sehnen uns nach der Zuwendung Gottes, doch manchmal kann es passieren, dass wir versuchen, diese Sehnsucht auf unreinen Pfaden stillen, wo wir andere nicht als Kinder Gottes ansehen, die eine unentgeltliche Liebe verdienen. Dann suchen wir vielleicht nur unseren eigenen Vorteil und werden dadurch innerlich leer.

Die Bitte um Vergebung öffnet uns für die wahre, bedingungslose Liebe Gottes. Wenn du willst, kannst du mich heilen: Darin liegt der Schlüssel zur reinen Liebe. Papst Franziskus betonte: „Keuschheit ist die Freiheit von Besitz in allen Lebensbereichen. Nur wenn eine Liebe keusch ist, ist sie wirklich Liebe. Die Liebe, die besitzen will, wird am Ende immer gefährlich, sie nimmt gefangen, erstickt und macht unglücklich. Gott selbst hat den Menschen mit keuscher Liebe geliebt und ihm die Freiheit gelassen, Fehler zu machen und sich gegen ihn zu stellen.“7

Durch die Bitte um Vergebung schreiten wir auf dem Weg der heiligen Reinheit voran, der es uns ermöglicht, Gottes Liebe zu jedem von uns zu genießen. Die Unbefleckte Jungfrau hilft uns, alle mit jener Freiheit zu lieben, die uns einen Vorgeschmack auf die Liebe Christi schenkt.


1 Franziskus, Audienz, 20.10.2021.

2 Hl. Josefmaria, Christus begegnen, Nr. 93.

3 Franziskus, Audienz, 20.10.2021.

4 Hl. Josefmaria, Im Feuer der Schmiede, Nr. 153.

5 Hl. Johannes Paul II., Reise in den fernen Osten, Ansprache vor Leprakranken, 21.2.1981.

6 Hl. Josefmaria, Persönliche Aufzeichnungen, 9.10.1932.

7 Franziskus, Apostolisches Schreiben Patris corde, 8.12.2020, Nr. 7.